Irmgard Rech  (Foto: SR)

Irmgard Rech: „Einzelkämpferin“ für lebensnahe Themen im „Wort zum Sonntag“

 

Von Axel Buchholz

Zwar begann Irmgard Rech schon als 17jährige Schülerin, sich immer mehr für theologische Fragen zu interessieren. Aber dass sie einmal als erste katholische Frau (und noch Laiin dazu) beim SR das „Wort zum Sonntag“ sprechen dürfte, daran hätte sie im Traum nicht gedacht.

Irmgard Rech (verheiratet, zwei Kinder) wurde 1938 in Saarlouis (damals „Saarlautern“) im Saarland geboren – in eine „gut katholische“ Familie, wie sie erzählt. Dass sie dann Theologie studierte, führt sie auch auf den Einfluss ihres Paten, eines Priesters, zurück: „Er war fest davon überzeugt, dass  Frauen in der Theologie nicht weniger zu sagen hätten als die Männer.“  Was Ende der 50er Jahre eine durchaus fortschrittliche Ansicht war. Und schon immer auch ihre. Während ihres Studiums prägte sie dann in Innsbruck der Jesuit und renommierte Theologieprofessor Karl Rahner.  Sie erkannte durch ihn, dass es bei der Theologie nicht um „lebensferne Jenseitsproblematik“ geht, sondern darum, den Menschen besser zu verstehen als durch andere Wissenschaften.

Nach dem Studium trat Irmgard Rech in den Schuldienst ein, wurde schließlich Oberstudienrätin mit den Fächern Religion und Deutsch am Geschwister-Scholl-Gymnasium Lebach. Als Autorin und Sprecherin von Verkündigungssendungen  beim Saarländischen Rundfunk begann sie 1977. Und das kam so: „Ich fand es spannend, in Vorträgen sowie in Aufsätzen für die kritische Kirchenzeitschrift  ‚imprimatur‘ die christliche Botschaft für die heutige Welt auszulegen.“ Und ein Redaktionsmitglied von „imprimatur“ hat sie dann beim SR-Kirchenfunk erst einmal für den SR-Hörfunk vorgeschlagen. 

"imprimatur" (Foto: SR)
Gemeinsam mit ihrem Mann Benno engagiert sich Irmgard Rech bei der kritischen Zeitschrift "imprimatur".

Das muss sie gut gemacht haben, denn der katholische Rundfunkbeauftragte des Trierer Bistums, Pfarrer Karl-Heinz Pfeiffer, und SR-Kirchenfunkleiter Norbert Sommer forderten Irmgard Rech 1983 dann auf, einmal eine Probesendung für das „Wort zum Sonntag“ zu sprechen. Auch die überzeugte, erst ihre beiden Förderer (“fortschrittlich Gesonnene und geschätzte Medienleute“) und dann das Gremium aller katholischen Rundfunkbeauftragten, das gemeinsam über die Sprecherauswahl entscheidet.  „Das war damals eine Sensation und für die katholische Geistlichkeit insofern ein unerhörten Schritt, als ich die erste Frau war (und verheiratet und Mutter dazu), die im Auftrag der katholischen Kirche das „Wort zum Sonntag“ sprechen durfte.

SR-Kirchenfunkleiter Norbert Sommer (Foto: R. Oettinger)
SR-Kirchenfunkleiter Norbert Sommer

Ab dem 3. April 1984 hat Irmgard Rech dann mindestens zwölfmal am Samstagabend „gepredigt“, wie sie das auch nennt, davon zwei Jahre für den SWF (heute: SWR). Als zweite Katholikin beim „Wort zum Sonntag“ folgte ihr ein halbes Jahr später beim NDR (ab dem 10. November 1984) die als „fröhliche Nonne“ sehr populär gewordene Isa Vermehren. Sie hatte in ihrer Jugend als Kabarettistin und Schauspielerin gearbeitet, ehe sie konvertierte und Ordensschwester wurde. 

Warum für Irmgard Rech nach sechs Jahren „Wort zum Sonntag“ dann Schluss war, beantwortet sie so: „Ich hatte nach Mitteilung von Pfarrer Pfeiffer in einer sehr kritischen Sitzung der katholischen Rundfunkbeauftragten eine ausgezeichnete Kritik bekommen und danach erfahren, dass ich ‘dem zahlenmäßig erheblich reduzierten Kreis der Sprecher‘ künftig angehören soll, habe aber nach 1990 keinen Auftrag mehr bekommen, ohne je eine Begründung dafür erhalten zu haben. Unsere kritische Zeitschrift ‚imprimatur‘ könnte eine Rolle gespielt haben.“

Zuvor aber hat sie sich bei ihrer Arbeit nie eingeschränkt gefühlt, obwohl sie mit der Amtskirche nicht gerade schonend umging. „Ich habe immer Themen gewählt, die lebensnah waren und aus der
zölibatär männlichen Sichtweise herausfielen. Auch Kritik an der
männlich geführten Amtskirche habe ich deutlich aussprechen können, was zu heftigen Angriffen, aber auch zu begeistertem Lob geführt hat. Und der Saarländische Rundfunk stand hinter mir. Das wäre an keinem anderen Kirchenfunk damals möglich gewesen“.

Eine turbulente „ketzerische“ Zeit sei das damals gewesen. „Wie viel Kraft sie dafür brauchen würde“, habe sie vor ihrem ersten „ Wort zum Sonntag“ am Fastnachtssamstag 1984 nicht geahnt. Während heute ziemlich ausführlich und auch kritisch über kirchliche Zustände und Religionsfragen berichtet werde, habe die gesellschaftliche Relevanz religiöser und kirchenkritischer Fragen  damals in den Medien noch keine Rolle gespielt: „Wir waren alles Einzelkämpfer.“

Post an Irmgard Rech (Foto: SR)
Besonders zu ihrem ersten "Wort zum Sonntag" erhielt Irmgard Rech viele Reaktionen.

Lob und Tadel: Briefe zum „Wort zum Sonntag“ vom SR

Von Irmgard Rech

Nicht wenige Zuschauer waren irritiert. Eine ganz normale Frau predigt für die katholische Kirche im Fernsehen. Das war doch bis jetzt immer ein Geistlicher mit Gipskragen. Also muss sie evangelisch sein. So wurde ich in vielen Köpfen zur Pfarrerin gemacht, die ich in meiner Kirche nicht sein durfte. Ein Zuschauer schrieb, wie es ihn freue, dass eine Frau „die Priesterkaste“ verdrängt habe und fragte: „Oder waren Sie gar die erste?“ Ja, ich war die erste Katholikin (und eine Laiin noch dazu), die in der ARD das „Wort zum Sonntag“ sprach. Und zwar für meinen Heimatsender, den Saarländischen Rundfunk.

In meinem ersten „Wort zum Sonntag“ – es  war am 3. April 1984 am Vorabend des Fastnachtssonntags – sprach ich über den religiösen Ursprung des Tanzes. Ich forderte die Zuschauer auf, selber zum Tanzen zu gehen. Die Wirkung war enorm. Und sehr kontrovers. Wie ich mit meiner Sprache die Herzen der Menschen aufwühlen würde, hatte ich so nicht erwartet.

Irmgard Rech (Foto: SR)
Passend zur Fastnacht spricht Irmgard Rech das "Wort zum Sonntag" (1984).

 „Sie haben ein phantastisches Wort zum Sonntag gesprochen!“ – „ Sie sprachen mir aus dem Herzen, Sie sind sicher ein fröhlicher Mensch.“ – „Sie gaben der Freude Raum, dadurch vermittelten Sie etwas von der Freude eines Christen, die wir ja eigentlich ausstrahlen sollten.“ Schläge bekam ich von den Strenggläubigen, besonders auch von fastnachtsfeindlichen Protestanten, die mich für eine spirituell total entgleiste evangelische Pfarrerin hielten. „ Die Grenze des Blasphemischen ist erreicht. Das werden Sie vor Gott verantworten müssen.“ – „Ansonsten werde ich als Knecht Jesu Christi, der seit Jahrzehnten an der geistlichen Front steht, am Jüngsten Tag gegen Sie als Zeuge erscheinen.“ – „Sie sind ein falscher Prophet!“

Die Offenbarung von so viel Hass gegen Andersdenkende unter Christen entsetzte mich. Aber Anlass zur Freude hatte ich genug: der deutsche Tanzverein veröffentlichte meine Tanzpredigt in seiner Zeitschrift, Leiterinnen von Tanzgruppen bedankten sich und gaben meine Predigt weiter, ein Maler schenkte mir ein eigens für mich gestaltetes Tanzbild, das ich rahmen ließ. Eine Frau komponierte einen Kanon nach einem Satz von Augustinus: „Lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit dir nichts anzufangen!“ Selbst aus dem pietistischen Baden kam Dank: „Das war nötig! Bei uns heißt es immer noch: Ein Christ gehört in die Kirche auf die Knie und nicht in den Tanzsaal, wo der Teufel sein Werk tut.“

Post an Irmgard Rech  (Foto: SR)
Von so machem Bischof wurde Irmgard Rech für ihre Position zu Frauenrechte in der katholischen Kirche kritisiert. So auch vom damaligen Trierer Bischof Dr. Hermann Josef Spital.

Von den Priestern meiner Kirche, die alles beim Alten lassen wollten, kam die Frage: „Woher hat eine Frau die Berechtigung, das Evangelium in der Öffentlichkeit zu verkünden? Das ist allein die Aufgabe der geweihten Priester!“  Und in Anrufen und Briefen an kirchliche Stellen, an Pfarrer Pfeiffer (den katholischen Rundfunkbeauftragten des Bistums Trier) und die ARD verlangten sie meine Absetzung.

Unsere 18jährige Tochter hatte einmal einen so hochgradig Empörten am Apparat hatte, weil ich mit meinem Mann zum Fastnachtstanz gegangen war. Sie gab sie ihm kurz und bündig die Antwort: „Meine Mama kann das und darf das!“

Als ich anlässlich der biblischen Erzählung vom zwölfjährigen Jesus im Tempel davon sprach, dass Mütter ihre Kinder loslassen müssen, stand in einem Brief: „Es sind Worte nach denen man greift, wenn man zutiefst verzweifelt ist.“ Nach meiner Predigt über die Begeisterung, die in der wahren Liebe ein ganzes Leben lang bleibt, schrieb mir eine Frau „den längsten Brief“ ihres Lebens, es waren acht Seiten: „Ich schreibe ihnen, weil ich so verzweifelt bin und mir ihre Worte am Samstagabend bis ins Innere gedrungen sind.“ 

Aber wie sollte ich den Verzweifelten und Schwermütigen helfen? Ich konnte gar nicht so viele tröstende Briefe schreiben. „Ich bin sehr oft schwermütig und bekam das Bedürfnis, Sie selber anzuschreiben. Ich möchte wenigstens nur eine kurze Zeit mit Ihnen schreiben.“ Solche Bitten, auch um konkreten Rat, gab es immer wieder. Ich konnte nur wenige beantworten. Eine Frau, deren Sohn im eigenen Dachdeckerbetrieb ums Leben gekommen war und deren Mann darauf stumm geworden ist, habe ich bis zu ihrem frühen Tod brieflich aufzurichten versucht. Sie hat sich sterbend in einem letzten Brief von mir verabschiedet. Ich weiß, dass manche oder mancher umsonst auf eine Antwort gewartet hat. Aus einem schon fast vergilbten Brief ist mir ein Fünfmarkschein herausgefallen. Es tut mir heute noch leid, ihn nicht beantwortet zu haben. 

Irmgard Rech (Foto: SR)
Irmgard Rech spricht das "Wort zum Sonntag" (1985).

Ich weiß aber auch, dass manchen meine Worte aufgeholfen haben. „Ihre Worte haben mir Mut gemacht. Sie werden mir ein Teil meines Lebens sein.“ Unvergesslich ist mir der Dank einer 26-jährigen Frau, deren Mann kurz zuvor gestorben war. Sie hatte nach Wochen tiefer Trauer zum ersten mal wieder den Fernseher angestellt. Da hörte sie mein „Wort zum Sonntag“ über die erforderliche Sensibilität in unserm Verhalten zu den Witwen. „Sie haben mich wieder ins Leben zurückgeholt!“, versicherte sie mir dankbar am Telefon. Da war auch ich dankbar.

Seit mehr als vier Jahrzehnten mache ich Verkündigungssendungen am Saarländischen Rundfunk, manchmal auch zusammen mit meinem Mann Benno Rech. Lebendig, das heißt sensibel und beherzt zu machen und die jesuanische Freude zu wecken, darin sehe ich die Aufgabe von Religion und Kirche. Die katholische Kirche versteht es leider nicht, die fehlenden Priester durch engagierte Laien zu ersetzen, die Menschen begeistern können. Ich habe beim „Wort zum Sonntag“ von 1984 bis 1990 erfahren dürfen, wie viel Begeisterung zurückkommt: „Hätte die Kirche mehr wie Sie, wir wären nicht gespalten. Ich tanze mit ihnen. Danke!“ 

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Schon seit 1954 gibt es das „Wort zum Sonntag“ im ARD-Fernsehen. Und doch konnte sich noch 30 Jahre später die Lebacher Gymnasiallehrerin Irmgard Rech beim SR als Avantgardistin fühlen. Sie wurde im April 1984 die erste katholische Sprecherin dieser kirchlichen Verkündigungssendung. Und nicht nur eine Frau, sondern eine Laiin noch dazu.

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz (ab); Mitarbeit: Norbert Blauth, Ursula Comperl, Thomas Braun, Wolfgang Drießen, Jens Gerlach, Donata Grün, Beate Heitz, Barbara Lessel-Waschbüsch, Christa Littner-Ecker, Jürgen Mahrenholz, Sven Müller, Roland Schmitt, Hans-Ulrich Wagner, Peter Wirtz

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