Die Mehrwegpflicht - ein guter Reinfall?

Die Mehrwegpflicht - ein guter Reinfall?

Gut zu wissen

Lisa Christl   08.05.2024 | 10:20 Uhr

Ob Coffee to go oder Sushi zu Hause, wer Essen oder Getränke nicht im Restaurant zu sich nehmen will, kommt um den Plastikmüll kaum herum. Dabei sollte damit doch mehr oder weniger Schluss sein. Das war zumindest die Idee mit der Einführung der Mehrweg-Angebotspflicht.

Die Deutschen verursachen pro Kopf jährlich knapp 230 Kilogramm Verpackungsmüll und sind damit europaweit an der Spitze. Und über die letzten beiden Jahrzehnte hinweg betrachtet, ist die Menge des Verpackungsmülls deutlich gestiegen. Das betrifft vor allem Papier und Plastik.

Alternative als Pflicht

Seit dem 1. Januar 2023 gilt die Mehrweg-Angebotspflicht in Deutschland. Anbieter von to-go-Speisen müssen seitdem neben den herkömmlichen Plastik-Einwegverpackungen auch Pfandgeschirr anbieten. Eine Ausnahme sind kleine Betriebe – etwa Imbissbuden – mit maximal fünf Beschäftigten und maximal 80 Quadratmetern Verkaufsfläche. Sie sollen aber auch mitgebrachte Behälter akzeptieren.

Schlecht umgesetzt, fehlende Kontrolle

Ziel des Gesetzes ist, insbesondere Einwegverpackungen aus Kunststoff zu ersetzen. Aber auch über ein Jahr nach Inkrafttreten kritisieren Umwelt- und Verbraucherschützer die noch immer mangelnde Umsetzung und fehlende Kontrolle. „Das führt dazu, dass keiner das Gesetz ernst nimmt und das eigentliche Ziel, Mehrweg in die Fläche zu bringen, verfehlt wird“, merkt Barbara Metz an, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe.

Keine Nachfrage, kein Angebot

„Die Restaurants sind überrascht, dass die Nachfrage so gering ist“, so Frank Hohrath, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel und Gaststättenverbands (Dehoga) Saarland. Christian Jung von der Saarbrücker Wurst-Wirtschaft Kalinski bestätigt das: „Von 1000 Kunden nutzen das vielleicht drei.“

Diesen Punkt kritisiert Metz: „Wenn Pflichten nicht kontrolliert werden, dann werden sie ganz oft nicht eingehalten. Zu diesen Pflichten gehört nicht nur, das Angebot zu machen, sondern auch aktiv darüber zu informieren.“ Daraus folge, dass die Nachfrage so gering sei.

Auch Untersuchungen zeigen, dass nur ein Bruchteil der Gastronomiebetriebe der Angebotspflicht angemessen nachkommen, wie die Verbraucherzentrale Berlin, der WWF oder die Deutsche Umwelthilfe getestet haben.

Bisher kein einheitliches Pfandsystem

„Anders als beim Flaschenpfand haben wir kein einheitliches System“, bemängelt Hohrath. So gibt es beispielsweise die lokalen und überregionalen Poolsysteme. Für Silke Fass von der Bakery in Saarbrücken eigentlich ganz simpel: „Die Idee ist, dass man in München in den Zug steigt und in Berlin den Becher wieder abgeben kann.“

Beispiele dafür sind die Systeme der Unternehmen Vytal oder Recup. „Eine flächendeckende Pool-Lösung wäre gut“, so Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe. Darüber sind sich Metz und Hohrath einig: „Ein nationales Pfandsystem wäre für alle Beteiligten besser,“ ergänzt der Dehoga-Hauptgeschäftsführer im Saarland.

Schlupflöcher Alu, Papier und Karton

Neben den Pool-Lösungen gibt es aber auch Betriebe mit eigenen Pfandlösungen. Solche verwenden etwa McDonalds oder Starbucks. Sie nutzen allerdings auch Schlupflöcher im Gesetz, so Metz. „Die Mehrwegs-Angebotspflicht macht bestimmte Ausnahmen. Zum Beispiel dann, wenn eine Verpackung aus 100 Prozent Papier besteht.“ Dann braucht es nämlich keine Mehrwegalternative.

Aber eine Einwegverpackung bleibt eine Einwegverpackung, die kurz verwendet wird und im Müll landet, so Metz weiter. Das löse das Müll- und Ressourcenproblem also nicht. Mit dem Gesetz sollte aber genau diesem Problem begegnet werden.

Was gemacht werden kann

„Ich sag mal so: Gut gemeint ist nicht gut gemacht“, fasst Barbara Metz zusammen. Sie sieht die Politik in der Verantwortung, solche Schlupflöcher und die mangelnde Information zu beseitigen. Aber auch jeder einzelne könne etwas bewirken.

Wer technisch affin ist, kann sich beispielsweise per App das nächstgelegene Mehrweg-Bistro raussuchen. Gerade Unternehmen überregionaler Pfandsysteme bieten einen entsprechenden und meist kostenlosen Service an. Bei der Bestellung im Restaurant oder im Imbiss kann das Mehrweggeschirr dann per QR-Code kostenlos ausgeliehen werden. Wer das Geschirr nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist zurückbringt, kauft es automatisch. 

Auch eigene Dosen sind erlaubt

Ansonsten gilt fast immer: Einfach mal mit der eigenen Dose hingehen und fragen. Selbst wenn kein Mehrweg-Pfand vor der Tür beworben wird. Denn fragen kostet nichts und bewegt vielleicht auch die Pommesbude um die Ecke dazu, auf die Einweg-Schale zu verzichten. Zumindest für das eine Mal.

Über dieses Thema berichtet SR 3 Saarlandwelle am 08.05.2024.

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