Zwei Schwimmbäder, Pferdestall und Reitplatz, Reithalle und Rehpark, Gartenteich und Gärtnerei – all das auf dem Saarbrücker Halberg, dem Sitz des Saarländischen Rundfunks? Ja, tatsächlich. All das und noch mehr Vergnügliches gab’s wirklich einmal, allerdings ehe der SR dorthin kam. Aus eigenem Erleben als Kind kann Kameramann Hendrik Stegner über diese Zeit erzählen. Da war der Halberg noch Botschafter-Berg.
Von Axel Buchholz
Schon ehe ab 1958 die ersten SR-Mitarbeiter dort einzogen, war Hendrik Stegner ein „Kind des Halbergs“. Er wurde 1947 geboren und arbeitete von 1968 bis 2007 beim SR. Wie es auf dem Halberg in den fünfziger Jahren aussah, weiß er noch genau. Sein Vater Ernst (später der erste SR-Gärtner) hatte 1952 auf dem waldigen Berg am Rand von Saarbrücken Arbeit und auch eine Wohnung gefunden – eingestellt als Gärtnermeister und Reitlehrer vom damaligen „Schlossherrn“. Das war Gilbert Grandval, der französische Botschafter im Saarland, damals ein teilautonomer Staat.
Grandval war nach dem Krieg französischer Militärgouverneur an der Saar geworden (1945 – 48), wurde dann „Hoher Kommissar“ (1948 – 52) und von 1952 bis zu seiner Verabschiedung am 30. Juni 1955 schließlich Botschafter. In allen drei Funktionen wohnte Frankreichs „Statthalter“ an der Saar auf dem Halberg, wahrscheinlich ab 1946. Im Schloss und den Nebengebäuden „residierte“ Grandval als Botschafter jedenfalls überaus standesgemäß mit seiner Familie, den engsten Mitarbeitern – und mit seinen vier Reitpferden. Mit denen sind auch Hendrik Stegners erste Halberg-Erinnerungen eng verbunden: „Der Pferdestall war einer unserer Spielplätze.“ Den Stall allerdings kann er heute nicht mehr zeigen. Er lag im Mitteltrakt des Wirtschaftsgebäudes, das ab 1959 für das neu entstehende Fernsehen des Saarländischen Rundfunks umgebaut wurde. Es hieß dann korrekt „U-Komplex“.
Sieben Jahre später (1966) musste es zusammen mit dem Wasserturm abgerissen werden, um Platz für das jetzige Konferenzgebäude zu schaffen. Auch wenn das „Pferdestall-Studio“ als Teil der SR-Geschichte fortlebt, so ganz korrekt ist der Name nicht. Das eigentliche Fernsehstudio wurde im rechten Trakt des u-förmigen Wirtschaftsgebäudes gebaut. „Da waren vorher Garagen“, erzählt Stegner. Immerhin: Auch im Pferdestall selbst entstanden provisorische Räume für das SR-Fernsehen.
„Hier habe ich Reiten gelernt, und zwar ohne Sattel“, erzählt Hendrik Stegner. Und deutet auf das Hörfunkgebäude – denn zuvor lag dort der große Reitplatz, eingezäunt mit weißen Holzstangen und bestückt mit Baumstämmen als Hindernissen. „Von denen sind wir als Kinder auf die Pferde geklettert“.
Die nächste Attraktion für Kinder war damals nicht weit entfernt. Am rechten Ende des Reitplatzes schlossen sich ein Spielplatz mit Schaukel sowie ein Rondell mit Pavillon und einem kleinem Teich an.
„Abseits aller politischen Spannungen und Auseinandersetzungen im Lande hatten wir Halberg-Kinder damals hier das Paradies auf Erden“, schwärmt Hendrik Stegner und zeigt dann auf die fensterlose untere Ecke des Verwaltungsgebäudes hin zum Hörfunkbau. „Hier konnten wir immer schwimmen (bei gutem Wetter ebenfalls im Schwimmbecken am Rand der Schlossterrasse) und auch Tischtennis spielen.“
Das einstige Hallenbad mit Freizeitraum wurde nicht abgerissen sondern teilweise in den SR-Verwaltungsbau einbezogen. Anfänglich als provisorischer Feuerwehrteich vorgesehen, wurde es später zum Aktenarchiv umgebaut. Der gekachelte Beckenboden hat das überstanden, ein attraktives Wandgemälde leider nicht. Es stammte vom Augsburger Maler Karl Kunz, der 1947/49 und 1959/60 an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken unterrichtete.
Auf der anderen Seite des heutigen Verwaltungsbaus direkt im Anschluss an das Hallenbad standen früher die Gärtnerei und das Gewächshaus. Direkt davor lag ein riesiger Garten mit Nutz- und Zierpflanzen, größer als heute die Rasenfläche zwischen den Rundfunkbauten mit dem Fernsehumsetzer in der Mitte. Frisches Obst und Gemüse für den Botschafter-Haushalt gab es also reichlich – und vermutlich auch für seine französischen und deutschen Bediensteten. Die Kinder jedenfalls hatten jederzeit freien Eintritt in ihren Garten Eden.
An der unteren Ecke der Gärtnerei, hin zum heutigen Fernsehbau, lag das Waschhaus der Botschafter-Residenz. Es musste ebenso den SR-Neubauten weichen wie das ganz in der Nähe gelegene zweite Bedienstetenhäuschen noch aus den Schlossbau-Zeiten (1877-1880) des „Industrie-Barons“ Carl Ferdinand von Stumm-Halberg. Abgerissen ist auch die Reithalle, die in der Nähe der heutigen SR-Garage stand. „Der daran angebaute Heuschober war ein idealer Platz zum Versteckspielen“, ist Hendrik Stegner immer noch begeistert.
Ein anderer „Spielplatz“ für die Halberg-Kinder konnte etwas gefährlicher werden: der hohe (inzwischen abgerissene) Torbogen an der Seite von Schloss Halberg hin zum heutigen Restauranteingang und Parkplatz. Der war damals ein großer Ziergarten mit wohl zwei angrenzenden Tennisplätzen. Beim Tennisspielen zuzusehen, war aber längst nicht so spannend wie über den Torbogen zu klettern. Bei dieser Mutprobe gab es nämlich gleich zwei Herausforderungen: erstens wohlbehalten die andere Seite zu erreichen. Und zweitens, dabei nicht von Angehörigen des „Wachbataillons“ erwischt zu werden. Diese Einheit des Saarbataillons der saarländischen Polizei hatte direkt dahinter oben im Schloss ihre Schlafstuben und unten in der linken Schlossecke ihre Aufenthaltsräume (später die erste SR-Kantine). Wurde Klein-Hendrik beim verbotenen Klettern erwischt, war die Strafe unausweichlich: Polizeistiefel putzen.
Das freilich beeinträchtigte keineswegs die ansonsten hervorragenden Beziehungen zwischen den Polizisten des Saar-Bataillons und den Kindern, die alljährlich im Herbst ihre Blütezeit erlebten. Da lockten nämlich die vielen Esskastanien-Bäume die Saarbrücker immer wieder in den Halberg-Wald – obwohl es streng verboten war, das eingezäunte und bewachte Gelände ohne Erlaubnis zu betreten. Zum Kastaniensammeln gab’s die aber nicht. Also behalf man sich mit „zufällig“ entstandenen Löchern im Zaun. Das Wachbataillon ging in der Kastanienzeit besonders häufig und gern Streife, denn erwischte „Kastanien-Diebe“ mussten zur Strafe nicht nur Stiefel putzen, sondern zudem ihre Beute abgeben. Damit belohnten sich dann abends die Wachbataillons-Polizisten selbst. Zum Essen der Röstkastanien luden sie öfter mal die Kinder ein. Wohl auch, weil die gelegentlich „Ermittlungshilfe“ geleistet hatten. Schließlich kannten sie sich im Halberg-Wald aller bestens aus.
Zu den Halberg-Kindern gehörte auch Erwin Hartenberger. Er wurde 1951 sogar (fast) auf dem Halberg geboren: im Hausmeister-Haus, das (bis heute erhalten) links unten an der Auffahrt zum Halberg liegt. Dort wohnten sein Vater Erwin, der Haus- und Maschinenmeister der Botschafterresidenz (und dann des SR) und seine Mutter Josephine, die spätere erste Telefonistin des SR. Sohn Erwin hat seine Halberg-Kinderzeit auch in bester Erinnerung: „Es war wie ein Traum“. So rund zwölf seien sie gewesen, vier Gärtnerskinder, er, seine Schwester Monika, einige Kinder französischer Botschaftsmitarbeiter und die beiden des Botschafters selbst. Die hätten wie selbstverständlich dazugehört – es sei denn, sie wurden von ihrer Gouvernante zurück ins Schloss beordert.
Erwin Hartenberger hat noch zahlreiche Details im Gedächtnis: die vielen Tiere zum Beispiel wie das verletzte und verlassene Rehkitz, das sie in der Familie aufgezogen haben oder an den eingezäunten Rehpark hinter dem Schwimmbecken für den Sommer unterhalb der Schlossterrasse.
Auf „Müllers Hof“, dem Bauernhof nicht weit unterhalb seines Elternhauses, reizten ihn besonders die stämmigen Ackerpferde, auf die er sich schon mal setzen durfte. Die Felder des Bauernhofs reichten auf der einen Seite bis ins Kolbenholz vor Schafbrücke und Richtung Saarbrücken bis zur Brebacher Landstraße. Auch der gegenüberliegende Eschberg war damals noch unbebaut – ein Riesenspielplatz für die Kinder und für den Botschafter Grandval reichlich Platz zum Ausreiten auch außerhalb des umzäunten Halbergs.
Monsieur Babin (?), der Chefkoch des Botschafters, hat sich in klein Erwins Gedächtnis eingeprägt, weil er von dem so sehr mit allerlei Leckerem vollgestopft wurde, dass Vater Erwin Protest einlegen musste.
Die Polizisten vom Wachbataillon, die am Pförtner- und Hausmeisterhaus das Tor und die Schranke zur Straße auf den Halberg rund um die Uhr bewachten, rangieren gleich hinter dem Chefkoch – schließlich passten sie zwischendurch auch mal auf klein Erwin auf, wenn die Eltern und seine Schwester ausgegangen waren. Besonders ist Erwin Hartenberger natürlich seine Zeit mit Radiovater Viktor Lenz als das „Fritzche vom Babbe“ in Erinnerung. Aber das ist ein anderes Fundstück, weil da schon der SR-Hörfunk auf dem Halberg eingezogen war.
Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz (ab); Mitarbeit: Sven Müller, Eva Röder und Roland Schmitt sowie Rainer Freyer (www.saar-nostalgie.de)