Ein Laptop steht vor idyllischem Ausblick, im Hintergrund telefoniert eine Frau (Foto: IMAGO / SuperStock)

Ständige Erreichbarkeit macht krank – Tipps für Erholung im Urlaub trotz Smartphone

Jennifer Heck   14.07.2024 | 09:13 Uhr

Mails checken am Strand, das Handy klingelt beim Ausflug, auf dem Display erscheint die Nummer der oder des Vorgesetzten – rund zwei Drittel der Berufstätigen sind laut einer Umfrage auch im Urlaub für Berufliches erreichbar. Die Erholung wird dadurch allerdings erschwert. Und auch aus arbeitsrechtlicher Sicht ist das problematisch.

Mit dem Smartphone in der Tasche sind Berufstätige auch im Urlaub ständig erreichbar für ihren Vorgesetzten, die Kollegen oder Kunden. Eine schnelle Info einholen per Anruf oder Push-Nachrichten über berufliche E-Mails, die auf dem Display aufploppen, lassen die Gedanken aus dem Urlaub jedoch schnell in den Alltag zurückkehren.

Ergebnissen einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom zufolge geben zwei Drittel (66 Prozent) der Berufstätigen an, in ihrem Sommerurlaub auch beruflich erreichbar zu sein. An der Umfrage haben knapp 1000 berufstätige Menschen in Deutschland ab 16 Jahren teilgenommen. Ältere Erwerbstätige zwischen 50 und 64 Jahren zeigten sich demnach eher beruflich erreichbar (73 Prozent) im Sommerurlaub als 16- bis 29-Jährige (51 Prozent).

VIele Glauben, Chefs erwarten Erreichbarkeit

Laut der Bitkom-Umfrage ist ein Grund für die Erreichbarkeit im Urlaub oftmals die vermutete oder tatsächliche Erwartung anderer. Demnach

  • erklärten 59 Prozent, erreichbar zu sein, weil Vorgesetzte dies erwarteten.
  • gaben 51 Prozent an, ihre Kolleginnen und Kollegen erwarteten dies von ihnen.
  • sahen 46 Prozent diesen Anspruch bei Kundinnen und Kunden.
  • gehen 25 Prozent davon aus, dass Geschäftspartner Erreichbarkeit voraussetzen.

Man muss nicht erreichbar sein

Meistens ist es der Studie zufolge ein Anruf oder eine Kurznachricht, die den Urlaub unterbrechen: Jeweils rund zwei Drittel (65 Prozent) der Berufstätigen sind telefonisch bzw. per Kurznachrichten wie SMS oder WhatsApp erreichbar. 29 Prozent lesen oder beantworten dienstliche Mails. Knapp ein Viertel (23 Prozent) ist per Videocall etwa über Facetime oder Zoom erreichbar, elf Prozent über Messenger-Programme wie Microsoft Teams oder Slack.

Doch inwieweit darf der Arbeitgeber Erreichbarkeit auch im Urlaub wirklich erwarten? Laut Paragraph 1 im Bundesurlaubsgesetz hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. "Eine Erholung ist jedoch nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer in seinem Urlaub für den Arbeitgeber ständig erreichbar sein muss", erläutert Stephan Hettmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Püttlingen. "Hieraus folgt, dass es also keine Pflicht gibt, für den Arbeitgeber im Urlaub erreichbar zu sein."

Ständige Erreichbarkeit möglichst vermeiden

Dieser Grundsatz gelte auch für Führungskräfte und eine Ausnahme besteht laut Hettmann nur in "absoluten Notfällen". Auch sei eine anderslautende Regelung im Arbeitsvertrag unwirksam. "Der Grundsatz, dass Mitarbeiter im Urlaub nicht erreichbar sein müssen, gilt allerdings nur für den gesetzlichen Mindesturlaub", sagt Hettmann. "Für den Fall, dass der Arbeitgeber zusätzlichen Urlaub gewährt, kann er in dieser Zeit eine Erreichbarkeit verlangen und dies auch im Arbeitsvertrag festlegen." 

Hettmann empfiehlt, im wahrsten Sinne des Wortes abzuschalten: "Um einen tatsächlich erholsamen Urlaub zu gewährleisten und eine ständige Erreichbarkeit zu vermeiden, kann der Arbeitnehmer ein eventuelles Diensthandy und Dienstlaptop zu Hause lassen."

Mitarbeitende zunehmend erschöpft

Auch Ivon Ames, Vorständin der Sektion Wirtschaftspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), rät dringend dazu, den Job im Urlaub hinter sich zu lassen. "Die ständige Erreichbarkeit führt dazu, dass wir keine klare Grenze zwischen Arbeit und Freizeit haben." Das komme einer Mehrarbeit gleich.

"Wir sehen in der Forschung, dass Mitarbeitende zunehmend erschöpft sind, wenn die ständige Erreichbarkeit ein chronischer Zustand ist", so Ames. Dabei sei es egal, ob Mitarbeitende ihre Pausen ausfallen lassen und Mails auch am Wochenende und im Urlaub checken, weil sie es freiwillig so wollen oder ob sie es unfreiwillig machen. Die Effekte auf die Gesundheit seien laut Studien die gleichen.

Schlechte Rahmenbedingungen als Ursache

Die daraus resultierende Erschöpfung sei der Kern von Burnout. Doch auch das Risiko für andere körperliche Symptome, wie etwa psychosomatische Beschwerden, steige stark an. "Es ist höchstwahrscheinlich, dass Menschen, die das auf Dauer erleben, krank werden", so Ames.

Die ständige Erreichbarkeit liege häufig an den Rahmenbedingungen im Job. Nicht selten hinterlasse der eigene Urlaub durch die zunehmende Arbeitsverdichtung und -intensität sowie den Fachkräftemangel eine Lücke im Unternehmen. "Wenn keiner den Job macht und der Schreibtisch sich füllt, während ich weg bin, dann ist das ein Zeichen dafür, dass die Arbeitsbedingungen nicht gut gestaltet sind", so Ames.

Klare Absprachen und Vertretungsregelungen

Für die eigene Gesundheit rät sie, auf einen Arbeitsplatz zu achten, der einem die Erholung ermöglicht und wo man nicht unersetzbar ist. "Echte Erholungszeiten sind wichtig, um die Batterien zu laden", so Ames. "Wenn man es schafft, dass man störungsfreien Urlaub hat, wenn man nicht in die E-Mails schaut oder an sein Handy geht – wie früher auf dem Campingplatz, das ist erholsam."

Weiter rät Ames dazu, vorab so gut es geht im Unternehmen zu kommunizieren, dass man im Urlaub nicht mit Beruflichem konfrontiert werden will. Dazu zähle auch, klar mitzuteilen, welche Absprachen getroffen wurden, zum Beispiel welche Aufgaben erledigt und welche noch zu bearbeiten sind, damit nichts anbrennen kann. "Grundsätzlich muss man sich die Frage stellen, operiere ich in meiner Tätigkeit gerade am offenen Herzen. Und wenn nicht, dann muss man nicht erreichbar sein", so Ames.

Auch könne es helfen, klare Vertretungsregelungen zu schaffen. "Es muss im Team gelebte Kultur sein, dass man von den Mitarbeitenden nicht erwartet, erreichbar zu sein", so Ames. "Es liegt in der Eigenverantwortung, das auch anzusprechen."


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