Eine Taube hat ein Taubenhaus angeflogen. (Foto: picture alliance/dpa | Arne Dedert)

Wer ist für die Stadttauben im Saarland verantwortlich?

Martina Kind   30.09.2023 | 10:17 Uhr

Von Tauben fühlen sich viele Menschen in der Stadt gestört. Auch die Städte selbst wollen sie loshaben – und verbieten daher, die Tiere zu füttern. Das halten Tierschützer für falsch. Zumindest, wenn die Städte sich nicht selbst um die Vögel kümmern. Schließlich sei der Mensch Schuld an ihrem Leid.

Tauben zu füttern kann im Saarland sehr teuer werden, insbesondere für Wiederholungstäter bzw. -täterinnen. Im schlimmsten Fall kann ihnen ein Bußgeld von 5000 Euro drohen. Denn in vielen Städten gelten Taubenfütterungsverbote, zum Unmut von Tierschützerinnen und Tierschützern.

Sie sagen: Statt Verbote auszusprechen und diejenigen zu bestrafen, die den Tieren helfen wollen, sollten die Städte und Kommunen ihre Zeit besser darin investieren, sich um die Tauben zu kümmern. Schließlich seien Stadttauben keine Wild-, sondern Haustiere – und somit vom Menschen abhängig, der wiederum in erster Linie für ihr großes Leid und den ganzen Ärger verantwortlich ist.

Tauben laut Berliner Gutachten Haustiere

Recht gibt ihnen dabei ein Gutachten der Landestierschutzbeauftragten von Berlin, Kathrin Hermann, aus dem Jahr 2021. Laut diesem handelt es sich bei Stadttauben "in Deutschland immer um Haus-, d.h. domestizierte Tiere", das habe man anhand der Studienlage genetisch eindeutig nachweisen können.

Das gelte nicht nur für Brief-, Hochzeits- oder sonstige Haustauben, die nicht mehr zu ihrem Ursprungstaubenschlag zurückgefunden und sich einer Stadttaubenpopulation angeschlossen hätten. Sondern "auch für deren Nachkommen, da auch diese nach zahlreichen weiteren Generationen das ihnen typische angezüchtete Verhalten nicht verlieren und sich auch nicht mit den in Deutschland vorkommenden Wildtaubenarten paaren und genetisch vermischen".

Aus diesen Ergebnissen leiten sich dem Gutachten zufolge rechtliche Pflichten für die Kommunen ab – diese tragen wegen deren Herkunft demnach eine Fürsorgepflicht für die Tauben, urteilt der juristische Referent der Berliner Landestierschutzbeauftragten, Christian Arleth. "Soweit in deutschen Kommunen noch Taubenfütterungsverbote existieren, sind diese als Landesrecht rechtswidrig, da sie gegen das höherrangige Bundestierschutzgesetz und das Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz verstoßen."

Betreute Taubenschläge die Lösung?

Doch wie sollen die Kommunen das bewerkstelligen? Durch die Errichtung betreuter Taubenhäuser bzw. -schläge nach dem "Augsburger Modell", schlagen Tierschützer vor. Damit gewährleiste man nicht nur einen art- und tierschutzgerechten Umgang mit den Tauben, sondern löse zugleich alle Probleme – man locke die standorttreuen Tiere dauerhaft aus der Stadt und bereinige das Stadtbild damit auch vom verhassten Taubenkot, der in dieser Form im Übrigen auch nur eine Folge der mangelhaften Ernährung von Pizza, Pommes und Co. sei.

Zudem lasse sich die Population auf diese Weise am besten regulieren, nämlich indem die Eier der Tiere in den Taubenschlägen regelmäßig durch Gipsattrappen ausgetauscht werden. Aus Sicht von Tierschützerinnen und Tierschützern also eine Win-Win-Situation. In Augsburg hätten sich Bau und Betrieb der Taubenhäuser zumindest seit 2008 bewährt, daher auch das "Augsburger Modell".

Taubenschläge u.a. in Saarbrücken und Saarlouis

Auch im Saarland gibt es bereits mehrere betreute Taubenschläge, wie der Verein Stadttauben Saarbrücken e.V. und der Landesverband des Deutschen Tierschutzbundes dem SR mitteilen – etwa in Saarbrücken, Saarlouis oder Völklingen.

In der Landeshauptstadt kümmern sich Ehrenamtliche täglich in zwei Taubenschlägen um die Versorgung der Tiere, sie stellen artgerechtes Körnerfutter sowie frisches Wasser bereit, tauschen die Eier zwecks Geburtenregulierung aus, halten Ausschau nach verletzten Tieren und reinigen die Taubenschläge. Erstmals seit diesem Jahr unterstützt die Stadt den Verein auch finanziell mit 10.000 Euro aus dem Haushalt.

Das sei zwar "sehr erfreulich", sagt die Vereinsvorsitzende Helga Ehretsmann. "Wir brauchen aber noch mehr Taubenschläge in der Stadt, mindestens zwei weitere." Zudem müssten sich Stadtverwaltung und Stadtrat "endlich" darum kümmern, dass über die städtische Polizeiverordnung die Eigentümer gesetzlich dazu verpflichtet werden, undichte Stellen an maroden Häusern zu schließen und die Gebäudesubstanz in Ordnung zu halten. "Denn das zieht Tauben an, die dann dort wild nisten. Darüber haben wir dann keine Kontrolle mehr."

Letztlich sei auch mehr Unterstützung in Form helfender Hände wünschenswert; aktuell zähle der Verein Stadttauben Saarbrücken e.V. rund 70 Mitglieder, viele im Rentenalter. "Ob jung, ob alt – alle sind herzlich willkommen."

Mehr Unterstützung gefordert

Auch Sabine Woll vom Landesverband des Deutschen Tierschutzbundes wünscht sich eine stärkere Zusammenarbeit mit der Stadt Saarlouis. "Wir betreuen aktuell einen Taubenschlag am Saarlouiser Hauptbahnhof, von der Stadt bekommen wir dafür jährlich 3000 Euro Fütterungsgeld". Das reiche allerdings höchstens für ein halbes Jahr. Rund 500 Tauben lebten derzeit dort, 2000 Eier müssten jährlich ausgetauscht werden.

Auch in Saarlouis gibt es insgesamt zwei betreute Taubenschläge, auch dort ist das nach Ansicht von Woll zu wenig. Dabei müssten nicht gleich neue Taubenhäuser errichtet werden, auch umgebaute Bauwagen an Brennpunkten könnten bereits Abhilfe schaffen. "Doch das erlaubt die Stadt bisher nicht."

Woll ist der festen Überzeugung, dass sich der schlechte Ruf von Stadttauben nachhaltig bessern würde, wenn die Kommunen ihrer Fürsorgepflicht ausreichend nachkämen – zu den vermeintlichen "Ratten der Lüfte" habe der Mensch sie schließlich selbst gemacht und sei damit auch verantwortlich dafür, dieses Bild wieder geradezurücken.


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