Kontrolleure prüfen Fahrkarten in der Bahn (Foto: picture alliance / dpa | Holger Hollemann)

Auch aus dem Saarland: Initiative Freiheitsfonds kauft Schwarzfahrer frei

Martina Kind   02.09.2023 | 08:41 Uhr

Das Fahren ohne Ticket in öffentlichen Verkehrsmitteln ist in Deutschland eine Straftat, die mit Geldstrafen, im schlimmsten Fall mit einer Haftstrafe geahndet werden kann. Auch wer seine Strafe nicht zahlen kann, landet meist hinter Gittern. Das findet die Initiative Freiheitsfonds ungerecht – und kauft Schwarzfahrer daher regelmäßig frei. Auch Saarländer haben schon davon profitiert.

Zum 1. Juli 2023 haben sieben Menschen eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen eines Verstoßes gegen Paragraf 265a des Strafgesetzbuches (StGB) in der Justizvollzuganstalt Ottweiler abgesessen, im Jahr zuvor waren es zehn. In besagtem Paragraf geht es um das "Erschleichen von Leistungen", unter anderem etwa durch die "Beförderung durch ein Verkehrsmittel". Aus dem Amtsdeutsch übersetzt also: ums Schwarzfahren.

Wer in Deutschland ohne gültiges Ticket in einem Bus, einem Zug, einer U-Bahn unterwegs ist, begeht demnach eine Straftat. Die kann, zusätzlich zu dem "erhöhten Beförderungsentgelt" von 60 Euro, mit einer Geldstrafe belegt werden – oder im Extremfall mit einer Haftstrafe von bis zu einem Jahr. In der Regel kommt es zwar "nur" zu einer Geldstrafe. Wer diese allerdings nicht abarbeiten oder bezahlen kann, auch nicht in Raten, der muss mit ebenjener Ersatzfreiheitsstrafe (ESF) rechnen.

Betroffene oft "verarmt, krank, sozial ausgeschlossen"

Paragraf 265a StGB ist ein Relikt aus dem Nationalsozialismus, gegen den es anzukämpfen gilt, findet die Initiative Freiheitsfonds. Denn das Gesetz, das im Jahr 1935 eingeführt wurde, bestrafe vor allem die Menschen, mit denen es das Leben ohnehin nicht gut meine: Die Betroffenen, die wegen Schwarzfahrens im Gefängnis landen, seien überwiegend arbeitslos, ohne festen Wohnsitz und suizidgefährdet.

Das belegen auch Studien, etwa eine Analyse des Kriminologischen Dienstes des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2018. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Inhaftierten, die eine Ersatzfreiheitstrafe "wegen des Erschleichens von Leistungen" verbüßt haben, im Vergleich zu anderen ESF-Häftlingen, "gemäß Aktenlage zu noch etwas größeren Anteilen bei Strafantritt verarmt, krank, sozial ausgeschlossen und im strafrechtlichen Sinne nicht gefährlich" seien.

Drei wegen Schwarzfahrens inhaftierte Saarländer freigekauft

Deshalb sammelt die Initiative Freiheitsfonds Spenden, um Gefangene, die wegen Schwarzfahrens hinter Gittern gelandet sind, freizukaufen. Seit ihrer Gründung im Dezember 2021 sind dabei schon mehr als 750.000 Euro zusammengekommen. Damit habe man bundesweit knapp 840 Häftlinge freikaufen können. Drei davon aus dem Saarland, wie Gründer Arne Semsrott dem SR mitteilte. "Am 7. Februar 2022, am 9. März 2022 und am 6. Juni 2023."

Übergeordnetes Ziel aber sei: "Das Fahren ohne Fahrschein muss entkriminalisiert und langfristig eine kostenlose Nutzung des ÖPNV ermöglicht werden." Niemand dürfe wegen fehlender Tickets in Haft landen. "Deswegen fordern wir, dass Paragraf 265a StGB von 1935 gekippt wird."

Verkehrsministerin Berg für Entkriminalisierung

Auch die saarländische Verkehrsministerin Petra Berg (SPD) hat sich für einen Gesetzesvorschlag ausgesprochen, der das Fahren ohne Ticket komplett entkriminalisiert. Sie befürworte zwar den Beschluss des Bundestages vom 22. Juni, Ersatzfreiheitsstrafen zu halbieren – ab dem 1. Februar 2024 wird dann pro Tagessatz Geldstrafe nur noch ein halber Tag Gefängnis fällig.

Beim Schwarzfahren plädiere sie allerdings dafür, es künftig nicht als Stratftat, sondern als Ordnungswidrigkeit zu bewerten. Denn viele Täterinnen und Täter hätten nicht etwa eine rechtsfeindliche Einstellung, sondern schlicht nicht genug Geld. Zudem würde ein Wegfall der Gefängnisstrafe auch die Justiz entlasten, so Berg.

Auch die Saarländische Armutskonferenz findet die aktuellen Strafen "überzogen und sozial ungerecht". Zudem sei der dadurch entstandene Schaden für den Staat unverhältnismäßig hoch: Die Kosten pro Tag im Gefängnis belaufen sich pro Person nach Angaben des Justizministeriums auf rund 130 Euro, das kostet also auch die Steuerzahlerinnen und -zahler viel Geld.

Deshalb schließt sich die Armutskonferenz der Initiative Freiheitsfonds an und fordert: Straffreiheit für das Fahren ohne Ticket und langfristig einen kostenlosen Nahverkehr.

Über dieses Thema hat auch die SR 3-Rundschau am 02.09.2023 berichtet.


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