Friedrich Hatzenbühler (Foto: SR)

Halleluja, Herr Bischof – und andere Anekdoten vom SR

 

Warum eigentlich gibt es so viele SR-Anekdoten? Entstanden sie zum Ausgleich der Anspannung bei stressigen Radio- und Fernsehproduktionen? Sind sie ein Überschussprodukt von Kreativen? Das Ergebnis des Zusammenwirkens von Verwaltungsleuten, Technikern, Journalisten und (Lebens-)Künstlern in einem Funkhaus? Waren sie Therapie zur Frust-Bewältigung? Oder kommt darin der jugendliche Übermut dynamischer Aufbaujahre zum Ausdruck?

Wann immer sich jedenfalls ehemalige SRler treffen und erzählen, scheinen sie aus einem schier unbegrenzten Vorrat von „SR-Familiengeschichten“ zu schöpfen. Friedrich Hatzenbühler hat einige davon aufgeschrieben, gesammelt in knapp vier Jahrzehnten beim SR. Nicht wenige der Anekdoten gehen auch auf den schalk-geneigten ehemaligen SR 3-Moderator und Redakteur selbst zurück. (ab)

Von Friedrich Hatzenbühler

Wilhelm Diederich war Chefredakteur (ab 1952, gest. 1967) bei Radio Saarbrücken und anschließend beim SR. 1955 fährt er zusammen mit Techniker M.H. und dem Fahrer F.M. nach Trier zu Bischof Matthias Wehr, um dessen Stellungnahme zum Ausgang der Saarabstimmung 1955 aufzeichnen zu lassen. Man wollte dem Bischof nicht zumuten, sich dazu ins Funkhaus Wartburg nach Saarbrücken zu bemühen. Fahrer F.M. darf mit zum Bischof. Nachdem dessen Worte auf Tonband festgehalten sind, geben Eminenz einen Schnaps aus. Aber wie einem Bischof zuprosten? F.M. rettet sich aus seiner Not mit einem „Halleluja, Herr Bischof“. Wehr – begeistert über diesen für geistliche Herren zwar ungeübten aber doch irgendwie sinnigen Toast – antwortet ebenso.

Bischof Matthias Wehr. (Foto: SR)
Bischof Matthias Wehr.

Beim SR-Antrittsbesuch von Bischof Hermann Josef Spital 1981 bietet SR-Intendant Prof. Hubert Rhode einen guten Tropfen an. Anwesend ist auch der damalige Personalratsvorsitzende und Ex-Ministrant Friedrich Hatzenbühler (F. H.). Er prostet (wie zuvor mit dem Intendanten abgesprochen) dem Bischof mit einem „Halleluja, Herr Bischof“ zu. Spital darauf prompt: „Das ist ein inzwischen historisches Zitat“. Und erzählt dann in munterer Runde Unterhaltsames aus dem Bischofsleben seiner Vorgänger Bernhard Stein und Matthias Wehr.

Nachrichtensprecher Günther Stutz im Fernseh-Studio. (Foto: Reiner Oettinger/SR)
Nachrichtensprecher Günther Stutz im Fernseh-Studio.

Miteinander – Aufeinander!

Die SR-Fernseh-Sendung „Im Dreieck“ (eingestellt 1969) wurde mittags zwischen 12.30 und 14.00 Uhr ausgestrahlt. Sie war für Schichtarbeiter gedacht. Es muss etwa 1965 gewesen sein, während der Live-Nachrichten.

Günter Stutz las die Nachrichten, seriös wie immer.

Das heißt, das wollte er. Denn beim Kamera-Rotlicht, also erst „auf Sendung“, merkte er plötzlich auf seinem Kontroll-Monitor, dass er noch einen Meinungsbutton am Revers trug. Schlimmer noch: Er befürchtete, dass man als Fernsehzuschauer zuhause die Aufschrift „Miteinander-Aufeinander“ eventuell lesen kann. Und obwohl für einen Spaß immer zu haben, dieser wäre ihm zu weit gegangen. Also hält er sich mit der Linken das Revers mit Button zu. Allein mit seiner rechten Hand kann er allerdings die Nachrichten nicht weiterblättern, weil nette Kollegen die oberen rechten Blattspitzen aneinandergeklebt hatten. Also fixiert er mit dem linken Ellenbogen das Papier auf dem Sprechertisch und versucht gleichzeitig, mit der rechten Hand die zusammengeklebten Nachrichtenblätter auseinander zu bekommen. Was nicht recht gelingen will. Die Kollegen empfanden es als groteske Slapstick-Komik live – die Reaktion von Günther Stutz ist nicht überliefert. Aber gut vorstellbar.

Weckte das Saarland: Ferdi Welter. (Foto: SR)
Weckte das Saarland: Ferdi Welter.

Ferdi Welters Glöckchen

Ferdi (schon ab 1935 beim Reichssender Saarbrücken, gest. 1974)  hatte traditionell Frühmoderation auf der Europawelle. Er trank dabei seinen Kaffee, las seine Saarbrücker Zeitung, zitierte zuweilen daraus, erfand auch manchen Artikel (den man später in der SZ vergeblich suchte). Hin und wieder nahm der außerordentlich populäre und beliebte „Wecker des Saarlands“ sein kleines Glöckchen, klingelte zart und machte eine Zeitansage.

H. G. B. war zuständig für den „Aktuellen Dienst“ an diesem Morgen. Brandheißes gab es aber nicht zu vermelden. Vielleicht kam er deshalb auf die Idee, den nicht mehr so ganz jungen Ferdi mit einem kleinen Spaß zu erfreuen. Tontechniker K.W., verwickelte Ferdi über die Kommandoanlage in ablenkende Gespräche. H.G.B. gelang es dadurch, sich ins Sprecherstudio von Ferdi zu schleichen und unter dem Sprechertisch zu verschwinden. Von dort aus war es nur ein sachter Griff zum Glöckchen, Watte ins Glöckchen und das Glöckchen wieder an seinen Platz gestellt.

Danach der Tontechniker: „Ei Ferdi, mach emol e Zeitansaach, hasch schun lang käänie mer gemacht.“

Rotlicht-Mikro. Ferdi ergreift das Glöckchen, will klingeln, bekommt aber nur ein leichtes Scheppern zustande, versteht schnell und moderiert in seiner Manier die Zeitansage: „Meine Lieben, es ist fünf vor sibben (sibben!)  –  ei was issen jetzert bassiert: Mei Glöckche klingelt gar nimmie! …Nää, das gebts doch net!  Ei, do hammer die Saubuuwe doch Watt ins Glöckche geschdoppd. Wann isch die verwitsche, do kenne die awwer was erlääwe, ihr kennt eich druff verlosse!“

Klaus Greinke (Foto: Gerhard Heisler)
Klaus Greinke.

Falscher Knopf

Er war Nachrichtensprecher, Moderator, Schauspieler und Spaßvogel in jeder Lebenslage: Klaus Greinke. Meisterlich verstand er es auch, seine Kolleginnen und Kollegen zu unterhalten, sie zu nerven und bei dem einen oder anderen den Klabautermann zu spielen. Bei all diesen witzigen Aktionen ist er sich einmal selbst in die Falle getappt.

Man stelle sich vor: Früher hatte der Nachrichtensprecher an seinem Sprechertisch drei Tasten. Mit der „Räuspertaste“ konnte er kurz das Mikrofon abschalten. Über eine „Kommandotaste“ hatte er Verbindung zur Technik. Mit der dritten Taste löste er den Gong zu Beginn der Nachrichten aus. Einmal versehentlich gedrückt, ertönte der allerdings nicht nur dann, sondern immer unerbittlich zur nächsten vollen Minute.

Greinke konnte als politisch/kabarettistisch interessierter Mensch sein Talent manchmal auch beim Nachrichtenlesen nicht bremsen. Dann machte er zwischen den einzelnen Meldungen eine kurze Pause, drückte gleichzeitig die Räuspertaste und die Kommandotaste und ergänzte nur für die  Kollegen von Regie und Technik die jeweilige Meldung mit einem trockenen Kurzkommentar. Der Hörer merkte von alldem nichts. Nur an jenem Tag war es anders. Da gingen die kleinen Greinke-Gags über den Sender. Und zusätzlich ertönte wiederholt zur vollen Minute der Gong. Was war passiert? Klaus Greinke hatte die Räuspertaste mit der Gongtaste verwechselt. Nach dem dritten Gong innerhalb der Nachrichten bemerkte er sein Versehen dann doch und gab fortan ganz den seriösen Nachrichtensprecher. Jedenfalls erst einmal. 

Otto Klinkhammer (Foto: Reiner Oettinger)
.Otto Klinkhammer.

Der Klinkhammel

Otto Klinkhammer, Programmdirektor Hörfunk bis 1993, schenkte H. G. B. vom Aktuellen Dienst zum Geburtstag einen lebenden Laubfrosch - wohl wissend, dass der Kollege nun gar nichts mit einem solchen Tier anfangen konnte. H. G. B.: „An Ottos Geburtstag kriegt der eine Kuh!“

Es wurde keine Kuh, sondern nur ein Schaf. Abholung samstags in Zweibrücken, am Tag der Geburtstagseinladung beim Chef in Lockweiler. Der 2CV von H.-D. Z. war mit Plastikplane und demontiertem Rücksitz vorbereitet. Trotzdem wurde es eine abenteuerliche Fahrt, nach der einige Reinigungsarbeiten zu erledigen waren. Schafe reisen offenbar nicht gern in schaukelnden Autos. Auf dem Halberg angekommen, wurde das Tier zur Fotosession hinter Klinkhammers Chef-Schreibtisch verbracht und ein Polaroid-Foto mit Tischnamen „Klinkhammel“ geschossen.

Auf der Weiterfahrt nach Lockweiler wären beinahe zwei junge Damen Opfer des Schafes geworden. Als der 2CV sie in ihrem Wagen überholte, hingen ihre Augen wohl etwas zu lange an dem blökenden Tier hinter dem Sitz. Die Leitplanken kamen bedenklich nahe.

In Lockweiler war der freigelassene Klinkhammel der absolute Star. Besonders wohl fühlte er sich in den frisch angelegten Rosenbeeten der Frau des Hauses. Dadurch wohl gelang dem Schaf die Rache an der Mannschaft des Aktuellen Dienstes. Niemals mehr wurden alle zusammen bei Klinkhammers eingeladen.

(Otto Klinkhammer im Dezember 2012 dazu: „Ich hatte dann ja ständig einen Hammel als Stellvertreter bei mir, brauchte also keinen von der Redaktion mehr einzuladen“. Den „Klinkhammel“ musste er allerdings nach einer Weile wegen nachbarschaftsfeindlichen Blökens in eine Hammelherde geben.)

ÄÄnfach vergeß

Samstagsnacht hatte der SR planmäßig ARD-Nachtversorgung, sorgte also für Musik, Nachrichten sowie Verkehrs- und Wettermeldungen bei vielen ARD-Radioprogrammen. Während der Zeit des Terrors der sogenannten „Rote Armee Fraktion“ (RAF) geschah dies unter Polizei-Nacht-Bewachung.

An solchen Terminen war es Brauch, dass Nachrichtensprecher Walter Fürsattel für das leibliche Wohl des Teams sorgte. Er brachte dafür als Kochclub-Mitglied die Voraussetzungen und die nötige Liebe mit. Die beiden Bewacher vom Polizeidauerdienst legten bald ihre Dienstpistolen irgendwo hin und hängten ihre Heckler&Koch- Maschinenpistolen ordnungsgemäß an die Garderobe. Essen und Trinken halten nicht nur Leib und Seele, sondern offenbar auch Polizisten gut zusammen. Morgens – kein RAF-Angriff hatte in der Nacht den Bestand des SR beeinträchtigt – wurden die beiden Herren, die Gott sei Dank in kein Röhrchen blasen mussten, von Kollegen abgeholt und verschwanden. Zurück blieben lediglich am Kleiderhaken im Studio zwei schussbereite MPs. Mit äußerst diskreten Telefonaten wurde die Situation im Sinne gut nachbarlicher Beziehungen zwischen Kripo und SR bereinigt.

Großer Hörfunk-Übertragungswagen des SR. (Foto: SR)
Großer Hörfunk-Übertragungswagen des SR.

Wagenschlepp

Garagenmeister K.-H. M. bekam einen Anruf vom Zeitfunk: Wir brauchen einen Übertragungs-Wagen in die Innenstadt von Saarbrücken.

M.: „Isch han kään Ü-Waache, der ledschde kann net in Insatz, de Modor is ausgebaut.“

Aber im Improvisieren war man beim SR immer gut. Der Ü-Wagen musste einfach irgendwie in die Stadt, wenn nicht mit Motor, dann halt ohne – im Wagen-Schlepp. Nach der erfolgreichen Live-Sendung  musste der Ü-Wagen wieder abgeholt werden. M. fuhr mit einem Unimog in die Stadt, koppelte den Ü-Wagen mit Abschlepp-Stange an und zog langsam und gesittet den Ü-Wagen zurück zum Sender. Der wurde von einem zweiten Fahrer gelenkt. Eine rote Polizeikelle brachte Garagenmeister M. zum Anhalten.

- „Ei, was mache Sie dann mit der Schleppstang hinnedran?“

- „Herr Wachtmeischder, siehste net, ich schleppe ab!“

- „Wenne oder was schleppe Sie dann ab?“

- „Ei ääner vun unsere Ü-Wagen!“

- „Steije Sie mol aus un zeije Sie mer emol denne Ü-Wagen!“

K.-H. M. steigt aus seinem Wagen und geht nach hinten, wo die Schleppstange ohne  Ü-Wagen auf der Straße liegt, und sagt:

- „Sie kenne mers glaawe, grad vorhin war der Ü-Wage noch dran – isch wääß jetzt aach net wo er im Moment is!“

Holzvergaser

Es war die Zeit von Milva: „Non piangere più Argentina“. Hörfunk-Livesendung auf der Saarlandwelle Sonntagmorgen zwischen 10.00 und 12.00 Uhr vor Ort. Die Autobahnpolizei auf der A 61 in Emmelshausen stellt das Musikprogramm für zwei Stunden Sendung zusammen. Moderation in der Polizeibaracke: Klaus Groth. Ü-Techniker G. B.(„Boss“) sitzt in der Ü-Wagen Regie und „fährt“ die Sendung. Alles läuft gut. Darum hat Produktionsleiter und Regisseur F. H. Zeit, sich mit Ü-Wagen-Fahrer H. L. um das Programm nach der Sendung zu kümmern. Dafür hatte er auf der Herfahrt kurz Stopp in Eppelborn gemacht und bei Metzger Kurt Sturm eine kleine Wanne mit eingelegten Grillsteaks eingekauft. H. L. hatte das trockene Grillholz geschichtet, dahinter das Grill-Stativ und den Grill-Rost verstaut. Dazu nutzte er die Sprecher-Kabine aus den Urzeiten des nahezu historischen Ü-Wagens.

Ab und zu kam einer der Polizeibeamten vorbei und bestaunte den alten Wagen. F.H. machte sich gerade hinter dem Grillholz in der Reporterkabine zu schaffen, als einer der Polizisten meinte:

- „Wozu braucht Ihr denn das viele Holz?“

- „Ach, das sollten Sie eigentlich gar nicht sehen, es ist uns ein bisschen peinlich! Unser Ü-Wagen hat noch einen Holz-Vergaser!“

Von da an nahm der Besucherstrom im Ü-Wagen dramatisch zu. F.H. langte tief in die Märchenkiste und erzählte die dramatische Geschichte des armen Senders mit seinem motorisierten Relikt aus der Nachkriegszeit… Er erntete Staunen, Schmunzeln, Bewunderung der Sparfähigkeit des letzten Senders vor der Grenze – aber auch ungläubiges Kopfschütteln. Bis schließlich H.L. damit begann, schmunzelnd den Grillrost aufzubauen.  

Den arg veräppelten Polizisten hatte der Spaß den Appetit nicht verschlagen. Sie ließen sich nach der Sendung die saftigen Grillsteaks gut schmecken.

Friedrich Hatzenbühler. (Foto: SR)
Friedrich Hatzenbühlers Herz gehörte der Saarlandwelle.

Lebt er noch?

Die erste saarländische Sommerschlittenbahn am Peterberg oberhalb Braunshausen wurde eingeweiht. Es muss in den ersten Jahren unseres SR3-Hörfunkprogramms gewesen sein, also nach 1980. Toningenieur A. G. hat eine Live-Verbindung vom Peterberg nach Saarbrücken geschaltet. Mit einem Ü-Wagen steht er oben am Beginn der mehrkurvigen Schalen-Bob-Bahn.

Reporter F. H., ausgestattet mit Mikro und einem kleinen Sender, nimmt auf einem Schlitten Platz. Auf seinen Knien liegt das Sender-Set für die drahtlose Verbindung, in einer Hand hält er das Mikro, in der anderen den Bremsgriff. A.G. gibt das Signal: „Wir sind live drauf“. F. H., von Hause aus Sportsmann und Abenteurer, lässt den Schlitten laufen und reportiert lautstark und begeistert die rasante Fahrt durch eine schöne Landschaft. Allerdings nur bis etwa zur Hälfte der Bob-Bahn, denn dort hätte er besser an einer engeren Kurve etwas abbremsen sollen: Mitsamt dem Sender und seinem Mikro fliegt er – halb auf, halb neben seinem Schlitten –  aus der Kurve und verteilt sich mit knirschendem Krachen in die herrliche Landschaft des nördlichen Saarlandes. Mikrofonkabel gerissen, Ende der Übertragung. A. G. im Ü-Wagen kann sich im vor Lachen kaum halten, die Hörer sind besorgter. Sie rufen im Funkhaus an: „Lebt der Hatzenbühler noch?“

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz (ab); Mitarbeit: Sven Müller und Roland Schmitt

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