Saar-Fraktionen äußern sich zu AfD-Urteil

Jost befürwortet AfD-Einstufung als Verdachtsfall

Mit Informationen von Aaron Klein   13.05.2024 | 20:56 Uhr

Saar-Innenminister Jost und die Fraktionen von SPD und CDU haben die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster, das die Beobachtung der AfD als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz bestätigt hat, begrüßt. Die AfD-Fraktion sieht ihre Partei als Opfer.

Der Verfassungsschutz darf die AfD bundesweit als rechtsextremistischen Verdachtsfall behandeln. Das hat das Oberverwaltungsgericht in Münster entschieden. Die Entscheidung gilt auch für die AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative". Damit hat das Gericht in Münster ein Urteil aus der Vorinstanz bestätigt. Der Verfassungsschutz darf also weiterhin nachrichtendienstliche Mittel zur Beobachtung der Partei einsetzen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht in Münster hatte in seinem Urteil keine Revision zugelassen. Die AfD kann aber Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig einlegen – und wird das eigenen Angaben zufolge auch tun. "Wir werden selbstverständlich die nächste Instanz anrufen", sagte AfD-Bundesvorstandsmitglied Roman Reusch laut einer Mitteilung der Partei.

Jost: AfD keine normale Partei

Der saarländische Innenminister Reinhold Jost (SPD) befürwortet das Urteil. Es mache klar, dass die AfD keine normale Partei sei, sondern ein rechtsextremistischer Verdachtsfall – damit werde die AfD auch im Saarland als Verdachtsfall beobachtet, sagte Jost im SR-Interview.

Es sei zudem ein gutes Beispiel für einen funktionierenden Rechtsstaat. Das "Geschrei der AfD", der Verfassungsschutz sei nur ein Erfüllungsgehilfe der Politik, sei haltlos und soll laut Jost nur von den rechtlichen Grundlagen ablenken.

Die AfD könne zwar noch vors Bundesverwaltungsgericht ziehen. Aber: "In einem funktionierenden Rechtsstaat akzeptieren Demokraten die Urteile der Justiz, nachdem der Rechtsweg bis zum Ende beschritten wurde", so Jost.

Commerçon: AfD größte Gefahr die Demokratie

Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Ulrich Commerçon, nannte die AfD ein "Sammelbecken von Rechtsextremen und Hetzern". Er verwies dabei auch darauf, dass große Teile der Saar-AfD eine große Nähe zum formell aufgelösten rechtsextremen "Flügel" der Partei hätten.

Damit sei sie die größte Gefahr für eine offene Gesellschaft und die freiheitliche Demokratie, so Commerçon. "Das heutige Urteil macht deutlich, dass unsere Demokratie sich gegen Verfassungsfeinde verteidigen muss und kann."

Innenminister Jost befürwortet AfD-Einstufung als Verdachtsfall
Audio [SR 3, Moderation: Nadine Thielen, 13.05.2024, Länge: 04:42 Min.]
Innenminister Jost befürwortet AfD-Einstufung als Verdachtsfall
Saar-Innenminister Reinhold Jost hat die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster, das die Beobachtung der AfD als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz bestätigt hat, befürwortet. Es mache klar, dass die AfD keine normale Partei sei.

Toscani: AfD weiter inhaltlich entkräften

CDU-Fraktionschef Stephan Toscani ergänzte, die AfD betreibe das Geschäft Putins. Verstrickungen in Richtung Moskau müssten weiter aufgedeckt werden können. Trotzdem müsse die AfD weiter inhaltlich entkräftet werden.

Für den AfD-Fraktionsvorsitzenden Josef Dörr ist das Urteil unfair seiner Partei gegenüber. Die Gerichte in Deutschland seien von der Regierung eingesetzt und urteilten deshalb nicht unabhängig. Der Verfassungsschutz schütze außerdem die Regierung und nicht die Verfassung.

Linden: Beobachtung nur eine mögliche Maßnahme

Der Politikwissenschaftler Professor Markus Linden von der Universität Trier zeigte sich im SR-Interview wenig überrascht von der Münsteraner Entscheidung. Ein Gericht habe „wieder einmal“ festgestellt, dass die AfD „eine Partei ist, wo es ausreichend Anhaltspunkte gibt, sie zu beobachten, weil sie extremistische Bestrebungen enthält“. Die AfD sei, so Linden, „eine im Kern rechtsradikale und rechtsextemistische Partei“.

Ein Verbotsverfahren, wie jetzt auch wieder von den saarländischen Grünen und verschiedenen anderen Seiten gefordert wird, hält der Politikwissenschaftler durchaus für möglich. „Aber dabei wird außer Acht gelassen, dass es noch andere Maßnahmen der sogenannten wehrhaften Demokratie gibt, die ja gerade in der Endphase der Weimarer Republik nicht ergriffen wurden und die deshalb bei uns eigentlich fest verankert sind.“

Kritik an Politik

Als Beispiel nannte Linden den Beamtenstatus. „Ich halte es für wenig überzeugend, dass Beamte als Lehrer oder gar Polizisten Mitglieder in einer verfassungsfeindlichen Partei sein können. Ein anderes Mittel ist zum Beispiel die Parteienfinanzierung. Auch da könnte ein Antrag gestellt werden.“

Derzeit aber werde keine der zur Verfügung stehenden Maßnahmen genutzt – mit Ausnahme der Beobachtung durch den Verfassungsschutz, so Linden weiter. Und dabei kämen Dinge heraus, „die ich auch als jemand, der keine geheimdienstlichen Methoden anwendet, so sehe, und was auch offen präsentiert wird, diese Nähe zur Identitären Bewegung zum Beispiel“.

Russland- und China-Verstrickungen schaden eher

Die Auswirkungen der aktuellen Verstrickungen der AfD nach Russland und China auf die anstehenden Wahlen hält der Politikwissenschaftler für begrenzt. Die AfD werde auch von überzeugten Rechtsextremisten gewählt. Es könne aber Protestwähler abschrecken und damit der AfD schaden.

Nützen, so Linden, würde der Partei dagegen eine weitere Normalisierung, „wenn man zum Beispiel mit einem Neofaschisten wie Herrn Höcke in einer Fernsehshow über Gehacktes oder Mett diskutiert“ – gemeint ist damit das TV-Duell zwischen Björn Höcke und dem Thüringer CDU-Politiker Mario Voigt Mitte April beim Sender „Welt“. „Das ist meines Erachtens nicht angemessen.“

Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten am 13.05.2024 berichtet.


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