Knochenbrüche besser heilen und virtuelle Berührungen körperlich spüren

Knochenbrüche besser heilen und virtuelle Berührungen körperlich spüren

Lisa Christl   18.04.2024 | 13:39 Uhr

Auf der am Montag startenden Hannover Messe ist auch das Saarland mehrfach vertreten – unter anderem mit zwei Projekten der Universität des Saarlandes. Dabei geht es um virtuellen Hautkontakt und Implantate, um Knochenbrüche schneller und besser zu heilen.

Die Hand auf der Schulter, ein Streicheln am Arm, eine Umarmung: Solche Berührungen vermitteln Sicherheit, Geborgenheit und Nähe. Das merkt man vor allem dann, wenn sie fehlen, wie zum Beispiel bei Videoanrufen.

Aber was, wenn Nähe wichtig ist? Wenn zum Beispiel das Kind krank ist, aber die Eltern nicht zu ihm können? Gerade schwer kranken Kindern auf Isolierstationen fehlt Körperkontakt. Aber für diese Kinder und ihre Eltern wäre es enorm wichtig.

Infos kompakt

Die Hannover Messe findet vom 22. bis 26. April täglich von 9.00 Uhr bis 18.00 auf dem Messegelände in Hannover statt. Der Gemeinschaftsstand des Saarlandes steht in Halle 2, Stand B10.

Weitere Aussteller mit saarländischer Beteiligung: Zenner (Hallo 14, Stand H06), Hydac (Halle 13, Stand C44), Infor Deutschland (Halle 15, Stand B14), Scheer PAS (Halle 15, Stand F27), SESA Systems (Halle 2, Stand C41), Meta-Level Software (Halle 6, Stand B57), DFKI (Halle 8, Stand D18), Mittelstand Digitalzentrum Saarbrücken (Halle 16, Stand D09)

Vom virtuellen zum echten Hautkontakt

Das fachübergreifende Team im Forschungsprojekt „Multi-Immerse“ will dafür eine Lösung finden. „Das Projekt soll Kindern in Quarantäne die Möglichkeit geben, auch körperlich mit ihren Eltern zu interagieren“, erklärt Professor Paul Motzki vom Lehrstuhl für intelligente Materialsysteme an der Universität des Saarlandes.

Die Idee ist, dass sich diese Personen nicht physisch in der Realität treffen können, mittlerweile aber Treffen in der virtuellen Welt möglich sind. Die Frage, die sich also stellt: Wie kann man das noch realistischer gestalten? Schnell gehe es dann um tatsächliche körperliche Berührungen, so Motzki.

Wie eine Uhr, nur anders

Lukas Roth, studentische Aushilfskraft, hat den ersten Prototyp gebaut: ein Gerät, das an eine etwas zu groß geratene Smartwatch in Giftgrün erinnert – nur ohne Digitalanzeige. Auf der Rückseite ist eine Membran aus Plastik so dünn wie Frischhaltefolie. Sie soll die Schnittstelle zur virtuellen Welt sein. Ähnlich wie die Haut Schnittstelle des menschlichen Körpers zur realen Welt ist.

„Man zieht es auch an wie eine normale Uhr und hat dann diese Membran auf der Haut“, beschriebt Lukas und schaltet das Gerät ein. „Jetzt füllt sie sich mit Luft und bewegt sich.“

Sipontina Croce, Lukas Roth, Paul Motzki (Foto: Lisa Marie Christl / SR)
Sipontina Croce, Lukas Roth und Paul Motzki mit dem Prototyp ihrer Erfindung.


An zwei Orten, aber ein Streicheln spüren

Das solle den Druck einer Fingerspitze nachstellen, ergänzt Professor Paul Motzki und beschreibt, was daraus noch weiterentwickelt werden soll: „Wenn wir zum Beispiel mehrere solcher Blasen hintereinander und nebeneinander in ein eng anliegendes Shirt einbauen, dann lässt sich eine Streichbewegung nachbilden.“

In einem Textil eingearbeitet sollen die Folien also künftig die Berührungen auf die Haut des Kindes übertragen, die entstehen, wenn Mutter oder Vater andernorts über ein zweites smartes Textil streichen. Exakt diese Deformation, die durch die Bewegung entsteht, soll die Folie dann imitieren.

An und mit Kindern testen

Das sei aber erst der übernächste Schritt, meint Projektleiterin und Doktorandin Sipontina Croce. Zunächst sollen Kinder an der Uniklinik in Homburg die Uhren ausprobieren. „Das ist der Test, den wir diese Woche machen. Und dann werden wir sehen, wie es auf der Haut reagiert und was wir dann noch ändern müssen.“

Noch zwei Jahre läuft das Projekt. Bis dahin soll die Technologie reifen. Denn das Verfahren lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen. Etwa auf Computerspiele oder in die Industrie.

Am Stand in Hannover

Auf der Hannover Messe demonstriert das Team seine Technologie mit der „Uhr“. Für den Studenten Lukas eine große Sache: „Ich dachte, ich mache den Prototyp nur für das Projekt und dann habe ich gehört, dass er auch auf Messen geht. Da ist man auf jeden Fall stolz.“

Permanenter Blick ins Bein

Am Gemeinschaftsstand des Saarlandes auf der Hannover Messe wird Paul Motzkis Forschungsteam ein weiteres Projekt aus dem medizinischen Bereich vorstellen. Dieses soll Knochenbrüche künftig besser heilen. Denn der Heilungsprozess bei einem solchen Bruch funktioniere nicht immer wie geplant. „Es kann immer sein, dass sich im Bruch kein neuer Knochen bildet“, sagt Motzki. „Das sieht man dann aber erst Wochen später auf dem Röntgenbild.“

Dem Problem soll begegnet werden, indem ein neuartiges Implantat einen permanenten Blick ins Bein ermöglicht. Es soll den Heilungsverlauf ununterbrochen beobachten, kontrollieren und sogar gezielt aktiv fördern.

Mikro-Massage und Infos aufs Handy

„Dieses Implantat kann sich im Gegensatz zu klassischen bewegen und den Knochen zusammenziehen – einfach per Knopfdruck.“ Diese Mikro-Massage soll die Knochenheilung durch Wachstumsreize fördern. Das funktioniere dank bestimmter Drähte, die gleichzeitig als Sensoren dienen. Die Sensoren ermöglichen es dann, Daten über den Knochenbruch direkt auf einem Smartphone abzulesen.

Das mache es dann später etwa für die behandelnden Ärzte und Physiotherapeuten einfacher, so Motzki. Denn die Informationen über den Zustand des Bruches wären gebündelt und jederzeit in einer App abzulesen.

Drahtlose Akkuladung am Bein

„Die Energieversorgung haben wir so konzipiert, dass ein kleines Akkupad mit implantiert wird. Was so platziert wird, dass es von außen durch Induktion geladen werden kann“, erklärt Motzki weiter. Also ähnlich wie beim drahtlosen Laden eines Smartphones. 

Dieses Projekt ist schon weit gediehen. Der nächste Schritt sei der Versuch an Tieren, bevor es am Menschen getestet werden könne.

Außerdem in Hannover

Neben der Universität des Saarlandes werden in Hannover vierzehn weitere Institute und Forschungseinrichtungen am Gemeinschaftsstand vertreten sein, darunter die Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes und das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Auch Unternehmen wie Zenner oder Hydac International werden mit eigenen Ständen in den Messehallen zu finden sein.

Die Hannover Messe ist eine der größten und wichtigsten Industriemessen weltweit. Hierher kommen viele Entscheider aus der Industrie - nach Angaben der Messebetreiber auch viele mit konkreten Investitionsabsichten.


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