Studierende immer häufiger psychisch erkrankt

Wenn Studierende psychisch krank werden

Kai Forst   12.10.2024 | 08:21 Uhr

Immer mehr Studierende im Saarland haben mit psychischen Problemen zu kämpfen. Das belegen aktuelle Zahlen der psychologischen Beratungsstelle auf dem Campus der Saar-Uni. Um der Nachfrage nach Unterstützung gerecht zu werden, bräuchte es mehr Personal.

Angstzustände, Depressionen, Überforderung: Immer mehr Studierende in Deutschland leiden unter psychischen Erkrankungen und Belastungen. Das belegte erst im Dezember eine groß angelegte Studie, die vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) und vom Deutschen Studierendenwerk (DSW) vorgestellt wurde.

Laut der Studie ist der Anteil von Studierenden mit psychischen Erkrankungen von 2016 bis 2021 um zwölf Prozentpunkte angewachsen, von 53 Prozent auf 65 Prozent. Das sind 20 Prozentpunkte mehr als noch im Jahr 2011.

"Psychische Belastung der Studierenden ist deutlich angestiegen"

Auch im Saarland haben Studentinnen und Studenten immer häufiger mit psychischen Belastungssymptomen zu kämpfen. Konkrete regionale Zahlen wie in der deutschlandweiten Studie gibt es für die saarländische Universität zwar nicht. Doch ein Blick auf die Zahlen der psychologisch-psychotherapeutischen Beratungsstelle des Studierendenwerks  an der Saar-Uni macht deutlich: der Bedarf nach einer Beratung oder Behandlung steigt seit Jahren.

2023 waren es 861 Studentinnen und Studenten an der Saar-Uni – so viele wie noch nie und 20 Prozent mehr als im Vorjahr, die eine Beratung in Anspruch genommen haben. Das teilte Beratungsstelle auf SR-Anfrage mit. Der Zehnjahresvergleich macht es noch deutlicher: 2023 haben sich mehr als doppelte so viele Studierende beraten lassen als noch 2013. „Die psychische Belastung der Studierenden ist deutlich angestiegen“, sagt Claudia Kemmer von der Beratungsstelle.

Krisen, Konflikte und Leistungsdruck

In der Pandemie waren die Zahlen hingegen rückläufig. 2020 waren es etwa nur 589 Studierende, die sich beraten ließen. Das sei allerdings nicht mit nachlassendem Beratungsbedarf zu erklären. „Wir gehen davon aus, dass die anfangs der Pandemie ausschließlich telefonische Beratung, die dann durch Videoberatungen ergänzt wurde, nicht die Bedürfnisse der Ratsuchenden in dieser Zeit der sozialen Isolation erfüllt hat.“ Als die Präsenz auf dem Campus nach der Lockerung der Pandemiebestimmungen wieder möglich gewesen sei, sei die Nachfrage sprunghaft angestiegen.

Die Gründe für den generellen Anstieg im Verlauf der letzten Jahre sind laut Kemmer komplex. Die aktuelle Lage mit Kriegen und Konflikten, die Nachwirkungen der Pandemie, die Klimakrise und der zunehmende Leistungsdruck im Studium seien große Faktoren, die Studierenden immer stärker belastete.

Frauen suchen häufiger Hilfe

Sehr klar wird mit Blick auf die Zahlen: Fast doppelt so viele Frauen suchen die Hilfe der Beratungsstelle. Das liegt laut Kemmer aber keineswegs daran, dass Frauen mehr mit psychischen Belastungen zu kämpfen haben als Männer. „Frauen fällt es leichter, über Probleme zu reden“.

Für Männer hingegen sei es noch häufig mit Scham behaftet in einer Beratungsstelle über seine Probleme zu sprechen. „Bis wir hier ein ausgeglichenes Verhältnis haben, dauert es vermutlich noch einige Generationen.“

Lange Wartezeiten wegen hoher Nachfrage

Aufgrund der anhaltend hohen Nachfrage liegt die Wartezeit bei der Beratungsstelle aktuell bei etwa sechs Wochen. Heißt im Umkehrschluss auch: Eine personelle Aufstockung wäre angebracht. Doch so einfach ist das nicht. „Obwohl in der Vergangenheit Stellen aufgestockt wurden, wäre aufgrund der anhaltend hohen Nachfrage eine weitere Stellenaufstockung wünschenswert“, so Kemmer von der Beratungsstelle, die beim Studierendenwerk angesiedelt ist.

Jedoch reiche die Finanzierung über die Sozialbeiträge der Studierenden für diesen Bereich nicht aus, um die entstehenden Kosten zu decken. „Aus diesem Grund ist eine Erhöhung des Stellenschlüssels aktuell nicht realisierbar. Wir arbeiten derzeit aber an Konzepten, die die Beratungssituation für die Studierenden in einem entsprechenden Rahmen halten sollen.“

Über dieses Thema hat auch die SR info Rundschau am 12.10.2024 berichtet.


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