Pferdestall (Foto: J. Gerlach)

Wie aus einem "Pferdestall" das SR-Fernsehen wurde

 

So manches aus der Frühgeschichte des SR-Fernsehens ist noch unklar. Aber genau wissen wir: Im Jahr 2011 gibt es seit einem halben Jahrhundert beim SR ein Fernseh-Regionalprogramm. Der 1. Februar 1961 ist als Datum für den Beginn regelmäßiger eigener Berichterstattung aus der Region nachgewiesen. Bei den Vorbereitungen dafür hat der Tontechniker Peter Blattner (heute 70) tatkräftig mitgeholfen.

Von Axel Buchholz

„Geh Du mal da hoch, Du bist jung, mach das“, hieß es zu Beginn des Jahres 1959 für Peter Blattner.  Und er ging gern - aus der „ Wartburg“, dem alten Funkhaus in der Martin-Luther-Straße unten in der Stadt, nach oben auf den Halberg. Dort entstanden nach und nach die Gebäude für den neuen SR.  Gerade mal 19 Jahre war er alt. Vom Fernsehen verstand er nichts. Dafür schon viel vom Radio. Am 1. Juli 1954 hatte er mit 14 seine dreijährige Lehre als „ Rundfunkmechaniker“ bei Radio Saarbrücken begonnen und danach vor allem als Tontechniker im Sendedienst gearbeitet.

Blattners neuer Arbeitsplatz auf dem Halberg war allerdings alles andere als neu. Genau gesagt, gab es ihn noch gar nicht. Was es gab, war das alte Wirtschaftsgebäude  von Schloss Halberg, in dem früher auch ein Pferdestall untergebracht war. Es lag ungefähr dort, wo heute das Konferenzgebäude steht und war ein zweigeschossiger u-förmiger  Gebäudekomplex mit der offenen Seite in Richtung auf das heutige Verwaltungsgebäude. Dort sollte Peter Blattner erst einmal mithelfen, Räume für das SR-Fernsehen auszubauen. Und damit sich selbst seinen ersten Fernseh-Arbeitsplatz. Das schreckte ihn nicht, im Gegenteil. Aufbauen, umbauen und improvisieren, das war auch in der alten Wartburg nötig gewesen. Die war ja ursprünglich auch kein Funkhaus gewesen – sondern ein evangelisches Gemeindezentrum. So begann Blattner dann Schlitze zu kloppen, Kabel zu ziehen und Anschlüsse zu legen. Mit einem Elektriker und zwei Schreinern von einer Fremdfirma arbeitete er eng zusammen, aber sie waren nur drei von vielen Handwerkern dort.

Plan des u-förmigen Gebäudekomplexes (Foto: Klaus Peter Weber)
Plan des u-förmigen Gebäudekomplexes.

Zuerst entstand das „Abspielzentrum“, von dem jetzigen Verwaltungsbau aus gesehen rechts im U in der ersten Etage. Die Werbung wurde von einem 35mm-Filmgeber abgespielt. Er hieß zwar „Flying Spot“, ehe er so richtig ins „Fliegen“ kam, musste man aber kräftig an einer Handkurbel drehen, um ihn auf Touren zu bringen. Die Filme im Werberahmenprogramm wurden von zwei 16mm-Projektoren abgespielt. Gemischt wurde getrennt  für Bild und Ton über ein 4-Kanal-Pult für das Bild und ein 8-Kanal-Tonpult.

Insgesamt war das erste SR-Fernsehprogramm 30 Minuten lang, erinnert sich Peter Blattner. Wahrscheinlich, meint er, lief es von 19.30 Uhr bis 20.00 Uhr, aber sicher ist er sich nicht. Es wurde vom Werbefunk geliefert und bestand aus ca. fünf Minuten Werbung, einem etwa 20 Minuten langen Film und wieder fünf Minuten Werbung. Regionale Beiträge wurden anfangs gar nicht gesendet, es gab ausschließlich Unterhaltungsfilme. Die aber waren meist länger als 20 Minuten, mussten also tagsüber entsprechend gekürzt werden. Dafür war ein Schnittplatz vorhanden. Zuständig fürs Kürzen war Bernd Stenger mit einer Cutterin, beide vom Werbefunk.

„Abendregisseur“ Bernd Stenger leitete dann auch den Ablauf des Programms, also die Mischung von Werbespots und Film(en). Ansagen gab es noch nicht. Gefahren wurde nach Stengers „Sack-Uhr“, seiner alten Taschenuhr. Und das war mitunter ein schwieriges Geschäft. Schluss sein musste pünktlich. Aber die Anfangszeit konnte nicht immer eingehalten werden, wenn vorher überzogen worden war. Also musste ausgeblendet werden. Das machte der Techniker beim Sender in Göttelborn. 

Dazu nahm Stenger über ein altes Feldtelefon Kontakt zu ihm auf. War genug gekurbelt worden, meldete der sich schließlich und wartete am Hörer auf das Stenger-Kommando „ausblenden“. Dann spurtete er los, erst zum Bildregler, dann zum Tonregler. Beide müssen ziemlich weit entfernt voneinander gewesen sein, vermutet Peter Blattner. Es dauerte jedenfalls oft quälende Sekunden bis nach dem ausgeblendeten Bild auch der Ton verstummte. Nach heutigem Standard „brutale Übergänge“ habe es auch bei der Abfolge von Werbung und Film gegeben. Den Zuschauern scheint’s damals nicht störend aufgefallen zu sein. Beschwerden sind jedenfalls nicht überliefert.

Peter Blattner sitzt im Synchronstudio (16 mm) am Mischpult.  (Foto: Christen-Kleitz, Ilona privat/SR)
Peter Blattner sitzt im Synchronstudio (16 mm) am Mischpult.

Als zweites wurde unten rechts im „Pferdestall“ (wie das gesamte Gebäude im SR-Jargon hieß) das große Fernseh-Studio gebaut. Blattner hat auch da mitgeholfen. Und ist noch heute stolz: „Das Ergebnis war schon richtig komfortabel.“  Bild- und Tonregie hatten eigene Räume und im Studio gab es drei Kameras: „Jetzt wurde es eigentlich erst richtig interessant“. Nun waren Live-Beiträge und eigene MAZ-Vorproduktionen möglich. Die Zeit der Fernseh-Ansagerinnen begann beim SR. Wann das genau war, daran kann Peter Blattner sich nicht mehr erinnern. Aber es muss jedenfalls vor dem 1. Februar 1961 gewesen sein, dem Beginn eines eigenen regelmäßigen FS-Regionalprogramms. Auch wie diese Sendung dann hieß, ist Blattner nicht mehr genau in Erinnerung. „Abendschau“ vermutet er. Und als Sendezeit 18.30 Uhr bis 18.50 Uhr.

Ilse Laudenklos (1992) (Foto: SR)
Ilse Laudenklos (1992).

Im gegenüberliegenden (linken) Teil des „Pferdestalls“ waren ein Synchronstudio entstanden, wo vor allen Dingen Inge Laudenklos (von Tele Saar gekommen) arbeitete, und auch ein Schnittplatz für die Werbung. Der  mittlere Teil beherbergte das kleine Kopierwerk und die Schnitträume für die Programmbeiträge. Sogar eine eigene „ Filmentwicklung“ gab es dort – in einem umfunktionierten Badezimmer, in dem noch die Badewanne stand (wofür auch immer). 

Parallel zum Aufbau von Arbeitsräumen und Technik wurde auch das Personal engagiert.  Er sei der erste Techniker gewesen, der direkt vom SR aus der Wartburg gekommen ist, meint Peter Blattner. Alle anderen hatten zuvor beim privaten regionalen Fernsehsender „Tele Saar“ gearbeitet, der 1958 abgeschaltet wurde: allen voran Ludwig Schüssler als erster Abteilungsleiter FS-Technik und mit ihm die Techniker Horst Loch, Arthur Wilhelmi, Walter Fleischmann und Henri Hoffmann.

Fred Ohnesorg (späterer Chefkameramann) (Foto: SR)
Fred Ohnesorg (späterer Chefkameramann).

Mit Fred Ohnesorg kam schon 1959 der erste Kameramann (später Chefkameramann) ebenfalls von Tele Saar. Seine spätere Frau Christel begann 1960 als Cutterin beim Werbefunk. Später wurde sie die zweite Chefcutterin des SR. Andere wechselten von verschiedenen deutschen Sendern nach Saarbrücken. Peter Ehmke z. B. kehrte Hamburg den Rücken, um als Ablauf-Regisseur in Saarbrücken zu arbeiten. Seine Frau brachte er als erste FS-Chefcutterin mit.

Christl Ohnesorg (Foto: Christl Ohnesorg)
Christl Ohnesorg war zweite Chefcutterin beim SR.

Schnell zum Regie-Star wurde beim jungen SR-Fernsehen Truck Branss, der in Berlin Kameramann gewesen war.  Peter Blattner lobt ihn sehr: „Er brachte uns bald viel Ansehen weit über das Land hinaus“. Aber er verschweigt auch nicht, dass die Zusammenarbeit mit ihm nicht immer einfach war: „So manche schlaflose Nacht habe ich seinetwegen gehabt“.  Spaß auf seine Kosten scheint Branss eher nicht vertragen zu haben. Jedenfalls soll er sehr lautstark reagiert haben, als er seinen plötzlich verschwundenen kleinen Fiat 500 nach längerem Suchen versteckt in der Garage wiederfand. Blattner hatte ihn mit drei Kollegen mühsam dorthin geschleppt.

An so manchen der „Oberen“ hat Peter Blattner seine besonderen Erinnerungen. Als der neue regionale FS-Programmchef (und spätere Chefredakteur/Direktor fürs Aktuelle und stv. Intendant) Karl Heinz Reintgen 1961 seinen Antrittsbesuch in der  Pferdestall-Regie machte, sei sein erster Satz gewesen: „Mach mal den Ton leiser“ .

K.H. Reintgen (Foto: Reiner Oettinger)
Der neue regionale FS-Programmchef Karl Heinz Reintgen.

Verwaltungsdirektor Wilhelm Klein gab sich da saarländischer. Er kam öfter in der Regie einfach mal so zum Plaudern vorbei, immer rauchend trotz Rauchverbot. Seine Reaktion auf mahnende Worte wurde gern akzeptiert: Klein spendete in die Getränkekasse – und rauchte weiter.

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz; Mitarbeit: Thomas Braun, Christine Gebel, Sven Müller, Klaus Peter Weber, Roland Schmitt

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