Saarbrücker Zeitung | Sonntag, der 15. Mai 2022
Von Helmut Fackler
Wer im Programmheft der 8. Matinée der Deutschen Radio Philharmonie den einführenden Text von Alexandra Mario Dietz vor Konzertbeginn las, konnte zu der Auffassung gelangen, bei Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ handle es sich um vier komische Opern. So leichtfüßig ironisch wurden da die Handlungen beschrieben. Doch in der Congresshalle staunte das Publikum zuerst einmal über die Größe des Orchesters. Eine 16er-Besetzung der Streicher war aufgeboten, vier Harfen, acht Hörner nebst Wagnertuben, vierfaches Holz, zwei Pauker – und alle hatten ausreichend Platz auf der Bühne. Auszüge aus „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ waren zu erwarten, mit einem Sängerpaar, das alle Erwartungen übertraf.
Die Schwedin Iréne Theorin gab wahrlich eine figürlich wie gesanglich kaum zu übertreffende Brünnhilde, mit einem dramatischen Sopran, der strahlend und voluminös jedes noch so gewaltige Orchestertutti dominieren konnte. Kurzfristig eingesprungen war Heldentenor Andreas Schager, der druckvoll das metallische Timbre seiner Stimme einzusetzen verstand.
Was Chefdirigent Pietari Inkinen mit dem großen Klangkörper gelang, war überwältigend. Wagner quasi als absolute Musik – ohne womöglich verkopfte Regie, störend schräges Bühnenbild. Konnte da die Musik bestehen? Ja, sie ging richtig unter die Haut. Inkinen steuerte die Klangmassen mit gewohnt leichter Hand, ohne aufwändige Gestik hatte er alles fest im Griff.
Mit facettenreicher Dynamik und lebendigen Tempi führte er durch Wagners Welt der Leitmotive, entfaltete den Sog der profunden Blechbläsersätze, der irisierenden Streicherwogen, des bedrohlichen Paukendonners. Aber auch die filigranen Klarinettenmelodien und fröhlichen Hornsignale, die die Kompetenz der führenden Orchestermusiker zeigte.
Wagner pur also, in den sich die beiden Gesangssolisten vorzüglich einfügten, vokale Glanzlichter setzten, Gestaltungskraft zeigten und Leidenschaftlichkeit verströmten. Etwa im Liebesduett aus „Siegfried“, in „Siegfrieds Tod“ aus der „Götterdämmerung“ oder in Brünnhildes „Schlussgesang“.
Und auch das Orchester hatte seine Höhepunkte: „Siegfrieds Rheinfahrt“ etwa, dramatisch inszeniert oder im ergreifenden „Trauermarsch“ aus der „Götterdämmerung“, dessen Instrumentierung ein Wagnersches Meisterstück ist. Inkinen hat seine Visitenkarte als vorzüglicher Wagner-Dirigent abgegeben. Bayreuth kann sich auf einen musikalisch kompetenten „Ring“ freuen.
Fotogalerie
Alle Rechte vorbehalten. © Saarbrücker Zeitung