Die Chasa Parli im schweizerischen Val Müstair
Vor sieben Jahren kaufte der Schriftsteller Tim Krohn mit seiner Familie die Chasa Parli im Val Müstair im Schweizer Kanton Graubünden. Die gut vierhundert Jahre alte Chasa Parli wurde aufgemöbelt, seitdem ist das Haus voller Magie und Geschichten ein Rückzugsort für Schriftsteller und Künstler, umgeben von beeindruckender Natur, bis auf 3000 Meter hoch sind die Berge. Susanne von Schenck hat sich die Chasa Parli von Tim Krohn zeigen lassen und sich dort einquartiert.
"Tim Krohn, wohnhaft in Santa Maria Val Müstair, 59 Jahre, ehemals Schriftsteller, nicht mehr wirklich aktiv im Moment, weil der Markt es nicht mehr hergibt und dafür umso mehr mit diesen Häusern beschäftigt."
„Diese Häuser“ – dazu gehört die Chasa Parli, ein über 400 Jahre altes stattliches Haus direkt an der befahrenen Durchgangsstraße von Santa Maria. Der Name geht auf die früheren Eigentümer, die Parlis, zurück. Schreibende und nachdenkliche Menschen, so Tim Krohn, können sich dort einmieten. Er selbst wohnt mit seiner Frau und vier Kindern ein paar Meter weiter die Straße hinunter. Santa Maria ist der Hauptort des Val Müstair, des Münstertals.
"Das ist ein sehr kraftvoller Ort, ein sehr schöner Ort, der auch schon irgendwo eine heilende Wirkung hat an sich."
Das Val Müstair ist ein Wanderparadies, eine – noch –relativ untouristische Region im östlichsten Zipfel der Schweiz, direkt an der Grenze zu Italien. Nicht nur Tim Krohn, Verfasser zahlreicher Romane und Krimis, zog es mit seiner Familie nach Santa Maria, sondern auch Donna Leon. Ihr Haus, ein prachtvoller Palazzo, liegt dem Wohnhaus der Krohns genau gegenüber.
Sie ist dauernd unterwegs als Schriftstellerin, sie ist noch sehr aktiv. Sie ist unsere Nachbarin, bringt uns ihre Milch, wenn sie nicht ausgetrunken ist, bevor sie wegreist. Wir nehmen ihre Päckchen in Empfang, was man halt so tut unter Nachbarn.
Mit der Schriftstellerei konnten Tim Krohn und seine Frau Micha die wachsende Kinderschar nicht mehr ausreichend ernähren. Die Familie lebte damals mitten in Zürich. Als das Paar durch einen Zufall von der renovierungsbedürftigen Chasa Parli hörte, schlug es zu, kratzte Geld zusammen und kaufte das Haus 2017 – die Bank ist allerdings noch Miteigentümer. Die Krohns hatten viele Ideen, um die Renovierung zu finanzieren: Crowdfunding, Unterstützer konnten sich gegen Geld Geschichten schreiben lassen, Sponsoren haben Gastrecht in den Zimmern. Ein Erfolg.
"Was allen, die hierherkommen, guttut, ist die Stille, die uns hier umgibt. Die Kraft der Natur, die so groß ist, dass sie uns in eine kleinere Position wirft. Das ist sehr hilfreich für die Kunst.“
Micha Friemel, Tim Krohns Frau und ebenfalls Schriftstellerin kümmert sich auch um die Gäste der Chasa Parli. Gerade hat sie Sybill Häusermann begrüßt, eine bildende Künstlerin aus Zürich.
Ich bin angekommen mit dem Postauto und ausgestiegen und irgendwann habe ich ‚ne Stimme gehört, die gefragt hat: Bist du Sybill? Und ich: hä? Und dann war Micha da und hat mich empfangen an der Busstation. Das hat mich sehr berührt.
Auf drei Stockwerke verteilt befinden sich sechs Atelierräume zum Schlafen und Arbeiten, eine Gemeinschaftsküche, Esszimmer, Lounge und Leseecke. Unten im Büro liegen neben Büchern und Karten über die Gegend auch Wärmflaschen für kalte Abende – es ist an alles gedacht. Mit einem ausgeprägten Sinn, das Alte zu erhalten, wurde das Gebäude behutsam renoviert, erzählt Tim Krohn bei einer Hausführung und bleibt im Obergeschoß vor einer Bücherwand stehen.
"Hier in dem Regal dann Bücher, die hier entstanden sind in den letzten fünf Jahren oder von Leuten, die hier waren und uns aber ein früheres von sich geschenkt haben. Also es ist alles von den schreibenden Menschen, die hier zu Besuch waren.“
Zum Beispiel von der inzwischen leider verstorbenen Ruth Schweikert „Wie wir älter werden“ oder „Out of the Box“ von Matthias Morgenthaler. Auch der Berliner Autor Andreas Schäfer war schon zweimal in der Chasa Parli und arbeitete dort an seinem Roman „Die Schuhe meines Vaters“.
Ich bin extra zum Arbeiten hingefahren, von daher bin ich auch zum Arbeiten gekommen. Natürlich ist die Umgebung schon sehr einladend und eine große Versuchung, vom Schreibtisch aufzustehen. Denn dieses Tal ist wunderschön, schlängelt sich so bis Italien runter. Aber wir haben gearbeitet.
Im Lauf der Jahre hat es sich herumgesprochen, dass in Santa Maria dieser besondere Rückzugsort existiert.
"Die meisten kommen jetzt für eine Woche, vielleicht zwei. Am Anfang waren es vor allem ein, zwei, drei Monate, wirklich um zu arbeiten, und auch das leisten sich nicht mehr so viele.“
Ab ungefähr 90 Euro pro Nacht kann man sich in der Chasa Parli einmieten; je länger man bleibt, um so günstiger wird es. Am Geld, da lässt Tim Krohn mit sich reden., sollte der Aufenthalt nicht scheitern. Und länger bleiben sollte man auf jeden Fall. Oder wiederkommen.
Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 17.12.2024 auf SR kultur.