Geburtshilfe in St. Wendel vor dem Aus: Gesundheitsminister Jung "stinksauer"

Geburtshilfe in St. Wendel vor dem Aus: Gesundheitsminister Jung "stinksauer"

  11.09.2024 | 16:12 Uhr

Im Nordsaarland gibt es wohl künftig keine Anlaufstelle mehr für Geburten. Die Geburtshilfe am Marienhaus-Klinikum soll ab Oktober nach Neunkirchen verlegt werden. Der saarländische Gesundheitsminister und der St. Wendeler Landrat kritisierten die Entscheidung scharf.

Erst Ende des vergangenen Jahres hatte die Geburtshilfe in der Merziger SHG-Klinik ihre Türen geschlossen, nun steht eine weitere Geburtsklinik im Nordsaarland vor dem Aus.

Die Geburtshilfe am Marienkrankenhaus St. Wendel soll nach Neunkirchen verlegt werden. Erst im Januar hatte am Marienhaus-Klinikum in St. Wendel der erste Hebammenkreißsaal eröffnet.

Begründung: Zu wenige Geburten und Personalmangel

Die Marienhaus-Gruppe begründete die Entscheidung mit einer zu geringen Anzahl an Geburten und Fachkräftemangel. In St. Wendel soll allerdings weiterhin die Vor- und Nachsorge für die Schwangeren angeboten werden.

Um der Zahl an Geburten gerecht zu werden, sollen am Standort Neunkirchen zwei neue Kreißsäle gebaut werden.

Gesundheitsminister kritisiert Entscheidung

Er habe erst vor wenigen Tagen von den Plänen erfahren, die Geburtsklinik bereits zum 1. Oktober zu verlegen, sagte Gesundheitsminister Magnus Jung (SPD). Dieser Vorschlag werde von ihm nicht akzeptiert.

"Die dort herrschenden Personalprobleme und der Rückgang der Geburtenzahlen sind ausschließlich hausgemachte Probleme der letzten Jahre. Die Vorhaltung einer Geburtsklinik in St. Wendel halte ich weiterhin für sinnvoll, notwendig und machbar - unter der Voraussetzung, dass der Träger dies auch will."

Jung teilte mit, er habe die Vertreter der Marienhausklinik zum Gespräch gebeten und aufgefordert "von einer kurzfristigen und überhasteten Schließungsentscheidung abzusehen." Er sei stinksauer über den Versuch des Trägers, einseitig Fakten zu schaffen, obwohl vor dem Sommer noch zugesagt worden sei, über alternative Lösungsmöglichkeiten nachzudenken.

In den vergangenen zwei Jahren seien Fördergelder nach St. Wendel geflossen, um die Geburtshilfe zu erhalten. Rund 800.000 Euro im vergangenen Jahr sowie weitere 750.000 Euro in diesem Jahr.

Sorge um Hebammenkreißsaal

Die Entscheidung des Marienkrankenhauses treffe die Region hart, so die stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Réka Klein (SPD). "Für gebärende Frauen, beispielsweise aus Nohfelden und den umliegenden Gemeinden, bedeutet dies einen Fahrtweg von bis zu 40 Minuten."

Besonders bedenklich sei dabei die potenzielle Schließung des einzigen Hebammenkreißsaals im Saarland, der für viele Frauen ein einzigartiges, natürliches Geburtserlebnis biete. Die angeführten Gründe wie Personalengpässe und sinkende Geburtenzahlen seien in der Klinik selbst entstanden.

Landrat Recktenwald fordert landesweites Konzept

Kritik kommt auch vom St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU). Die Geburtskliniken würden sich damit vor allem im südlichen Landesteil konzentrieren. "Ab Oktober wird im nördlichen Saarland nicht mehr geboren. Das darf nicht die Lösung der Zukunft sein", sagte Recktenwald.

Er schlägt stattdessen vor, die Geburtsklinik vom Kohlhof nach St. Wendel zu verlegen. Er erwarte statt kurzfristiger und räumlich begrenzter Lösungen ein landesweites und für alle Regionen gerechtes Konzept. Der ländliche Raum dürfe nicht abgehängt werden.

Im Saarland wird es nach den derzeitigen Planungen nur noch sechs Geburtskliniken geben. Jeweils eine in Homburg und Neunkirchen-Kohlhof sowie zwei in Saarbrücken und Saarlouis.

Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 11.09.2024 berichtet.


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