Stempel Schuldenbremse (Foto: IMAGO / Steinach)

Die rechtlichen Risiken des saarländischen Transformationsfonds

Christian Leistenschneider   22.09.2022 | 06:32 Uhr

Mit neuen Krediten von bis zu drei Milliarden Euro will die saarländische Landesregierung den Strukturwandel bewältigen. Und das trotz Schuldenbremse. Welche rechtlichen und finanziellen Konsequenzen das haben könnte.

Mit ihrem geplanten Transformationsfonds über drei Milliarden Euro würde die SPD-Landesregierung ins Risiko gehen: Die Rendite durch Arbeitsplätze und Steuereinnahmen sollen am Ende die Last der Schulden, die auf rund 18 Milliarden Euro ansteigen könnte, übersteigen. Doch das Projekt birgt bereits vorher Risiken.

Denn es ist umstritten, ob das Land überhaupt neue Schulden aufnehmen darf. Das ist im Rahmen der Schuldenbremse nämlich nur möglich, wenn eine „außergewöhnliche Notsituation“ vorliegt.

Entscheiden muss darüber der Landtag. Ob die von der Landesregierung ins Feld geführte Kombination aus durch den Ukrainekrieg ausgelöste Energiekrise, besonders starke Betroffenheit der Saar-Wirtschaft und besonders schwache Finanzkraft des Landes dafür als Rechtfertigung trägt, ist laut Oppositionsführer Stephan Toscani (CDU), „die große, die spannende, die entscheidende Frage“.

Verfassungsrechtler mit großen Vorbehalten

Es ist aber bei weitem nicht die einzige Frage, sagt der Verfassungsrechtler Christoph Gröpl von der Universität des Saarlandes. Der Jurist, der vergangenes Jahr mit einem Normenkontrollantrag der hessischen SPD und CDU gegen das dortige Corona-Sondervermögen Erfolg hatte, hält es vor allem für kritisch, dass die Ziele des Fonds nicht in einem hinreichenden Zusammenhang zur Notlage des Energiepreisschock durch den Ukrainekrieg stünden.

„Der Transformationsfonds soll eingesetzt werden für Innovation, für Industriepolitik, für den Strukturwandel. Das sind alles hervorragende Ziele, bloß: Sie dürfen nicht mit Notlagenkrediten finanziert werden“, sagt Gröpl. Derartige Kredite müssten auf die Bekämpfung der Notlagesituation abzielen und dafür notwendig sein, argumentiert Gröpl. Das sei bei dem geplanten Transformationsfonds aber nicht zu erkennen.

Ein weiteres gravierendes Problem sei die zehnjährige Laufzeit des Fonds. Das sei ein unzulässig langer Zeitraum, moniert der Jurist. Es sei nicht abzuschätzen, ob der Ukrainekrieg und die Folgen in dieser gesamten Zeit noch eine Rolle spielen: „Die Schuldenbremse erfordert eine jährliche Prüfung, ob die Notlage noch vorliegt.“

Aus all diesen Gründen empfiehlt Gröpl der Landesregierung, „von dem Projekt in der derzeitigen Ausgestaltung Abstand zu nehmen“.

Verfahren vor Verfassungsgerichten möglich

Sollte die Landesregierung bei ihren Plänen bleiben und einen entsprechenden Nachtragshaushalt per Gesetz verabschieden, könnte das gleich vor zwei Verfassungsgerichten angefochten werden, warnt Gröpl: vorm Verfassungsgerichtshof des Saarlandes und vorm Bundesverfassungsgericht, jeweils per „abstrakter Normenkontrolle“.

Im Saarland könnte die CDU-Fraktion im Landtag vor Gericht ziehen, denn sie besitzt dort die nötige Mindestzahl von einem Drittel der Mandate, erläutert Gröpl. Weil die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert ist, könnte der Transformationsfonds aber auch vorm Bundesverfassungsgericht landen. Dazu müssten laut Gröpl ein Viertel der Mitglieder des Bundestages, die Bundesregierung oder eine andere Landesregierung Klage einreichen.

Hätte ein entsprechender Antrag vor Gericht Erfolg, hieße das im Regelfall, dass die gesetzliche Grundlage für die Kredite nichtig wäre, so Gröpl. Der Fonds wäre damit hinfällig, die verbundenen Kreditermächtigungen müssten in den Kernhaushalt umgebucht werden oder verfallen. In Ausnahmefällen könne es aber auch möglich sein, dass das Gesetz nur nachgebessert werden müsste.

Allerdings wäre die Frage, welches Interesse es an einem Vorgehen gegen das saarländische Sondervermögen geben könnte, also ob tatsächlich jemand vor Gericht ziehen wird. Denn auch die CDU im Land hält zumindest die Ziele des Transformationsfonds für richtig.

Stehen Sanierungshilfen auf dem Spiel?

Die Verfassungsgerichte sind aber nicht die einzigen Instanzen, von denen dem Saarland wegen des Transformationsfonds Ungemach drohen könnte. Denn auch ohne vorangegangene Klage prüft der Stabilitätsrat, ein Gremium aus Vertretern von Bund und Ländern, die Einhaltung der Schuldenbremse.

Sollte dieser Rat einen Verstoß gegen die Schuldenbremse feststellen, könnte er das Saarland dazu verpflichten, Sanierungsprogramme auszuarbeiten. Sanktionieren könnte er das Land wegen des Transformationsfonds jedoch nicht.

Das jedoch könnte zumindest indirekt eine Instanz tun, die auch am Stabilitätsrat beteiligt ist: das Bundesfinanzministerium. Ihm kommt eine Schlüsselrolle zu. Denn das Bundesfinanzministerium überwacht jene Sanierungshilfen in Höhe von 400 Millionen Euro des Bundes für das Saarland, vor deren möglichem Verlust Saar-CDU-Chef Toscani nachdrücklich gewarnt hat.

Prüfung erst 2024

Diese Sanierungshilfe erhält das Saarland seit 2020. Sie soll laut Gesetz dazu dienen, die Vorgaben der Schuldenbremse einzuhalten; mit dem Erhalt des Geldes verpflichtet sich das Land im Gegenzug aber auch, dies zu tun. Außerdem muss das Land seine Schulden abbauen.

Ob das Saarland diesen Verpflichtungen nachkommt, wird vom Bundesfinanzministerium geprüft. Das passiert turnusgemäß allerdings erst 2024 für einen zweijährigen Berichtszeitraum, teilte das Ministerium auf Anfrage mit.

Sollte das Land die Vorgaben des Sanierungshilfengesetzes nicht erfüllen und weniger Schulden als vorgegeben tilgen, könnte der Fehlbetrag vom Ministerium einbehalten werden, erläutert ein Sprecher. Allerdings könnte das Land auch da einen „begründeten Ausnahmefall“ geltend machen, der dann vom Finanzministerium anerkannt werden muss.

Ein Vorteil für das Saarland könnte es sein, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) derzeit vor allem darauf drängt, dass die Schuldenbremse 2023 wieder bundesweit eingehalten wird. Und die würde das Saarland nicht reißen, da die Kreditermächtigungen in einem Nachtragshaushalt 2022 beschlossen werden sollen. Am Gesamtschuldenstand würde das zwar nichts ändern, es könnte Lindners Finanzministerium am Ende aber milder stimmen, so die Hoffnung der Landesregierung.

Über dieses Thema berichten auch die SR-Hörfunknachrichten am 22.09.2022.

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