Meldungen von Kindeswohlgefährdungen auch im Saarland gestiegen

Immer mehr Kinder sind Opfer von Gewalt und Vernachlässigung

Rebecca Wehrmann   06.09.2024 | 18:55 Uhr

Bundesweit und im Saarland sind viele Kinder in ihren Familien gefährdet. Sowohl die Zahl der Meldungen über Kindeswohlgefährdung hat zugenommen als auch die Zahl der bestätigten, akuten Fälle. Gründe dafür gibt es viele.

Die Anzahl der Fälle von Kindeswohlgefährdung hat bundesweit einen Höchststand erreicht. Die Jugendämter stellten vergangenes Jahr bei mindestens 63.700 Kindern fest, dass ihr Wohl durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt gefährdet ist.

Drastischer Anstieg auch im Saarland

Auch im Saarland hat es eine drastische Zunahme bei den Fällen gegeben. Während die Jugendämter im Jahr 2022 bei 187 Kindern eine akute Kindswohlgefährdung feststellten, waren es im vergangenen Jahr 298 Fälle. Und auch die latente Gefährdung ist angestiegen, von 274 Fällen auf 419.

Warum erleben immer mehr Kinder Gewalt und Vernachlässigung?

Laut Statistischem Bundesamt könnte, neben einem tatsächlichen Anstieg der Fälle, unter anderem eine höhere Sensibilität der Behörden und Öffentlichkeit rund um das Thema ursächlich für die Entwicklung sein. Ebenso könnte eine größere Bereitschaft zur Anzeige möglicher Fälle bei den entsprechenden Behörden eine Rolle spielen.

Das sieht auch der Regionalverband Saarbrücken ähnlich: Hier sieht man eine "immer bessere Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Institutionen wie Geburtskliniken, Polizei, Beratungsstellen und Tagespflegepersonen". Pressesprecher Lars Weber sagte dem SR, die Netzwerke im Bereich Kinderschutz hätten sich "in den letzten Jahren professionalisiert". Somit sei die Hemmschwelle, bei einem Verdacht auch eine Meldung zu tätigen, herabgesetzt worden.

Aufwärtstrend bei Anzeigen

Tatsächlich lässt sich seit der Aufzeichnung der Daten auch ein klarer Aufwärtstrend bei den Anzeigen erkennen. Wurden im Saarland 2012 noch 1436 Fälle gemeldet, die untersucht wurden, sind bei den Jugendämtern 2023 mehr als doppelt so viele Hinweise eingegangen (3298).

Nicht jeder Verdacht ist jedoch begründet: vergangenes Jahr stellten die Jugendämter nach Prüfung in 1600 Fällen keine Gefährdung und keinen Hilfebedarf fest.

Hinweisgeber oft Polizisten und Erzieher

Oft melden Polizei und Justiz sich bei den Jugendämtern mit Verdachtsfällen, sie machen bundesweit rund ein Drittel (31 Prozent) der Hinweisgeber aus. Aber auch die Bevölkerung wendet sich oft an die Behörden (22 Prozent). An dritter Stelle folgen Erzieher.

Am seltensten kommen die Hinweise von den Betroffenen selbst: von Kindern und Jugendlichen. Gerade hier war aber auch die Bestätigungsquote mit 60 Prozent am höchsten. Das ist doppelt so hoch wie der Durchschnitt bei den anderen Hinweisgebern.

Vernachlässigung häufigste Gefährdungsart

Vernachlässigung spielt die Hauptrolle, wenn es um Kindeswohlgefährdung geht – sie macht fast zwei Drittel aus (58 Prozent). An zweiter Stelle stehen psychische Misshandlungen der Kinder (36 Prozent), Hinweise auf körperlicher Gewalt gab es nach Angaben der Jugendämter bei 27 Prozent der Fälle.

Indizien dafür, dass Kinder Opfer von sexueller Gewalt wurden, meldeten die Ämter in sechs Prozent der Fälle. Jedes vierte Kind erlebt auch mehrere Arten von Gewalt und Vernachlässigung.

Familien in schwierigen Verhältnissen

Ein Grund für den Anstieg an Kinderwohlgefährdungen könnte auch in den immer schwierigen Lebensbedingungen für viele Familien liegen, meint Lars Weber vom Regionalverband.

"Immer mehr Familien leben am finanziellen Minimum und auf kleinem Wohnraum. Dies führt zu weiteren Belastungsfaktoren in den Familien, welche sich in möglichen Kindeswohlgefährdungen (z.B. durch eine Unterversorgung) spiegeln könnten." Dies treffe diese auch zugewanderte Familien, die besonder häufig in prekären Wohn- und Lebenssituationen seien.

Hinzu kommt: Wird eine Kindeswohlgefährdung in einer Familie mit vielen Kindern festgestellt, steigt die Fallzahl gleich deutlich. Denn die Meldung wird nicht pro Familie, sondern für jedes betroffene Kind einzeln gezählt.

Über dieses Thema berichtet auch der aktuelle bericht am 06.09.2024.


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