ME/CFS-Patienten wollen mehr Unterstützung für Forschung
Die Corona-Pandemie liegt für die meisten Menschen im Alltag schon lange zurück. Nicht so für Long- und Post-Covid-Betroffene. Sie leiden bis heute unter den Langzeitfolgen der Infektion. Besonders Patienten mit ME/CFS hat es schwer erwischt. Doch die Krankheit ist bislang kaum erforscht.
Genau fünf Jahre ist es her, dass das Corona-Virus auch das Saarland erreicht hat. Es folgten Lockdowns, Maskenpflicht, Schulschließungen. Mittlerweile hat ein Großteil der Menschen wohl mindestens eine Corona-Infektion durchgemacht – meist sind die Betroffenen nach einer guten Woche wieder fit.
Leben auf den Kopf gestellt
Doch es gibt auch Menschen die Monate nach der Infektion weiter unter Krankheitssymptomen leiden – oft bekannt als Long oder Post Covid. Bis zu 50 Prozent dieser Gruppe leidet unter Myalgischer Enzephalomyelitis und dem Chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS).
ME/CFS stellt das Leben vieler Betroffener komplett auf den Kopf – wie auch bei Kristina Emmerich. Die 26-Jährige verbringt ihre Tage zum Großteil im abgedunkelten Kinderzimmer ihres Elternhauses. 2022 hatte sie sich mit Corona infiziert. Was folgte, war ein langer Ärztemarathon.
Lange nicht ernst genommen
„Ich war gar nicht mehr leistungsfähig. Und irgendwann sagte der Hausarzt: ‚Ja, das lassen wir dann ein bisschen stationär abklären‘“, erinnert sie sich. „Aber da kamen erstmal so Kommentare wie ‚Ja, Sie sind so schnell im Wartezimmer aufgestanden, so schlecht kann es Ihnen ja gar nicht gehen‘. Es hat bestimmt zwei Jahre gedauert, bis ich dann die ME/CFS-Diagnose bekommen habe.“
Eigentlich war Kristina schon an einem ganz anderen Punkt in ihrem Leben. Sie lebte in einer eigenen Wohnung, studierte an verschiedenen Universitäten außerhalb des Saarlandes. Doch viele Bekanntschaften sind nun verloren. ME/CFS bestimmt Kristinas Leben – und das, obwohl sie im Vergleich zu anderen Erkrankten einen moderaten Verlauf hat.
Jeden Tag Schmerzen und Schwäche
Für Kristina fühlt sich jeder Tag an, als bekomme sie eine Grippe: Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, und sie fühlt sich schwach. „Anfangs war ich ja nicht so krass betroffen. Da konnte ich noch zur Uni gehen, meine Einkäufe noch erledigen. Aber danach war ich dann komplett fertig und war dann im Bett. Und weil ich mich immer so oft übernommen habe, ist es halt schlimmer geworden.“
Mittlerweile sei für sie Pacing angesagt, also ein individuelles Energiemanagement, um eine Zustandsverschlechterung zu vermeiden. Kristina duscht im Sitzen, wäscht sich einmal die Woche die Haare. Ihre Eltern fahren sie zu den Ärzten und erledigen den Haushalt.
Immer mehr diagnostizierte Fälle
Im Saarland steigt die Zahl der ME/CFS-Neudiagnosen kontinuierlich. 2020 waren es rund 1650 Fälle, im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland fast 2600 Diagnosen gestellt.
Deshalb ist die Patientenorganisation „Nicht genesen“ auch im Saarland aktiv. Zwar wird ME/CFS auch durch andere Infektionskrankheiten ausgelöst, doch ein Großteil der Betroffenen hat die Diagnose seit einer Corona-Erkrankung.
Derzeit noch keine Medikamente zur Heilung
„Mild Betroffene können keinen Sport machen“, sagte der Landesvorsitzende Frank Becker dem SR. „Moderat Betroffene können das Haus nicht mehr verlassen. Schwer Betroffene sind durchgängig bettlägerig. Und leider gibt es auch Patienten, die sehr schwer betroffen sind. Die sind Tag und Nacht auf Pflege und Unterstützung von anderen oder von ihren Betreuern angewiesen.“
„Nicht genesen“ fordert deshalb von der Bundesregierung, dass die biomedizinische Forschung in Deutschland besser finanziert und vorangetrieben wird. Das unterstützt auch die Uniklinik Erlangen, wo gezielt an ME/CFS geforscht wird. Derzeit gebe es keine Medikamente, die die Erkrankung heilen könnten.
Grundlagenforschung nötig
„Was wir können, ist die Erkrankung im Endeffekt mit Hilfsmitteln zu versorgen, den Patienten Tipps mit auf den Weg zu geben, ihnen Tools zu geben, dass sie mit der Erkrankung gut umgehen können und vielleicht auch ein gewisses Level, wie sie ihren Alltag wieder bewerkstelligen können oder vielleicht in einem gewissen Maß wieder teilhaben können“, so Oberärztin und Molekularmedizinerin Dr. Bettina Hohberger.
Aus Sicht der Uniklinik Erlangen ist vor allem Grundlagenforschung notwendig, um die medizinische Ursache für ME/CFS zu finden. Doch dafür fehle Geld. Es sei deshalb wichtig, die Pharmaindustrie von einer verstärkten Forschung an ME/CFS zu begeistern.
Kristina Emmerich kommt zurzeit mit Schmerzmitteln halbwegs durch ihren Alltag. Sie hofft, dass sich die Politik in Zukunft stärker für biomedizinische Grundlagenforschung einsetzt und dass es mehr Medikamentenstudien gibt. Denn: „Nur mit ein bisschen Spazierengehen oder guter Ernährung kommen wir hier nicht mehr raus.“
Long Covid, Post Covid
Damit sind vorübergehende oder dauerhafte gesundheitliche Folgen einer SARS-Cov-2-Infektion gemeint. Bei einer Dauer von bis zu zwölf Wochen werden sie oft als Long Covid bezeichnet, bei längerer Dauer auch als Post-Covid-Syndrom. Die Ausprägung ist sehr unterschiedlich. Häufige Symptome sind Fatigue, also eine starke Entkräftung, eine Zustandsverschlechterung nach Belastung sowie Störungen der geistigen oder körperlichen Leistungsfähigkeit.
ME/CFS
Die Myalgische Enzephalomyelitis / das Chronische Fatigue Syndrom ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt. Symptome sind eine schwere Ausprägung der Fatigue (Entkräftung) sowie eine Post-Exertionelle Malaise (PEM), eine ausgeprägte und anhaltende Verstärkung aller Krankheitssymptome trotz nur geringer Anstrengung. Dazu gehören Schwäche, Muskelschmerzen, grippale Symptome und eine Verschlechterung des allgemeinen Zustands. Die genauen Mechanismen von ME/CFS sind bisher noch kaum erforscht. Weitere Informationen bietet die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS auf ihrer Internetseite.
Über dieses Thema hat auch der aktuelle bericht vom 04.03.2025 berichtet.