Im Saarland ist unser Dialekt weit verbreitet und Teil der saarländischen Identität und Kultur. Viele lieben ihn, manche hassen ihn. Wir haben mit euch, mit Personen aus Wissenschaft, Kunst und Sport gesprochen, um rauszufinden, wie ihr zum Dialekt steht – und warum.
Eins ist klar: Dialekt verbindet uns. Wer außerhalb der Heimat unterwegs ist und Leute trifft, die Saarländisch sprechen, fühlt direkt eine gewisse Connection. Gleichzeitig grenzt uns unser Dialekt aber auch ab. Von Menschen, die einen anderen Dialekt sprechen, von Menschen, die Hochdeutsch sprechen, aber auch innerhalb vom Saarland selbst. Wir haben im Saarland zwar zwei größere Dialektgruppen, die Feinheiten unterscheiden sich aber von Dorf zu Dorf.
Rheinfränkisch und Moselfränkisch – das sind grob die zwei Dialekt-Gruppen, die wir im Saarland haben. Getrennt werden die beiden durch die „das-dat-Grenze“, die grob durch Völklingen, Lebach und St. Wendel läuft. Rheinfränkisch spricht man also zum Beispiel in Saarbrücken, Homburg oder Neunkirchen. Moselfränkisch eher in Merzig, Saarlouis und Perl.
Im Saarland gibt es vergleichsweise viele Menschen, die noch im Dialekt sprechen, aber das ändert sich gerade. Rhein- und Moselfränkisch stehen beide auf der Liste der aussterbenden Dialekte der Unesco.
Gründe dafür gibt's viele: zum Beispiel sind wir immer mehr unterwegs, sowohl in Deutschland, als auch international – wir verlassen unsere Dialekt-Bubble also häufiger. Auch auf Social Media werden wir tagtäglich vor allem mit Standarddeutsch konfrontiert. Generell wird der Dialekt immer seltener weitergegeben, deshalb fällt der Dialektverlust vor allem unter jungen Leuten auf.
Dialekte haben ein schlechtes Image, das schreiben ihnen zumindest zahlreiche Studien zu. Dialekte sollen unprofessionell und provinziell sein. Das National Bureau of Economic Research hat in einer Studie 2020 rausgefunden, dass Leute, die Dialekt sprechen, in Deutschland durchschnittlich sogar zwanzig Prozent weniger verdienen. Die Angst vor'm Dialekt ist also nicht ganz unbegründet.
Trotzdem bringt der Dialekt auch positive Aspekte mit sich, beispielsweise die Vielfalt: viele Dinge lassen sich im Dialekt viel besser ausdrücken. Dialekte liefern Beschreibungen, die es im allgemeinen Sprachgebrauch einfach nicht gibt. Außerdem schaffen sie Verbundenheit und Heimatgefühl. Die Sicht auf den Dialekt ist also zwiegespalten.
Wir haben deshalb auf den Straßen im Saarland nach dem Dialekt gesucht und ihn bei Menschen gefunden, die sich auf ganz verschiedenen Arten mit ihm auseinandersetzen. Das haben wir in einer Videoreihe festgehalten:
Clara weiß als zweifach-ausgezeichnete Saarlandmeisterin im Poetry-Slam mit Sprache umzugehen. Sie bewegt sich im Poetry-Slam in einem Bereich, in dem Sprache zum Spiel wird. Einen Text im Dialekt hat sie auf einer Meisterschaft trotzdem noch nicht gehört – und sich deshalb kurzerhand entschieden, selbst einen zu schreiben.
Dabei erzählt sie von einem Moment, den wahrscheinlich viele von uns kennen: An der Uni auf den Dialekt angesprochen werden, merken, dass man manche Dinge ganz anders sagt als andere – und als Reaktion versuchen, sich den Dialekt so schnell wie möglich abzutrainieren. Um später zu checken, dass er doch viel cooler ist, als gedacht.
Wie Clara zum Dialekt auf der Bühne gefunden hat, was er für sie bedeutet und warum es in der Poetry schwer ist, ihn ernst zu nehmen, erzählt sie im Video.
Dr. Augustin Speyer ist Professor an der Universität des Saarlandes für Systematik und Grammatik und forscht mit dem Projekt RuMS über die Rhein- und Moselfränkischen Syntax. Dabei geht's darum, was eigentlich das Faszinierende am Dialekt ist, was ihn ausmacht und auch warum generell immer weniger Menschen Bock auf ihn haben.
Im Video erklärt er nochmal genau, was es mit der "das-dat-Grenze" auf sich hat. Aber vor allem auch, warum im Saarland vergleichsweise viele Leute zum Dialekt stehen, warum Dialektsprechen für unser Gehirn der Normalzustand ist und warum man ihn mit Jugendsprache vergleichen kann.
Als ehemaliger Profifußballer hat Mannan Abdul Ibrahim viele verschiedene Dialekte und Kulturen kennengelernt, sei es in seiner Heimatstadt Aleppo, in Damaskus oder beim Asia Cup in Katar. All das musste er wegen des Kriegs hinter sich lassen und ist nach Deutschland geflohen.
Seit 2015 wohnt Ibo in Saarlouis. Schon zwei Tage nach seiner Ankunft im Saarland stand er wieder auf dem Fußballplatz. Inzwischen ist er hier in Saarlouis Trainer und Spielerberater. Im Saarland hat er eine ganz andere Kultur kennengelernt und erzählt im Video, wie es ist, mittem im Dialekt Deutsch zu lernen, wie er die erste Zeit hier wahrgenommen hat und wie er jetzt selbst internationalen Spielern helfen will.
Natürlich haben wir nicht nur mit Personen aus Wissenschaft, Kunst und Sport gesprochen, sondern auch mit euch! Unter anderem mit Sarah. Denn nicht an vielen Orten spielt der Erhalt des Dialekts so eine große Rolle, wie in der Fastnachtswelt.
Sarah engagiert sich schon lange in ihrem Heimatverein in Besch und war als Karnevalsprinzessin zwei Jahre lang mittendrin. Dazu gehört ständig auf Prunksitzungen unterwegs sein, Hände schütteln, den Verein repräsentieren, Smalltalk führen – bei kaum was anderem, erlebt man die kleinen Unterschiede und Eigenheiten von den Dialekten der verschiedenen Ortschaften so intensiv.
Im Video erzählt sie davon, welche Rolle der Dialekt im Verein spielt und und erinnert sich an ihre erste Rede - natürlich auf Saarländisch.
Artikel vom 22.04.2024