Nach 250 Jahren ist Ende Juni Schluss mit dem Kohleabbau im Saarland. Während der letzten gut 75 Jahre haben der SR und seine Vorgängersender den Bergbau an der Saar publizistisch begleitet. Mehr als sechs Jahrzehnte auch den Saarknappenchor, den „Botschafter des Saarlands“ – wie er häufig wegen seiner vielen Aufritte außerhalb der Landesgrenzen genannt wurde.
Von Axel Buchholz
Zahlreiche Musikaufnahmen sowie Hörfunk- und Fernsehsendungen in den SR-Archiven zeugen davon, wie erfolgreich der Chor auch im Rundfunk war.
Besonders in Erinnerung geblieben ist die Fernseh-Produktion „ Und er hat sein helles Licht in der Nacht…“ (Redaktion: Emil Zalud). Kein Wunder. Schließlich führte Truck Branss Regie. Zudem war’s der erste eigene Farbfilm vom SR (produziert von der Tochterfirma Telefilm), zu einer Zeit als das meiste noch in Schwarz-Weiß über die Sender flimmerte. Er wurde vor 45 Jahren in der ARD bundesweit ausgestrahlt, am Buß- und Bettag 1967.
Unterlagen dazu findet man allerdings nicht nur beim SR. Auch Kurt Linn (Jahrgang 1944) hat sie in seinem (natürlich selbst hergerichteten) schmucken ehemaligen Bergmannshaus in Jägersfreude schnell herausgesucht. Und das aus immerhin gut 25 Ordnern zur Chorgeschichte. Mit 15 ist Linn als Berglehrling zum ersten Mal in die Grube Jägersfreude eingefahren, hat nach einem Unfall dann Grubenbetriebselektriker gelernt. Seit einem halben Jahrhundert singt er als zweiter Bass im Saarknappenchor. „Das hat vor mir noch keiner geschafft“, sagt er stolz. Und fügt wehmütig hinzu: “Und nach mir wird das wohl auch keiner mehr erreichen“.
In der Chorgeschichte kennt Kurt Linn sich aus, schließlich ist er der Archivar. Ganz bestimmt weit über hundert Mal, schätzt er, ist der Saarknappenchor beim SR aufgetreten. Achtzigmal war er selbst dabei. Da blieb es nicht aus, dass die Sänger viele vom Rundfunk ganz gut kannten, egal ob Fahrer, Kameraleute, Tonmeister oder Beleuchter. Und natürlich den stimmgewaltigen „Bären“ Truck Branss, der bei großen Fernseh-Produktionen fürs Erste mehrfach Regie geführt hat.
„Er war ein ganz genauer“, weiß Linn noch gut. Auch beim Dreh für ‘Und er hat sein helles Licht in der Nacht‘ (Textzeile aus dem traditionellen Bergmannlied „Glück auf, der Steiger kommt“).
Schließlich vergisst man’s nicht so schnell, wenn ein- und dieselbe Einstellung immer wieder gedreht wurde bis alles endlich „ im Kasten“ war. Und dazwischen warten, proben, warten, proben – bis es aus Bergmannsicht nach einer kleinen Ewigkeit wieder hieß „ Achtung Klappe“. Da musste dann zur Förderung der Geduld schon mal so mancher Kasten Bier „beigeschafft“ werden. Aber das haben die vom Rundfunk schon von allein gewusst. „Is halt unser Sender von dahemm!“ Und deshalb hatten sie auch kein Problem damit. Besonders nicht, wenn – wie bei diesem Film – vor dem Gasthaus „Zur Klosterschenke“ in Gräfinthal gedreht wurde.
Der Film ‘Und er hat sein helles Licht in der Nacht‘ war ein „ voller Erfolg“. Details vermeldet ein Zeitungsbericht: Zweieinhalb von damals 13 Millionen Fernsehgeräten seien eingeschaltet gewesen. Die Zuschauerbewertung habe ein „glänzendes Ergebnis“ gehabt: +6 – so wie Fußballübertragungen, Quiz und Show, die als erfolgreichste Sendungen zwischen +6 und +7 lägen. Positive Post erreichte den Saarknappenchor aus der ganzen Bundesrepublik und der „Ostzone“, zum Beispiel von einem pensionierten Bergmann aus Zwickau: „eine Feierstunde“. Die HörZu brachte zustimmende Leserbriefe, darunter einen von einem Zuschauer, der bereits die Kaiser-Wettstreite der Chöre miterlebt hatte – und sich durch Tonschönheit und Vortragsweise daran erinnert fühlte. Kritik gab’s auch: Die Wehrdener Halde gehöre nicht zum Bergbau und sei deshalb kein geeigneter Hintergrund. Ansonsten aber wurde Regisseur Truck Branss überschwänglich dafür gelobt, wie er den Chor an verschiedenen Drehorten im Saarland ins Bild setzen ließ.
Der Dirigent des Saarknappenchors bei dieser Produktion war der Bergmannssohn, gelernte Musiker und Musiklehrer Paul Groß (geb. am 9.7.1930). Ein Vierteljahrhundert hat er den bereits 1948 unter französischer Grubenverwaltung gegründeten Werkschor dirigiert, von 1965 bis 1990. In dieser Zeit, die ihn zum „Denkmal des Saarknappenchors“ werden ließ (Chor-Homepage), stand der „Schiffweiler Bub“ auch viele Male vor SR-Mikrofonen und Kameras.
Bei den Dreharbeiten in Gräfinthal, Groß ist sich da ganz sicher, wollte Regisseur Truck Branss unbedingt ein Wegekreuz im Bild haben – nur gab es das am gewünschten Ort nicht. Kein Problem. SR-Bühnenbildner mussten halt eins bauen, ganz schnell natürlich. So schnell allerdings auch wieder nicht, dass nicht gut Zeit gewesen wäre für den ein oder anderen Kasten Bier. Immerhin hatte der Chor eine Sollstärke von 50 Mann. „Der SR und der Saarknappenchor, mir ware uns änich“, sagt Groß.
Über "seinen" Saarknapppenchor und den SR kann der Dirigent stundenlang erzählen, auch über die vielen Hörfunkauftritte natürlich: egal, ob bei der Berliner Funkausstellung 1975 für die „Europawelle“, oder bei vielen Anlässen im Lande für die damalige „Studiowelle Saar“ (jetzt: SR2 KulturRadio) oder später die „Saarlandwelle“.
„Mit dem SR und seinen Mitarbeitern standen wir auf Du“, sagt Paul Groß. Nicht nur im übertragenden Sinn übrigens. Tatsächlich. Wobei ihm Christa Frischkorn-Heimrich, die viele Volksmusiksendungen sachverständig moderierte, besonders in Erinnerung geblieben ist. Sie bot ihm das „Du“ mitten in einem Live-Programm an: schließlich arbeite man ja nun schon so lange und so gut miteinander.
Warum das so war? Der damalige FS-Unterhaltungschef Emil Zalud (Jahrgang 1928) hat die Antwort schnell parat: „Der Saarknappenchor gehörte zu dem, was man gut vorzeigen konnte“. Und überregional etwas vorzeigen aus dem Saarland, das habe der Saarländische Rundfunk stets gern getan. So häufig, dass der Saarknappenchor in der dritten Auflage seiner Broschüre 1969 bereits schrieb: „ Selbstverständlich überträgt der Saarländische Rundfunk oft die Darbietungen des Saarknappenchors.“
Für die gute Zusammenarbeit bedankte sich der Chor gern mit einer „gefahrenen“ Grubenlampe, also einer, die schon Untertage im Einsatz war. So eine hätte Emil Zalud als Redakteur des Films „Und er hat sein helles Licht in der Nacht…“ auch gern gehabt. Allerdings meinte der Dankesredner, dass er die ja sicherlich schon lange haben müsse. Und deshalb überreiche man ihm einen echten „getragenen“ Schachthut mit weißem Federbusch. So hat Zalud mit 84 Jahren noch immer keine Grubenlampe. Aber der Schachthut erinnert ihn bis heute an so manche erfolgreiche Produktion mit dem Saarknappenchor.
Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz (ab); Mitarbeit: Michael Fürsattel, Bert Lemmich, Sven Müller, Roland Schmitt