Eine Frau hält sich eine Wärmflasche an den Unterbauch, während sie im Bett liegt. (Foto: picture alliance/dpa | Annette Riedl)

Endometriose betrifft Millionen Frauen – und ist trotzdem kaum erforscht

Martina Kind   26.03.2023 | 08:31 Uhr

Endometriose ist eine chronische, sehr schmerzhafte Erkrankung, die viele Frauen betrifft. Was sie auslöst, ist noch unklar. Das zu wissen, wäre allerdings extrem wichtig, um Betroffene gezielter behandeln zu können. Dafür braucht es aber intensive Forschungsarbeit – bisher ist die ausgeblieben. Doch warum ist das so?

Eva aus dem Mandelbachtal hat Endometriose – Aufklärung und Verständnis sind laut ihr überfällig, dafür setzt sie sich auch politisch ein. Denn Endometriose ist eine der häufigsten gynäkologischen Erkrankungen. Und doch wird sie von der Forschung eher stiefmütterlich behandelt, mit erheblichen Konsequenzen für die Betroffenen. Für sie geht die Erkrankung, die starke Schmerzen verursacht, mit einem langen Leidensweg einher, berichtet Matthias Laschke, Endometrioseforscher am Universitätsklinikum des Saarlandes.

"Das liegt zum einen daran, dass Jahre vergehen können, bis die Patientinnen überhaupt eine Diagnose erhalten, die eine sinnvolle Behandlung erst möglich macht." Ein Grund dafür sei, dass die Erkrankung in den vergangenen Jahren selbst im Bewusstsein der Fachärztinnen und -ärzte nicht wirklich ausgesprägt gewesen sei, so Laschke. "Eine wichtige Rolle dürfte aber auch spielen, dass die Symptomatik häufig diffus ist." Neben starken Menstruationsschmerzen könnten unter anderem chronische Bauchschmerzen auftreten, Übelkeit und Erbrechen sowie Erschöpfung.

Großer Bedarf an besseren Diagnose- und Therapiemöglichkeiten

Zuverlässig lässt sich Endometriose bislang nur durch eine minimalinvasive Operation ("Schlüssellochchirurgie") diagnostizieren, bei der eine Gewebeprobe entnommen und anschließend im Labor untersucht wird. Danach gebe es zwei Möglichkeiten, die Erkrankung zu therapieren – medikamentös im Rahmen einer Langzeithormontherapie, verbunden mit einer Schmerztherapie, oder operativ. Beide versprechen allerdings keine vollständige Heilung. Zudem bergen sie weitere Risiken und Nebenwirkungen.

Dass es noch keine besseren diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten gibt, hängt auch damit zusammen, dass über die Ursache der Erkrankung keine Gewissheit herrscht. "Es stehen mehrere Theorien im Raum, für keine davon gibt es bisher einen abschließenden Beweis. Der Forschungsbedarf ist entsprechend groß", sagt Laschke.

Zwar habe sich die Versorgungslage durch die deutschlandweite Einrichtung klinischer Endometriosezentren inzwischen immerhin etwas verbessert. "Das Bewusstsein für die Erkrankung muss aber auch bei den niedergelassenen Gynäkologinnen und Gynäkologen im Umfeld dieser Zentren gestärkt werden. Und nicht nur da. Die gesamte Bevölkerung muss sensibilisiert werden."

Vernachlässigt, weil die Krankheit nur Frauen betrifft?

Woran liegt es, dass die Erkrankung, obwohl sie nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) zwischen zehn bis 15 Prozent der Frauen in Deutschland betrifft, in der Forschung so lange kaum Beachtung fand? Es gibt Stimmen, die sagen, Endometriose wäre besser erforscht, wenn hauptsächlich Männer daran leiden würden. "Das ist tatsächlich eine Frage, die im Raum steht und auch ihre Berechtigung hat", sagt die Zell- und Entwicklungsbiologin Sandra Iden, die an der Universität des Saarlandes unter anderem zum Thema geschlechtssensible Erkrankungen forscht.

In ihrer Forschung geht es eigentlich darum, die biologischen Mechanismen hinter Erkrankungen zu erfassen, bei denen es Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt ("Gendermedizin") – und zwar fächer- und organübergreifend. "Ein bekanntes Beispiel etwa ist der Herzinfarkt, dessen Anzeichen sich abhängig vom biologischen Geschlecht sehr stark unterscheiden", erklärt Iden. Dennoch wurden klinische Studien bis vor Kurzem hauptsächlich mit Männern durchgeführt und das daraus gewonnene Wissen schlicht auf Frauen transferiert.

"Lange Zeit orientierte sich die Medizin am Mann, sowohl in der Behandlung von Krankheiten als auch in ihrer Erforschung." Das will Iden gemeinsam mit ihrem Kollegen Frank Kirchhoff sowie weiteren saarländischen Forscherinnen und Forschern künftig in einem geplanten Zentrum zur Biologie geschlechtssensibler Erkrankungen an der medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes in Homburg ändern.

Unterschiede in der Gesundheit von Frauen und Männern

Auch das Bundesgesundheitsministerium rief zum diesjährigen Weltfrauentag zu mehr Aufmerksamkeit für die Gesundheitsversorgung von Frauen auf. "Der große Einfluss von Geschlecht auf die Gesundheit ist mittlerweile gut belegt", konstatierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Biologische und vor allem soziale Faktoren führten demnach zu zahlreichen Unterschieden in der Gesundheit von Frauen und Männern. Nichtsdestotrotz gebe es auch in der Medizin noch verbreitete Vorurteile über vermeintlich typisch weibliche und männliche Erkrankungen. 

Laschke vom Universitätsklinikum des Saarlandes vermutet speziell beim Thema Endometriose noch einen anderen Grund dafür, dass Forschungsarbeit rund um die Erkrankung bisher nur rudimentär betrieben wurde: "Da die Endometriose keine lebensbedrohliche Krankheit ist, wie zum Beispiel Brustkrebs, wurde hier in der Vergangenheit von Seiten der Pharmaindustrie und der öffentlichen Forschungsförderung nur wenig investiert."

In Anbetracht der vielen betroffenen Frauen wäre es wünschenswert, wenn sich das in Zukunft ändern würde, so Laschke. Im vergangenen Herbst wurde der erste Schritt dafür getan: Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat Forschungsmittel in Höhe von fünf Millionen Euro beschlossen – "das ist ein großer Erfolg und ein wichtiger Schritt zu mehr Gleichberechtigung im Gesundheitswesen", sagte damals der Grünen-Haushaltspolitiker Bruno Hönel der Nachrichtenagentur AFP.


Was ist Endometriose?

Endometriose ist eine chronische Krankheit, bei der sich gebärmutterschleimhautartiges Gewebe außerhalb der Gebärmutter ansiedelt, also irgendwo im Bauchbereich – etwa an den Eierstöcken oder am Darm. Dadurch treten Zysten und Entzündungen ("Endometrioseherde") auf, die starke Schmerzen verursachen.

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