Versteckte Zweitwährung mit Absurd-Faktor
Ein Besuch im ehemaligen Bundesbank-Bunker Cochem
Was ist eigentlich die Notfall-D-Mark? Nie davon gehört? Das ist auch kein Wunder. In einem Geheimprojekt während des Kalten Krieges wurde die Ersatzerwährung in einem streng verborgenen Bunker der Bundesbank in Cochem hergestellt - für den Fall der Fälle. Heute kann man den Bunker besichtigen.
9.000 Quadratmeter groß ist das Gelände am Hang oberhalb von Cochem-Cond. Von hier sieht man wunderbar auf das Tal der Mosel und die Reichsburg gegenüber oberhalb der Cochemer Altstadt. Was bis Mitte der 1980er Jahre im tiefen Betontunnel des Geländes versteckt war, wussten selbst die Nachbarn im Wohngebiet nicht: 15 Milliarden D-Mark Typ 2. Die Ersatzwährung der Deutschen Bundesbank. 22 Jahre lang wurden die Scheine hier gelagert – Teil eines ausgetüftelten Planes. Durchdacht bis ins letzte absurde Atomkriegsszenario. Seit 2016 ist der einstige Bundesbank-Bunker eine Touristenattraktion.
Audio
Von Druckwellen und Geheimarbeiten
Um dieses ganze Unterfangen zu verstehen, müssen wir erst einmal in die Zeit des Kalten Krieges zurückkehren. Sagen wir ins Jahr 1962. Das Jahr der Kuba Krise. Ein hitziger Höhepunkt zusammen mit dem Bau der Berliner Mauer im Konflikt Ost gegen West, Kapitalismus versus Kommunismus. Was wäre wenn? Wenn der Konflikt eskaliert, Bomben fallen, atomare gar? Dann müsste nicht zuletzt auch unsere Währung geschützt sein, dachten sich die Sicherheitsexperten jener Tage. Besser noch: es müsste eine Ersatzwährung geben.
Die Notfall-D-Mark gegen Atombomben und eine mögliche Falschgeldflut aus russischer Produktion. Eine Ersatzwährung, die niemand schnell nachproduziere könnte … ? Diese beiden Gedanken wurden zusammengefasst in einen Bunkerplan. Nicht allzu weit von Frankfurt, dem Sitz der Bundesbank, sollte ein Depot entstehen, das die Notfallwährung sicherte. Und da nun laut den Berechnungen der Experten atomare Druckwellen über das Moseltal hinweg fegen würden, begann 1962 der Bau eines Bunkers in den Berg hinein.
Der Plan: Von hier könnten im Notfall samt dem Geld eingeschlossene Beamte der Bundesbank nach 14 Tagen den Austausch der Währung vornehmen. Ja, es hat etwas durchaus Absurdes, dass rund 40 Banker und 130 weitere Mitarbeiter bei einem nuklearen Angriff nach 14 Tagen die Stahltüren wieder öffnen (müssen! – länger hätten Luft und Vorräte nicht gereicht), um dann die Währung eines verwüsteten Landes wieder zu verteilen. Aber damals wurde sogar die Zeit nach dem Weltuntergang minutiös geplant.
30 Meter tief wurden die Schächte in das Schiefergestein hineingetrieben – durch Sprengungen und dem Abtransport des Gesteins. Die Firma Hoch-Tief übernahm die Arbeiten. Damit der wahre Grund des Baus geheim blieb, wurden die Arbeitsmannschaften regelmäßig ausgewechselt. Den durch den Lärm aufgeschreckten Bewohner Cochems wurde zur Beruhigung vorgegaukelt, es entstehe ein Luftschutzbunker, den sie im Notfall ebenfalls benutzen dürften. Im Ernstfall hätten sie vor der Tür gestanden – die Ersatzwährung wäre gerettet worden. Sie wäre gegenüber Strahlung, Druck, Hitze, elektromagnetischen und radioaktiven Einflüssen gegenüber abgeschottet gewesen.
Und so blieb der wahren Zweck auch nach Einlagerung der Währung geheim – selbst die Stasi wusste nichts davon …
15 plus 11 gleich 26 Milliarden BBk2
Durch mehrere Stahltüren und vorbei an zwei Dekontaminationsschleusen geht es in den Vorraum des Tresors. Hier ist die tresoreigene Klimaanlage. Technik aus den 1960er bis 1980er Jahren gibt es zu bewundern. Die Interessensgemeinschaft leistete ganze Arbeit, um den Bunker überhaupt wieder begehbar zu machen. Rohre, Behälter und Scharnieren wurden mit viel frischer Farbe und Rostentferner behandelt und aufgehübscht. Dann die Tresortür: Sie ist acht Tonnen schwer. Der Tresor umgeben von 60 Zentimeter Stahlbeton.
Ein schmaler Mittelgang, rechts und links hinter Eisengittern die einzelnen Geldkäfige. Hier lagerten die Pakete und Säcke mit den Scheinen: 10-, 20-, 50- und 100-DM2-Scheine im Wert von knapp 15 Milliarden. Zusammen mit weiteren elf Milliarden, die in Frankfurt gelagert wurden, gab es also 26 Milliarden BBk2 für den Notfall. Diese BBk2 sah ein wenig anders aus, da sie Sicherheitsfäden und einen speziellen Aufdruck hatte – die Bilder, Gesichter und Farben entsprachen aber der Original D-Mark. Einige wenige Muster sind hier zu sehen, der Rest wurde 1988 komplett geschreddert – wobei ein paar Sammler sich irgendwie ein paar Scheine haben besorgen können. Der Grund des Schredderns: die Ersatzwährung war nicht mehr fälschungssicher – und dann fiel auch 1989 noch die Mauer. Damit wurden auch die halbjährlichen Kontrollen des Bestandes hinfällig. Eingeweihte Banker aus Frankfurt zählten alles immer brav durch – zweimal im Jahr.
Küche, Schlafräume und Verpflegung für 175 Menschen
Klar, dass die Bunkeranlage eine komplett autarke Versorgung hatte. Im Ernstfall für genau 14 Tage. Schlafzimmer mit 36 Betten zum Schlafen im Schichtwechsel, Essen und Trinken für zwei Wochen, Wassertanks, ein eigener Brunnen, Filteranlagen, Strom, Batterien, 18.000 Liter Diesel. Die Räume sind nicht allzu groß, Licht gibt es nur von Glühbirnen und Leuchtstoffröhren – und was wäre nach 14 Tagen gewesen im Ernstfall?
Türen öffnen. Sonst wäre die gesamte Besatzung erstickt, da die Aggregate ausgegangen wären. Im Arbeitsraum gab es übrigens einige Tische mit Zählkästen und Aktenordnern: von hier hätten die Landeszentralbankangestellten die Ersatzwährung ausgegeben – kontrolliert und notiert natürlich je nach Anforderungsbedarf von den einzelnen Landeszentralbanken der Bundesländer – so der Plan. Die Ersatzwährung geordnet in Umlauf bringen – von Cochem aus.
Leitstelle und Kommunikation
Wer in den Bunker rein- oder rauswollte, der musste über die Leitstelle gehen. Da saß der Chef der Anlage – der hatte auch einen kleinen eigenen Schlafraum. Über eine direkte Verbindung nach Weinsheim bei Bad Kreuznach sollten täglich Neuigkeiten vom dortigen Warnamt eingeholt werden: Wetter, ABC-Lage, Luftlage. Die Menschen im Bunker hätten von sich aus nicht gewusst, wie es vor der eigenen Tür geschweigedenn im weiteren Umfeld aussieht.
Dazu gab es weitere handelsübliche Verbindungen per Telefon und Telefax nach ganz Deutschland. Ein eigener Kommunikationsraum war mit Nebenstellenanlage und Fernschreibern ausgestattet – das ist ein echter Schritt zurück in die analoge Zeit der Handvermittlung und Telexstreifen anno 1965. Die Tresoranlage war übrigens durch mehrere Sicherheitsmelder und Warnsysteme vor Einbruch und Diebstahl gesichert. Gerne wird auf der Führung erzählt, dass die Cochemer Polizei mehrere Male vor der Haustüre stand: der Hausmeister trompetete gerne munter und laut, wenn er allein war. Selbst er wusste nichts von den Bewegungsmeldern, die im Tresorbereich installiert waren – und auch nicht warum.
Das Casino und die Tarnhäuser
Der letzte Raum des Rundgangs, bevor es wieder nach oben geht, ist das Casino. Dies war der erste Tresor, wo die Ersatzwährung zunächst zwischengelagert wurde, bevor sie dann eingelagert wurde. Nach dem Jahrhunderthochwasser 1993 an der Mosel erwarb die Volksbank Cochem diesen Raum – ihre alten Schließfächer waren alle überflutet worden. Und so konnte das Casino mit Ledersesseln und ein bisschen Ambiente genutzt werden als Schließfachstandort (bis Anfang 2011). 2014 schließlich wurden die ersten Renovierungsarbeiten vorgenommen; seit 2016 gibt es Führungen durch ein Stück deutsche Zeitgeschichte, das still, aber spektakulär Absurdes zu erzählen hat. Dazu sollte man sich ein wenig Wärmendes anziehen, die Temperaturen liegen konstant bei circa zwölf Grad; die Führungen dauern circa eine Stunde.
Mit dem Bau des Bunkers wurden unterhalb des waldigen Gartengeländes auch zwei Einfamilienhäuser gebaut. Sie dienten der Tarnung des Unternehmens. In deren Garten stand dann praktisch das Gebäude mit dem Treppenabgang zum Bunker. Offiziell wurden in den Häusern Banker ausgebildet und geschult – so war immer Betrieb in der Umgebung, nie stand etwas leer, nie erweckte etwas Aufmerksamkeit. Hier lag einfach nur das Cochemer Schulungszentrum der Landeszentralbanken. Diese beiden Häuser dienen nun als ein kleines Hotel (www.hotel-vintage.de).
Jochen Marmit
Kontakt
Bundesbank-Bunker Cochem
Am Wald 35
56812 Cochem-Cond
Tel.: (02671) 91 53 540
www.bundesbank-bunker.de
Öffnungszeiten
1. Mai - 31. Okt. täglich 11.00 - 15.00 Uhr, Besuch nur mit Führungen.
Eintritt
Erwachsene 10,- €,
Kinder (12-17 Jahre) 5,- €,
Familien 23,- €,
Fotoerlaubnis 2,50 €.
Anfahrt
Von Saarbrücken über A 1/A 48 nach Ulmen, dann B 249 nach Cochem, über die Brücke nach Cond, erste links (Bergstraße), dann rechts „Am Wald” bis Ende der Straße (circa 160 Kilometer, rund 2 Stunden); Alternative mit der Bahn ab Saarbrücken über Trier und Bullay (circa 2,5 Stunden).
Tipp
Es gibt ein Shuttle ab der Cochemer Altstadt, Enderplatz (2,50 E), zu Fuß circa 15 Minuten über die Brücke nach Cochem-Cond; nur wenige Parkplätze wegen Wohngebiet am Bunker selbst.