Szene aus dem Film (Foto: Produktionsfirma)

Unter der Haut

Ein Herz - Eine Rezension von Simin Sadeghi  

Als letzter Langfilm geht "Unter der Haut" in den Wettbewerb. Alice bemerkt darin, dass ihr Mann etwas verheimlicht. Als sie im Internetverlauf auf Datingseiten für Schwule stößt, wird ihr klar: Ihr Mann Frank hat Sehnsüchte, die sie nicht befriedigen kann. Eine Zerreißprobe für ihre Ehe. Die SR-online-Rezension des Films am Freitag.

Alice und Frank sind glücklich. Obwohl die beiden schon 18 Jahre zusammen sind, wirkt ihre Ehe noch erstaunlich frisch. Gerade sind sie zusammen mit ihren drei Kindern in eine neue Wohnung gezogen. Frank tobt mit der achtjährigen Tochter im Piratenkostüm durch die Wohnung, mit dem fast erwachsenen Sohn spielt er Gitarre. Der Tapetenwechsel scheint allen gut zu tun. Kurz: eine Bilderbuchfamilie in einer Katalogwohnung.

Lieblingszitat: „Du könntest doch morgen einfach den Kindern erklären, dass es nur ein Ausrutscher gewesen ist. Das kann doch jedem passieren.“ Alices letzter Versuch, ihre Ehe mit Frank zu retten

Doch als Alice den gemeinsamen Urlaub buchen will, entdeckt sie im Browserverlauf am Computer Internetseiten von Datingseiten füfür Schwule. Anfangs glaubt sie noch, ihr Sohn hätte die Seiten besucht. Doch als Alice die Sache am Abend bei Frank zur Sprache bringt, wird sie Zeugin von dessen "Coming-Out": Der Familienvater erzählt von seinen unerfüllten Sehnsüchten und seiner Angst, diese auszuleben... Alice zeigt sich wenig schockiert, bietet ihrem Mann sogar einen bisexuellen "Dreier" an. Doch Frank lehnt ab. Was Alice nicht ahnt: Gerade durch ihr Verständnis tritt sie etwas los, was kaum noch aufzuhalten sein wird. Der Kampf um Liebe, Ehe und die eigene Existenz beginnt...

Kommunikation ist nicht nur für eine Ehe hilfreich

Regisseurin Claudia Lorenz hat in "Unter der Haut" eine tief greifende Beziehungsgeschichte erzählt - mit wenig Text, aber vielen Nahaufnahmen vom alltäglichen Familienleben. Die Entfremdung des Ehepaars Alice und Frank wird mit großen Längen inszeniert. Ungleich kürzer ist der Abstand der beiden Hauptdarsteller (Ursina Lardi und Dominique Jann) zum Publikum: Beide lassen den Zuschauer nah an sich heran – beinahe bis unter die Haut. Dominique Jann spielt die Figur des Frank, der zerrissen ist zwischen seinen Pflichten und seinen Sehnsüchten. Dennoch bleibt er für den Zuschauer eine rätselhafte Figur. Ursina Lardi dagegen zeigt jede Gefühlsregung von Alice, von der Zurückhaltung bis zur Verzweiflung. Manchmal ist man so nah an ihr dran, dass das Stück zeitweise zu einer One-Woman-Show wird. Dabei strapaziert das Suhlen im Schmerz der verlassenen Ehefrau zeitweise gehörig den Geduldsfaden, und manche von Alices Handlungen und Emotionen scheinen wenig nachvollziehbar.  

„Unter der Haut“ behandelt ein Thema, das in den vergangenen Jahren schon häufig verfilmt wurde – eine Ehe, die an der bisher unentdeckten Homosexualität eines Partners zerbricht oder zumindest daran krankt. Claudia Lorenz versucht zwar einen anderen Blick darauf zu zeigen, einen Blick auf eine weniger spektakuläre Normalität ohne die Klischees von zerbrochenem Geschirr - dennoch wirkt das Thema reichlich ausgelutscht. Auch die Entwicklung der Charaktere hält wenig Überraschungen bereit. Zu viel Gewicht misst die Regisseurin der Figur der Alice bei; die Kinder sind am Ende nicht viel mehr als Statisten, und auch über Franks Schicksal hätte man gerne etwas mehr erfahren. Auf die Dauer ermüdend sind die vielen Nahaufnahmen und textlosen Einstellungen. Ein bisschen mehr Dialog hätte nicht nur der Ehe von Alice und Frank, sondern auch dem Film sicher gut getan.

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