Saarbrücker Zeitung | Freitag, der 13. Mai 2022
Von Kerstin Krämer
Jetzt steigt Pietari Inkinen endgültig in den Olymp der Wagner- Dirigenten auf: Als erster Finne und einer der jüngsten Dirigenten wird der 42-Jährige in Bayreuth eine Neuproduktion von Richard Wagners „Ring“-Zyklus leiten. Doch damit nicht genug. Kurz bevor der Chefdirigent der Deutschen Radio Philharmonie (DRP) Ende Mai den grünen Hügel erklimmt, um drei Monate lang völlig absorbiert zu werden vom wagnerianischen Universum, gibt die DRP am Sonntag einen Vorgeschmack darauf mit Ausschnitten aus „Siegfried“ und „Götterdämmerung“. Der Clou: Als hochkarätige Solisten konnten die schwedische Sopranistin Irène Theorin und der (kurzfristig für den erkrankten Stefan Vinke eingesprungene) deutsche Tenor Andreas Schager gewonnen werden, die auch als Brünnhilde und Siegfried auf der Festspiel-Bühne stehen werden – mehr Bayreuth in Saarbrücken geht nicht.
Wie kam der DRP-Chef zu der Ehre? Bewerben könne man sich für Bayreuth nicht, erzählt Inkinen, der außerdem Chefdirigent des Japan Philharmonic Orchestra ist und in diesem Jahr auch die Leitung des koreanischen Rundfunkorchesters KBS Seoul übernimmt. Man müsse sich eben international einen entsprechenden Namen schaffen, und werde dann angerufen. Ob‘s nun Katharina die Große persönlich war, die bei ihm angeklingelt hat, weiß er gar nicht mehr. In jedem Fall sei es „toll, dass dieser Schritt in meiner Karriere jetzt schon kommt“. Und er fühlt sich bestens gewappnet, schließlich hat er den Ring schon an der Opera Australia in Melbourne aufgeführt und wurde dafür 2014 und 2016 als bester Operndirigent ausgezeichnet. Mit der DRP und den Vokalisten Lise Lindström und Stefan Vinke hat er zudem eine CD mit Auszügen aus „Siegfried“ eingespielt und als musikalischer Direktor des New Zealand Symphony Orchestra eine Wagner- CD mit dem Tenor Simon O‘Neill vorgelegt. Vor allem aber ist er mit den akustischen Besonderheiten in Bayreuth bereits bestens vertraut. Denn eigentlich hätte er den Ring schon 2020 dirigieren sollen, was der Pandemie zum Opfer fiel.
„Die Situation ist so anders, das kann man nicht in der Metropolitan oder der Scala lernen“, sagt Inkinen über die klanglichen „Sonderturbulenzen des Hauses. Zwar hat er ein äußerst erfahrenes Orchester vor sich, in dem unter anderem DRPMusikerin Ilka Emmert als erste Stimmführerin der Kontrabässe ein vertrautes Kontinuum garantiert. Doch allein durch die schiere Größe des Klangkörpers ergäben sich, in Kombination mit dem fehlenden offenen Graben, gewisse „Balanceprobleme“: Um zu wissen, wie die Musik im Saal klingt, ist Inkinen auf die Rückmeldung von Assistenten angewiesen. Dass wiederum das Orchester für das Publikum unsichtbar bleibt und die Musik wie aus dem Nichts beginnt, trage erheblich zur besonderen Magie des Ortes bei, betont Inkinen. Der übrigens im Sitzen dirigieren wird. Der Ring sei schließlich nicht nur eine mentale Herausforderung, sondern auch konditionell.
Bei der Zusammenarbeit mit Regisseur Valentin Schwarz, der den Ring als hochaktuelle Story über die Mitglieder und ungebetenen Gäste einer Großfamilie in einer sich rapide verändernden Zeit inszenieren will, sei es von großem Vorteil, dass der ebenfalls Musiker ist: „Der kennt alle Schwierigkeiten“.
Zur kommenden DRP-Saison verrät Inkinen nur so viel: Er freut sich sehr, endlich wieder Orchester in voller Besetzung live vor Publikum dirigieren zu können. Nicht zuletzt für Spektakuläres wie die DRP-Matinée fordert er für Saarbrücken allerdings eine adäquatere Veranstaltungshalle und verweist auf touristische Synergieeffekte: „Einen solchen Magneten braucht das Saarland so schnell wie möglich!“ Ein Konzert in dieser einmaligen Besetzung dürfe jedenfalls niemand verpassen, meint Inkinen und verspricht ein Hörerlebnis, bei dem „das Dach der Congresshalle abhebt“.
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