Anzeigetafel am Flughafen (Foto: dpa)

Diese Ansprüche haben Fluggäste

Yvonne Schleinhege   14.07.2017 | 10:42 Uhr

Wer einen Flug Saarbrücken-Berlin bei Air Berlin bucht, sollte sich auf Verspätungen und Flugausfälle einstellen. Die sind mittlerweile mehr Normalität als die Ausnahme. Das ist aber nicht nur bei Air Berlin so. Die Beschwerden über Flugausfälle und Stornierungen häufen sich in Deutschland. Welche Rechte haben eigentlich Fluggäste?

Für viele Saarbrücken-Berlin-Pendler sind Verspätungen und Flugausfälle mittlerweile mehr Normalität als die Ausnahme. Fluggäste von AirBerlin mussten in den letzten Monaten viel Geduld und Nerven aufbringen. Dementsprechend haben nicht nur im Saarland, sondern auch bundesweit die Beschwerden über Probleme mit dem Flug deutlich zugenommen. Welche Rechte Fluggäste haben, erklärt der SR3-Verbrauchertipp.

Die Beschwerden über Flugausfälle und Stornierungen häufen sich in Deutschland. Nach Zahlen der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personennahverkehr (SÖP) haben sich im ersten Halbjahr rund 6900 Reisende an die staatlich anerkannte Einrichtung gewendet. Laut "Handelsblatt" sind das fast 30 Prozent mehr Beschwerden als im Vorjahreszeitraum. Wachsenden Reiseärger gibt es vor allem bei den AirBerlin-Kunden. In Saarbrücken sind nach SR-Informationen zuletzt nur 94 Prozent der AirBerlin-Flüge überhaupt gestartet oder gelandet - mitunter stundenlange Verspätungen gar nicht eingerechnet.

Flüge zwischen Saarbrücken und Berlin sind oft verspätet oder fallen aus. Deshalb drängt nun auch die Landesregierung auf schnelle Besserung. Im Studiogespräch informiert Karin Mayer aus der SR 3-Wirtschaftsredaktion über die Probleme bei Air Berlin und den Stand der Verhandlungen.

Ansprüche: EU-Fluggastrechteverordnung

Verspätungen oder Flugausfälle sind zwar immer ein Ärgernis, Fluggästen stehen aber Entschädigungen zu. Geregelt wird das in der sogenannten EU-Fluggastrechteverordnung, so Michael Sittig von der Stiftung Warentest. Verspätet sich ein Flug um mehr als drei Stunden und mehr am Endziel oder wird sogar gestrichen, haben Passagiere ein Recht auf eine finanzielle Entschädigung für die verlorene Zeit. Je nach Streckenlänge stehen den Fluggästen zwischen 250 Euro (bis 1500km) und 600 Euro (über 3500 km) zu. Was der Flug gekostet hat, spielt dabei keine Rolle. Auch bei Billigfliegern oder Pauschalreiseangeboten gilt die EU-Verordnung. Der Kunde kann seine Rechte allerdings nur geltend machen, wenn eine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt ist: Das Flugzeug startet innerhalb der EU oder die Airline hat einen Sitz in einem EU-Land. Darüber hinaus hat der Fluggast auch das Recht auf Verpflegung , ab zwei Stunden Verspätung gilt dies auch für einen Flug von Saarbrücken nach Berlin.

Kein Geld bei außergewöhnlichen Umständen

Grundsätzlich müssen die Airlines bei Verspätungen ab drei Stunden oder Flugausfällen zahlen. Allerdings gibt es Ausnahmen, wenn außergewöhnliche Umstände zu der Verspätung geführt haben. Dazu gehört etwa das Wetter (z.B. plötzlicher Nebel oder Unwetter), Streiks oder Sicherheitsrisiken wie Terrorwarnungen oder politische Instabilität. Aber auch der Zusammenprall mit einem Vogel gilt als Grund. Geben die Fluggesellschaft oder der Flughafen technische Probleme an, sollte man sich aber nicht so leicht abweisen lassen, so der Rechtsexperte von der Stiftung Warentest Michael Sittig, denn oftmals handle es sich hierbei nicht um außergewöhnliche Umstände. Im Zweifel ist hier die Airline in der Beweispflicht. Auch bei einer Überbuchung sind die Gründe nicht von Belang.

Praktische Tipps: Bestätigung und Quittungen

Um Ansprüche später auch ordentlich geltend machen zu können, ist es wichtig, ein paar Tipps beachten. So raten Verbraucherschützer, sich am Schalter der Airline die Verspätung oder den Ausfall schriftlich (mit Begründung) bestätigen zu lassen. Außerdem sollte man alle Quittungen für Essen, Trinken, Taxi oder Hotel aufbewahren. Fällt der Flug aus und der Reisende kann erst am nächsten Tag weiterfliegen, sollte man sich über den Infodesk der Airline eine Hotelempfehlung oder ggf. eine Bahnkarte als Alternative geben lassen, so Michael Sittig.

Entschädigung einfordern: Musterschreiben

Um eine Entschädigung zu bekommen, wendet man sich zunächst an die Airline. Das geht auch mit einem entsprechenden Musterschreiben. Auf den Internetseiten des ADAC, der Stiftung Warentest oder der Finanztipp findet man entsprechende Anschreiben. Hier gibt man die Entschädigung ein, alle weiteren angefallenen Kosten und schickt das Dokument unterschrieben an die Fluggesellschaft. Die genaue Flugstrecke lässt sich mit Hilfe eines Rechners ermitteln. Hilfreiche ist hier zum Beispiel die Internetseite luftlinie.org. Die Verspätung herausfinden, auch solche die bereits einige Monate zurückliegen, kann man über die englischsprachige Internetseite flightstats. Wichtig ist: auch wenn der Flug schon etwas zurückliegt, können noch Ansprüche geltend gemacht werden. So gilt auch bei Flügen die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren, so der Rechtsexperte Sittig.

Wenn die Airline nicht zahlen will: Schlichtungsstelle

Lehnt die Airline die Forderung ab, kann man sich Hilfe bei der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personennahverkehr (SÖP) holen. Sie vermittelt im Streit zwischen Passagieren und der Airline und wird von der Bundesregierung und der EU-Kommission anerkannt. Alle deutschen Fluggesellschaften, aber auch EasyJet und Ryanair haben sich ihr angeschlossen. Bevor man sich an die SÖP wenden kann, muss man sich aber zunächst selbst erfolglos bei der Fluggesellschaft beschwert haben und ihr zwei Monate Zeit lassen, um zu reagieren. Lenkt sie nicht ein, kann man online über die Internetseite der Schlichtungsstelle einen Schlichtungsantrag stellen. Die Schlichter kümmern sich nicht nur um die Entschädigung, sondern auch um Kosten für verloren gegangenes Gepäck oder notwendige Taxifahrten oder Hotelkosten. Wichtig ist: Die Schlichtungsstelle versucht eine einvernehmliche Lösung zu finden, d.h. möglicherweise bekommt man nicht die volle Entschädigung bzw. Kosten erstattet. Die Schlichtungsstelle ist allerdings für Verbraucher kostenlos.

Kommerzielle Anbieter: Portale für Fluggastrechte

Neben der SÖP gibt es aber auch kommerzielle Portale, die für Passagiere eine Entschädigung durchsetzen. Kommerzielle Unternehmen wie Flightright, Fairplane oder Euclaim streiten für Fluggäste mit den Airlines. Bei Erfolg erhält der Kunde die Entschädigung - abzüglich einer Provision. Diese kann bei bis zu 30 Prozent der Entschädigungszahlung liegen, so Michael Sittig von der Stiftung Warentest. Vorab prüfen die Portale, ob eine Aussicht auf Erfolg besteht. Ist die Prüfung positiv, braucht das Portal eine schriftliche Vollmacht und die Nachweise über die Verspätung oder Absage. Im Juni 2016 hat die Stiftung Warentest zuletzt solche Portale untersucht. Ganz grundsätzlich könne man sie Fluggästen empfehlen. Manche Fluggastportale bieten inzwischen auch eine sogenannte Sofortentschädigung an. Der Dienstleister kauft ausgewählten Fluggästen seinen Entschädigungsanspruch ab, dafür enthält der Kunde sofort Geld. Der Nachteil: Hier sind noch höhere Provisionen fällig.  Wer weder die Schlichterstelle oder ein Portal nutzen will, kann natürlich auch selber klagen. Hat die Klage Erfolg, so muss laut Stiftung Warentest die Airline die Entschädigung, Gerichtskosten und ggf. Anwaltskosten zahlen.

Über dieses Thema wurde auch in der Sendung "Dein Vormittag" am 14. Juli 2017 berichtet.

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