Angst vor Pilzvergiftung? Wie der Giftnotruf hilft
Pilze erst gemeinsam im Wald sammeln und dann ein leckeres Gericht zaubern – das klingt romantisch, kann aber tödlich enden. Erste Hilfe bei einer möglichen Vergiftung bietet das Giftinformationszentrum. Ein rechtzeitiger Anruf dort kann Leben retten.
Pilze sammeln ist besonders im Oktober beliebt – und in diesem Jahr gab es aufgrund des feucht-warmen Wetters besonders reiche Beute. So zahlreich wie die Pilze sprießen, gehen aber auch bei der Giftinformationszentrum Anrufe ein.
Je besser das Pilzwetter – umso mehr Anrufe
„Das schwankt witterungsbedingt. Wir hatten zum Beispiel im Jahr 2018 (ein besonders trockenes Jahr, Anm.d.Red.) nur knapp über 200 Fälle gehabt. Das Jahr davor waren es rund 600, das Jahr danach rund 700 Fälle. Das waren die bisher höchsten Zahlen überhaupt in den letzten 30 Jahren“, sagt Andreas Stürer, Leiter des Giftinformationszentrums an der Mainzer Universitätsmedizin. In den vergangenen vier Jahren seien es meist um die 500 Fälle gewesen.
Was ist das Giftinformationszentrum ?
Wer im Saarland wohnt und sich über eine mögliche Vergiftung informieren will, der ist beim Giftinformationszentrum (GIZ) der Länder Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland richtig. Zuständig ist die Universitätsmedizin Mainz unter der Rufnummer 06131-19240.
Hier bekommen alle Anrufenden rund um die Uhr professionelle und ärztliche Beratung bei Vergiftungen aller Art. Das GIZ besteht seit dem Jahr 1964 und ist eines von sieben deutschen Giftinformationszentren.
In diesem Jahr hat es im Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen nach Angaben des Giftinformationszentrums bis Ende vergangener Woche 274 Fälle von möglichen Pilzvergiftungen gegeben. Dabei gehen zu einem Fall gegebenenfalls auch mehrere Anrufe ein, denn es rufen nicht nur Privatpersonen an: „Da rufen Bürger an, aber auch der Rettungsdienst oder das Krankenhaus, manchmal mehrfach“. Das kommt gerade bei schweren Vergiftungsfällen vor.
Oktober ist Pilzberatungs-Hochsaison
Für das Saarland hat das Giftinformationszentrum bisher erst elf Fälle registriert. Bis zum Ende des Jahres werden es vermutlich noch einmal doppelt so viele: „In den vergangenen Jahren gab es zwischen 15 und 30 Fälle.“ Im Oktober erreicht das Giftinformationszentrum aber immer das Maximum der Anrufe rund um Pilze. Allein vergangene Woche waren es laut Stürer 60 Fälle in den drei Bundesländern, für die es zuständig ist.
Gründe für Anruf unterschiedlich
Weswegen sich Menschen beim Giftinformationszentrum melden, ist aber ganz unterschiedlich, sagt Stürer. Das Spektrum reiche von: "Ich habe einen Pilz angefasst, mir die Hände nicht gewaschen und zwei Stunden danach mit derselben Hand Kuchen gegessen", über "Ich habe Pilze gesammelt, keine Erfahrung, ein Pilzgericht zubereitet und gegessen – jetzt Bauchgrummeln und Angst, ob womöglich ein giftiger Pilz dabei gewesen ist", bis hin zu Anrufern, die bereits über ernsthafte Magen-Darm-Beschwerden klagen.
Schließlich gingen auch Anrufe aus Krankenhäusern ein, die einen Patienten mit Verdacht auf Pilzvergiftung aufgenommen haben und dessen Leberwerte bereits entsprechend hoch seien.
Fall aus Saarland scheint sensibilisiert zu haben
Der Fall einer Familie aus dem Saarland, die unter den schweren Folgen einer Knollenblätterpilz-Vergiftung leidet – und ohne Lebertransplantation sehr wahrscheinlich verstorben wäre –, scheint sich dabei auch auf die Beratungsanfragen auszuwirken.
„Im Moment haben wir recht viele Anfragen. Darunter waren auch zwei Anrufe, bei denen man den Eindruck hat, dass im Moment auch eine gewisse Sensibilisierung stattfindet. Dass die Leute jetzt realisieren, dass der Knollenblätterpilz sehr giftig ist und auch ängstlicher nachfragen“, sagt Stürer.
Pilzsachverständige helfen bei Bestimmung
Beim Anruf im Giftinformationszentrum nehmen die Ansprechpartner immer eine Risikobewertung vor. Das passiert durch gezielte Fragen. Bei Pilzvergiftungen sei das oft schwierig, weil unter anderem auch Misch-Pilz-Gerichte gegessen werden. Zur weiteren Bestimmung werden, je nach Situation, auch Pilzsachverständige vor Ort eingeschaltet.
Sie versuchen dort, beispielsweise anhand von Schäl- oder auch Essensresten, den oder die Pilze zu identifizieren. Bundesweit gibt es rund 600 solcher Sachverständiger. Bei Unklarheiten gehe man aber immer vom „Worst Case-Szenario“ aus und schicke die Betroffenen in eine Klinik.
Pilze: Welcher ist harmlos, welcher gefährlich?
Pilze nur ein geringer Anteil bei Vergiftungsfällen
Steht eine Vergiftung mit dem tödlichen Knollenblätterpilz im Raum, könne man dort auch prophylaktisch ein Gegengift geben. Sollte sich bei weiteren Untersuchungen herausstellen, dass es sich nicht um den tödlichen Pilz gehandelt hat, könne man dies auch wieder absetzen.
Das Ziel sei es immer, eine Transplantation – wenn möglich – zu verhindern. Diese könne zwar Leben retten, bedeutet für die Betroffenen aber auch eine lebenslange Medikamenteneinnahme.
Beratungsanfragen bezüglich Pilzvergiftungen machen insgesamt tatsächlich nur einen verschwindend kleinen Teil der Anrufe beim Giftinformationszentrum aus, sagt Stürer: „Arzneimittel sind die größte Gruppe, dann kommen – vor allem im Kindesalter – die bunten Beeren oder auch Pflanzen. Es folgen Reinigungsmittel, die zuhause herumstehen und dann kommen Kosmetika“. Nur 1,5 Prozent der Anrufe entfallen demnach auf Fragen rund um Pilze.
Knollenblätterpilz besonders gefährlich
Bei den tödlichen Pilzvergiftungen ist der Knollenblätterpilz die häufigste Ursache: „90 Prozent der tödlichen Pilzvergiftungen werden durch den Knollenblätterpilz verursacht“, zitiert Stürer eine aktuelle Publikation. Deswegen sollte man von Pilzen, die dem Wiesenchampignon ähnlich sehen, definitiv die Finger lassen.
Es gibt aber auch andere Pilze, die schwerwiegende Organschäden hervorrufen: „Auch sehr giftig sind Orellanin-haltige Pilze. Diese führen zu einer Schädigung der Nieren bis zum Nierenversagen. Das Schlimme gegenüber dem Leberversagen ist, dass die Symptome hier erst nach vier bis fünf Tagen eintreten – wenn die Nieren schon soweit geschädigt sind, dass sie die Giftstoffe nicht mehr richtig ausscheiden. Und da denken viele schon nicht mehr an den Pilzkonsum.“
Das sogenannte Orellanus-Syndrom wird unter anderem vom Verzehr des orangefuxigen Raukopfes oder auch dem spitzgebuckelter Raukopf verursacht. Eine Vergiftung damit ist laut Stürer aber sehr viel seltener.
Keine Apps – und am besten nur Röhrlinge ins Pilzkörbchen
Um auf der sicheren Seite zu sein, rät Stürer beim Pilze sammeln deshalb dazu, nur Röhrlinge mitzunehmen. Diese könnten zwar auch mal zu heftigen Magen-Darm-Beschwerden führen, schädigten aber nicht die Organe und seien nicht lebensbedrohlich.
Auf Apps sollte man sich nicht alleine stützen, davon raten auch Pilzexperten ab. Wer sichergehen will, dass seine Pilze in Ordnung sind, kann sich auch von einem Pilzsachverständigen helfen lassen. Eine kostenlose Pilzberatung gibt es am kommenden Montag auch von 10.30 bis 12.30 Uhr im Naturpark-Informationszentrum in Weiskirchen.
Wer sich, nachdem er selbst gesammelte Pilze gegessen hat, unwohl fühlt, oder auch Magen-Darm-Beschwerden hat, sollte sich umgehend an das Giftinformationszentrum wenden. Diese ist 24-Stunden erreichbar.
Über dieses Thema haben auch die Hörfunknachrichten am 22.10.2024 berichtet.