Ermittlungen wegen "Umsatzsteuerkarussell" im Saarland

Ermittlungen wegen "Umsatzsteuerkarussell" im Saarland

Thomas Gerber   18.11.2024 | 06:01 Uhr

Staatsanwaltschaft und Ermittler sind im Saarland einer Bande von Steuerhinterziehern aus der Lebensmittelbranche auf die Spur gekommen. Der mutmaßliche Schaden für den Fiskus soll sich nach SR-Informationen auf mindestens eine Viertel Million Euro belaufen.

Im Visier der Steuerfahndung sind drei Geschäftsmänner. Einer von ihnen, ein 28 Jahre alter Völklinger, wurde Mitte Oktober festgenommen. Nach Verkündung des Haftbefehls soll er sich inzwischen wieder auf freiem Fuß befinden, da keine Fluchtgefahr bestünde.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten vor, Umsatzsteuer in großem Stil hinterzogen zu haben. Bei einer Sonderprüfung war aufgefallen, dass der 28-Jährige mit seiner Firma angeblich Millionengeschäfte in Frankreich macht. Er soll 2023/24 Verpackungsmaterial und Getränke im Wert von rund 1,4 Millionen Euro an drei Großhändler geliefert haben.

Bei solchen Exporten muss die Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent nicht in Deutschland, sondern von den Empfängerfirmen im jeweiligen EU-Ausland bezahlt werden. Ermittlungen der französischen Behörden ergaben, dass es sich bei den angeblichen Empfängern der Ware um "Missing Trader" handelt – letztlich um Scheinunternehmen in einem sogenannten "Umsatzsteuerkarussell".

Schaden: mindestens eine Viertel Million Euro

Eine der drei Lieferadressen ist in Paris und gehört zu einem Schuhhandel. Die beiden anderen mutmaßlichen Geschäftspartner befinden sich in Forbach und Saargemünd. Die Getränke- und Lebensmittelhändler gaben jeweils an, keinerlei Ware von dem Völklinger und den beiden Mitbeschuldigten erhalten zu haben.

Die Staatsanwaltschaft geht offenbar davon aus, dass die Verpackungen und Getränke in Wahrheit schwarz an Imbissbuden, Dönerläden und Pizzalieferservice im Saarland geliefert wurden. Den durch die hinterzogene Umsatzsteuer entstandenen Schaden beziffern die Ermittler auf exakt 265.468,48 Euro.

Nach SR-Informationen dürfte es sich bei dem jetzt aufgeflogenen Umsatzsteuerkarussell lediglich um die Spitze eines Eisbergs handeln. Die Ermittler vermuten, dass zahlreiche weitere Firmen in den Steuerbetrug verwickelt sind.

28-Jähriger offenbar nur ausführendes Organ

Der 28-jährige Völklinger war vermutlich lediglich ausführendes Organ. Das eigentliche "Oberhaupt" der Bande sei ein Geschäftsmann, dem der 28-Jährige offenbar "auf Zuruf" Bargeld zukommen ließ und der unter anderem Beziehungen zu einem Fleischereibetrieb in Merzig-Brotdorf haben soll. Dort hatte es Mitte Oktober eine Razzia gegeben, bei der auch Spezialkräfte der Polizei im Einsatz waren.

Die Ermittler gehen davon aus, dass auch hier das gleiche Geschäftsmodell genutzt wurde. Es sollen Scheinfirmen ("Missing Trader") zum Einsatz gekommen sein, um "innergemeinschaftliche Lieferungen ins EU-Ausland zu fingieren und so im Inland Umsatzsteuer zu hinterziehen." In welchem Umfang ist derzeit allerdings noch unklar.

Vor drei Jahren war ein ähnlicher Fall in Neunkirchen aufgeflogen. Drei Brüder hatten angeblich tonnenweise Dönerspieße ins EU-Ausland geliefert, das Fleisch aber schwarz an Kebabläden im Saarland verkauft. Die drei hatten den Steuerschaden von rund 500.000 Euro beglichen und kamen letztlich mit Bewährungsstrafen davon.

Staatsanwaltschaft äußert sich nicht

Auf SR-Anfrage hieß es von der Staatsanwaltschaft lediglich, dass aus "Rechtsgründen" keine Angaben gemacht werden können. Was mit diesen "Rechtsgründen" gemeint ist, wollte die Behörde ebenfalls nicht mitteilen.

Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken fährt bei Steuerstrafverfahren traditionell einen sehr restriktiven Kurs und verweigert wegen des Steuergeheimnisses in der Regel jedwede Auskunft.

Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 18.11.2024 berichtet.


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