In einem Zelllabor wird mit Hilfe eines Elektronenmikroskops die Befruchtung einer Eizelle durchgeführt (Foto: picture alliance/dpa | Jens Kalaene)

Immer mehr Babys nach Kinderwunschbehandlung

Sandra Schick   08.12.2024 | 11:49 Uhr

Die Zahl der Babys, die mit Hilfe einer Kinderwunschbehandlung zur Welt kommen, steigt seit Jahren deutlich an. Im Saarland und Rheinland-Pfalz waren es innerhalb der letzten 25 Jahre über 18.500. Auch gibt es immer mehr Single-Frauen, die sich für eine solche Behandlung entscheiden.

Deutschlandweit wurden von 1997 bis 2022 insgesamt 412.230 Kinder geboren, bei denen sich die Mutter zuvor einer künstlichen Befruchtung unterzogen hat. Das geht aus Zahlen des Deutschen IVF-Registers hervor. Auch im Saarland griffen den Angaben zufolge in den vergangenen Jahren immer mehr Frauen auf die Möglichkeiten einer Kinderwunschbehandlung zurück.


Was sind IVF und ICSI?

Bei der In-vitro-Fertilisation (IVF), lateinisch für "Befruchtung im Glas", wird eine außerhalb des Körpers befruchtete Eizelle in die Gebärmutter übertragen.
Ein abgewandeltes Verfahren der IVF ist die intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Dabei werden aus den Hoden oder Nebenhoden gewonnene Samenzellen direkt in die weibliche Eizelle injiziert. In den hier aufgeführten Zahlen des IVF-Registers sind die geborenen Babys nach beiden Methoden zusammengezählt.


Wie viele Babys kommen nach Behandlung zur Welt?

Im Zeitraum von 1997 bis 2022 sind im Saarland und Rheinland-Pfalz zusammengerechnet 18.569 Kinder nach Kinderwunschbehandlungen geboren worden.

In den 90ern und frühen 2000er Jahren waren es im Schnitt in dieser Region zwischen 200 und 300 Babys jährlich. Inzwischen haben sich die Zahlen vervielfacht: Seit 2018 sind es jährlich zwischen 1100 und 1300 Babys. Allein im Jahr 2022 waren es 1339 Kinder, die in Rheinland-Pfalz und dem Saarland nach einer IVF- oder ICSI-Behandlung zur Welt kamen.

In beiden Bundesländern zusammen gibt es aktuell sieben Kinderwunschzentren, davon zwei im Saarland.


Warum keine Zahlen nur fürs Saarland?

Um keine Rückschlüsse auf die Zahl der Babys einzelner Kinderwunschzentren ziehen zu können, gibt das Deutsche IVF-Register nur summierte Zahlen für Rheinland-Pfalz und das Saarland heraus.


Immer mehr Single-Frauen mit Kinderwunsch

Deutschlandweit und im Saarland entscheiden sich aber längst nicht mehr nur heterosexuelle Ehepaare für eine solche Behandlung. Der Anteil von homosexuellen Paaren und Single-Frauen wächst seit Jahren.

Das berichtet auch Gynäkologe Dr. Sascha Tauchert. Er ist Experte für Reproduktionsmedizin und behandelt im Saarland viele Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch. Er sagt: "Das Einfrieren von Eizellen bei Single-Frauen und auch der Einsatz von Spenderspermien bei Single-Frauen nimmt auch in unserer Region zu. Gleiches gilt für die Vorstellung und Therapie von gleichgeschlechtlichen Paaren."

Früher seien Ärzte noch häufig zurückhaltend bei der Behandlung von Single-Frauen gewesen. Aber seit die Rechtslage 2018 entsprechend angepasst wurde, hätte sich viel getan und die allermeisten Kinderwunschzentren behandelten inzwischen auch Frauen ohne festen Partner oder Partnerin.

Ungleichbehandlung von Homosexuellen und Unverheirateten

Was sich allerdings weiterhin nicht geändert hat: Für homosexuelle Paare, Single-Frauen oder unverheiratete Paare sind Kinderwunschbehandlungen insgesamt teurer als für heterosexuelle Ehepaare.

Grund seien die verschiedenen Förderregelungen, erklärt Tauchert. Denn die gesetzlichen Krankenkassen zahlten nur bei heterosexuellen Ehepaaren einen Teil der Kosten für die Kinderwunschbehandlung – unverheiratete Paare gingen leer aus. Auch Homosexuelle und Singles bekämen kein Geld.

Förderprogramm der Länder bei Kinderwunsch

Neben der Förderung durch die Krankenkassen gibt es zudem spezielle Förderprogramme der Bundesländer. Im Saarland können auch homosexuelle Paare diesen Zuschuss beantragen.

Single-Frauen hingegen gehen bei allen Förderungen komplett leer aus. Sie müssen eine Kinderwunschbehandlung komplett aus eigener Tasche bezahlen.

Weniger Mehrlingsgeburten

Früher waren nach einer Kinderwunschbehandlung Mehrlingsgeburten noch sehr häufig. Inzwischen habe dieser Trend abgenommen, berichetet Markus Kimmel, Pressesprecher des Deutschen IVF-Registers. Von den 1339 im Saarland und Rheinland-Pfalz geborenen Kindern im Jahr 2022 waren 1007 Einlinge.

Seit Jahren gebe es die Tendenz, nur noch einen Embryo bei der IVF-Behandlung zu transferieren, um die Rate der Mehrlingsgeburten zu senken, sagt auch Gynäkologe Tauchert. Denn Mehrlingsgeburten gehen mit einem Frühgeburtsrisiko von über 85 Prozent einher. Auch gibt es häufiger Komplikationen bei Mehrlingsschwangerschaften.

Erfolgschancen stark altersabhängig

Wie hoch die Erfolgschancen einer Kinderwunsch-Behandlung sind, hängt stark vom Alter der Frau ab.

Nach Angaben des IVF-Registers haben Frauen in der Altersgruppe von 30 bis 34 Jahren pro Embryotransfer eine Schwangerschaftschance von 39,3 Prozent und eine Geburtenrate von 31,2 Prozent. Bei Frauen in der Altersgruppe von 41 bis 44 Jahren liegt die Schwangerschaftsrate pro Embryotransfer bei 17,0 Prozent und die Geburtenrate bei 8,4 Prozent.

Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 08.12.2024 berichtet.


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