Uschi Müller-Baltz und Conny Plank im Studio um 1966 (Foto: SR/Uschi Baltz privat)

"Und in der Technik: Conny Plank!”

Ein Produzenten-Genie beim SR

 

In seinem eigenen Studio produzierte er in den 70ern und 80ern Kraftwerk, Ultravox, die Eurythmics, DAF, Neu!, Devo und viele andere Künstler. Conny Plank, der 1987 mit nur 47 Jahren starb, gilt immer noch als wichtigster deutscher Pop-Musikproduzent. Mitte der 60er-Jahre war er Sendetechniker bei der Europawelle Saar des Saarländischen Rundfunks  und ging auch dort unkonventionell und mit viel Leidenschaft ans Werk.

Von Katja Preißner

“Dass die Musiktitel im Radio ineinander übergingen und die Moderatoren nach Rhythmus drübersprachen, hat Conny eingeführt”, erinnert sich die frühere Tontechnikerin Uschi Müller-Baltz. Sie kam 1964 als Sechzehnjährige zum SR und freundete sich direkt mit dem acht Jahre älteren Plank an.

“Die anderen Kollegen kamen in Hemd und Schlips zum Dienst. Conny nie! Der hatte schon Jeans an, als wir so was noch gar nicht kannten. Aber er kam ja aus der Kaiserslauterer Gegend und war sehr amerikanisiert.”

Konrad “Conny” Plank stammte aus einer streng katholischen Familie, erinnert sich der frühere SR3-Redakteur Friedrich Hatzenbühler - ebenfalls aus Kaiserslautern: “Sein Vater war Schullehrer, und es gab mindestens vier oder fünf Geschwister. Ich war mit ihm in dieser katholischen Jugendgruppe 'Neudeutschland'. Wir sind durch die Pfalz gelaufen und haben Wildwest gespielt. Er war so´n richtiger Bär. Wenn er gesagt hat: 'Das machen wir!', dann haben wir das gemacht.”

1963 oder Anfang 1964 muss Plank zum Saarländischen Rundfunk gekommen sein (und nicht zum WDR, wie es oft heißt). Leider finden sich in den Personalakten keine Hinweise mehr. Auch was er vor seiner SR-Zeit gemacht hat, ist nicht klar. Taucht man allerdings ins SR-Schallarchiv ab, kann man Plank selbst über seine Ausbildung sagen hören: “Dann entschied ich mich für irgendeinen technischen Beruf, wurde erst mal Starkstrom-Ingenieur und wollte dann überwechseln in das Computerfach, traf aber dort nur Leute mit grauem Anzug und weißem Schlips und bekam den Horror.” Der ebenfalls schon verstorbene Erich Werwie, legendärer SR1-Nachtmoderator, führte in den 70ern ein ausführliches Interview mit seinem Kumpel Conny. Ein wahrer Schatz im SR-Bestand! Dass Plank wirklich einen Ingenieurs-Titel führte, glauben seine Ex-Kollegen allerdings nicht.

Der Musik-, Technik- und Radio-Fan Conny Plank dockte also auf der jungen Europawelle an und wurde dort vermutlich auch für den Studio- und Sendebetrieb angelernt. Mit den Schlagern, die damals auf SR1 zu hören waren, konnte er wenig anfangen. “Conny stand auf alles Amerikanische, vor allem auf schwarze Musik. Aretha Franklin und James Brown”, erinnert sich Uschi Müller-Baltz. Das hinderte Plank aber nicht, auch Europawellen-Moderator Dieter Thomas Heck unter die Arme zu greifen: “Er hat immer ein bisschen mehr gemacht als er machen musste. Er hat dann irgendwann gesagt: 'Soll ich dir an der Stelle ein bisschen Hall drauf geben?' Ich sag: 'Du, mach das doch mal.'” Und so hörte sich Heck in einer SR1-“Schlagerparade” plötzlich sagen: “'Und hier ist die Nummer Eins-Eins-Eins-Eins...'. Auf solche Ideen kamen ja andere gar nicht.”

Natürlich erinnert sich auch der frühere Europawellen-Star Manfred Sexauer an Conny Plank: “Ich hab meine erste Sendung mit Conny gemacht.  Als Vertretung für Klaus Groth bei den 'Bunten Funkminuten'. Ich hab mich enorm vorbereitet, und der Conny hat mir damals sehr geholfen. Er sagte: 'Zu diesem Titel, musst Du jetzt nix sagen, da kommt Werbung.'” Sexauer muss heute noch darüber lachen: “Er hat mein ganzes Konzept verhagelt!” Egal, wen man fragt: An Conny Plank erinnern sich alle gern. “Conny war ein sehr guter Kollege, dem es auch nicht zu viel war, mal zwei Schichten hintereinander zu fahren”, so der frühere Tontechniker Karl-Heinz “Kalle” Wagner. “Aber er war auch ein bisschen aufmüpfig den älteren Kollegen gegenüber, die schon beim Reichsrundfunk waren. Denen war er ein Dorn im Auge.”

Autogrammkarte von Manfred Sexauer. (Foto: SR)
Autogrammkarte von Manfred Sexauer.

“Er war ein offener Mensch”, charakterisiert Jürgen Schlichting seinen früheren Kollegen. Auch der spätere Ü(bertragungs)-Dienst-Leiter arbeitete mit Plank auf der Europawelle zusammen: “Ein lieber, hilfsbereiter Mensch. Aber auch einer, der sich nicht alles gefallen ließ.” Still und ruhig – so war Ernst Beckers Eindruck von Conny Plank, als dieser einmal zu Becker ins Hörspiel-Studio kam: “Er wollte Gitarre spielen und das dann mit anderen Stimmen synchronisieren. Das haben wir ihm beigebracht. Er war für jeden Hinweis dankbar.”

Plank verstand sich offenbar auch gut mit dem früheren SR-Jazzredakteur Richard  Krueger und mit Europawellen-Moderator Clay Sherman. “Der war dann auch öfters im 'Hades' zu finden, wenn er einmal in der Woche aus Frankfurt hier rüberkam, um eine Spätabendsendung zu machen”, weiß Karl-Heinz Wagner. “Der 'Hades' war die Jazzkneipe in der Paul-Marien-Straße in Saarbrücken”, so Uschi Müller-Baltz, “und da waren lauter so 'bekloppte' Typen. Conny war auch sehr viel mit Fritz Maldener zusammen”, der verstorbenen saarländischen Jazz-Größe am Piano. Möglicherweise jammten die beiden auch zusammen, denn Karl-Heinz Wagner erinnert sich, dass Plank selbst Musik machte: “Er spielte ein Instrument. Ich glaube, es war Trompete. Und er hat auch in einer Jazz-Band mitgespielt.”

Außerdem erinnern sich die Kolleginnen und Kollegen an ein weiteres Faible von Conny Plank: “Er fuhr einen Mini-Cooper und war damit in Saarbrücken bekannt”, so Wagner. “Der Conny hat damals auch schon Musikgruppen aufgenommen”, berichtet Jürgen Schlichting. “Ich hatte ein selbstgebautes Mischpult, das er sich dann auslieh. Da konnte man sechs oder acht Mikrophone anschließen, und damit hat er in der Pfalz oder auch hier im Saarland Musik aufgenommen.”

1966 endete Planks Zeit beim Saarländischen Rundfunk abrupt. Eine (feucht-fröhliche) sogenannte ARD-Nacht, in der der SR das Nachtprogramm in die komplette Sendergemeinschaft ausstrahlte, wurde ihm zum Verhängnis. Manfred Sexauer moderierte damals, so Uschi Müller-Baltz, und “er hat irgendwann ins Mikro gesagt, wie das so üblich war, 'Conny und Uschi sind in der Technik'. Das hat eine Kollegin, die kurz zuvor gekündigt hatte, gehört und hat uns besucht.” Auch Sexauer erinnert sich daran: “Im Laufe dieser Nacht musste Conny mal kurz aus dem Studio und sagte zu der Kollegin 'Fahr du einen Moment die Sendung, du hast das ja oft genug gemacht'.” Karl-Heinz Wagner war ebenfalls damals dabei: “Die Frühschicht vom Schaltraum kam gerade, sah das und hat sich aufgeregt, dass eine 'Betriebsfremde' am Pult saß.“ Wurde Plank zur Strafe dazu verdonnert, im Umspielraum Bänder umzuschneiden statt Sendungen zu fahren? Schmiss er darum selber hin oder flog er direkt raus? Es ist nicht genau zu klären. “Er bekam sofort kein Geld mehr, deshalb hat meine Mama Lunchpakete für ihn gemacht, die ich ihm nach Hause brachte”, berichtet Uschi Müller-Baltz. “Er wohnte damals am Kieselhumes und blieb höchstens noch vier oder fünf Wochen in Saarbrücken.” Eine Party bei Jürgen Schlichting könnte die Abschiedsfeier für Conny Plank gewesen sein, meint Müller-Baltz. Als Datum hat sie den 9. Dezember 1966 im Fotoalbum notiert.

Uschi Müller-Baltz beim Einstellen einer Platte.  (Foto: Uschi Müller-Baltz privat/SR)
Uschi Müller-Baltz beim Einstellen einer Platte in der Senderegie von SR 1 Europawelle Saar (1966).

Und dann? Plank scheint nahtlos nach Köln gewechselt zu sein. Aber nicht zum WDR, wo sich übrigens ebenfalls keine Hinweise auf Plank in den Personalakten und im Archiv finden. Dafür erinnert sich der renommierte Produzent Wolfgang Hirschmann, ab 1967 im Kölner Rhenus-Studio mit Plank zusammengearbeitet zu haben. Möglicherweise hatte Dieter Thomas Heck hier Vermittler gespielt, tippt Uschi Müller-Baltz. Sie half im Rhenus-Studio öfter an der Seite von Plank aus, bevor sie 1971 weg vom SR nach Hamburg ging und auch dort wieder mehrfach mit Plank zusammenarbeitete.

Das bedeutete aber nicht, dass Conny Plank sich nicht mehr beim SR sehen ließ. “Da hatte er keine Scheu”, so Uschi Müller-Baltz, “obwohl ich glaube, dass er sogar Hausverbot hatte.” Aber beim SR arbeitete eben noch sein Freund Erich Werwie, den er immer wieder besuchte, erinnert sich Frank Laudenklos, der später für die Technik auf der Europawelle zuständig wurde. “Da war Conny meistens enorm gestresst, machte in einer Produktion eine kurze Pause und kam für ein, zwei Tage zu uns runter. Als wir uns über Technik unterhielten, sagte er mal 'Du, vieles andere ist mir zu sehr aus Büchern. Ich mach einfach'. Er war auch etwas versponnen und schweifte manchmal ab”, so Laudenklos. “Da ist man mitten in der Unterhaltung und merkt richtig: Plötzlich kommt ihm irgendeine Idee. Da war der auf einer anderen Wolke und hörte gar nicht mehr zu. Das ist aber normal.”

Wohl die Abschiedsparty von SR-Kollegen für Conny Plank im Dezember 1966: Von l. nach r.: Klaus Greinke, Sprecher; Hildegard Wachter, Tontechnikerin; Conny Plank, Sendungstechniker, Magdalena "Leni" Wagner, Karl-Heinz "Kalle" Wagner, Sendungstechniker Europawelle Saar; Gerlind Maurer, Tontechnikerin. (Foto: Uschi Müller-Baltz privat/SR)
Wohl die Abschiedsparty von SR-Kollegen für Conny Plank im Dezember 1966: Von l. nach r.: Klaus Greinke, Sprecher; Hildegard Wachter, Tontechnikerin; Conny Plank, Sendungstechniker, Magdalena "Leni" Wagner, Karl-Heinz "Kalle" Wagner, Sendungstechniker Europawelle Saar; Gerlind Maurer, Tontechnikerin.

Conny Plank hatte seine Berufung gefunden: der Popmusik zu aufregenden neuen Klängen zu verhelfen, die heute noch so frisch wirken, als wären sie gerade erst produziert. “Ich denke, er war beim SR nicht ausgelastet”, resümiert Uschi Müller-Baltz. “Er wäre nicht da geblieben. Wir mussten beide in die 'große weite Welt' hinaus.”

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz (ab); Mitarbeit: Thomas Braun (Bearbeitung), Michael Fürsattel (Archiv), Sven Müller (Archiv), Roland Schmitt, Hans-Ulrich Wagner

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