Saar-Fraktionen haben unterschiedliche Ansätze zur Pflegeversicherung

SPD und VdK fordern eine Pflegeversicherung für alle

Mit Informationen von Denise Friemann und Emil Mura   07.10.2024 | 18:50 Uhr

Die finanziellen Probleme bei der Pflegeversicherung haben die Debatte um eine grundlegende Reform des Systems wieder entfacht. Neue Vorschläge gibt es allerdings nicht: SPD und VdK wollen gesetzliche und private Pflegeversicherung zusammenlegen, die CDU will das nicht.

Die Pflegeversicherung in Deutschland befindet sich offenbar in einer ziemlich schlechten Lage. Schon ab Februar nächsten Jahres könnte sie nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland zahlungsunfähig sein. Das Bundesgesundheitsministerium hat dem am Montag zwar widersprochen, aber finanzielle Probleme eingeräumt.

Commerçon: keine Zwei-Klassen-Gesellschaft

Die SPD-Fraktion im saarländischen Landtag sprach sich angesichts der neuen Zahlen erneut für eine Zusammenlegung von gesetzlichen und privaten Versicherungen aus. Es könne im Gesundheitswesen keine Zwei-Klassen-Gesellschaft geben, sagte Fraktionschef Ulrich Commerçon. Er forderte eine „solidarische Bürgerversicherung“ – also eine Zusammenlegung des öffentlichen und des privaten Systems.

Pflegeversicherung kurz vor der Pleite?
Audio [SR 3, Moderation: Simin Sadeghi / im Gespräch: Jan Zimmermann, ARD-Hauptstadtsudio, 07.10.2024, Länge: 03:50 Min.]
Pflegeversicherung kurz vor der Pleite?

Das sei in der Vergangenheit immer an CDU und FDP auf Bundesebene gescheitert. Tatsächlich spricht sich auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Stephan Toscani gegen eine Zusammenlegung der Systeme aus. Die drohende Zahlungsunfähigkeit sieht er in der schwächelnden Wirtschaft und dem demografischen Wandel begründet.

Video [aktueller bericht, 07.10.2024, Länge: 3:09 Min.]
Pflegekrise: Streit um Lösungen im saarländischen Landtag

Toscani: Bund soll Pflegeversicherung bezuschussen

Daran werde auch eine Zusammenlegung nichts ändern, so Toscani. Stattdessen solle der Bund die Beiträge erhöhen und die Pflegeversicherung bezuschussen. Für SPD-Fraktionschef Commerçon wäre das zwar auch eine Akutlösung, aber auf keinen Fall eine langfristige.

Für den AfD-Fraktionsvorsitzenden Josef Dörr gibt es ad hoc keine Lösung für dieses Problem. Eine Erhöhung der Beiträge dürfe es jedenfalls nicht geben.

Springborn: Zusammenlegung brächte Zeit für grundlegende Reform

Neben der SPD sprach sich auch der saarländische Landesgeschäftsführer des Sozialverbandes VdK, Peter Springborn, im SR-Interview für eine Zusammenlegung von privater und gesetzlicher Pflegeversicherung aus.

Pflegeversicherung vor der Pleite: VdK fürchtet finanzielle Mehrbelastung
Audio [SR 3, Moderation: Simin Sadeghi/im Gespräch: Peter Springborn, VdK Saarland, 07.10.2024, Länge: 03:57 Min.]
Pflegeversicherung vor der Pleite: VdK fürchtet finanzielle Mehrbelastung

Bei der privaten Pflegeversicherung seien viel weniger pflegebedürftige Menschen versichert als im gesetzlichen System – bei gleichen Beiträgen und Leistungen. Das habe dazu geführt, dass bei der privaten Versicherung über die Jahre 50 Milliarden Euro Überschuss aufgelaufen sein, während es bei der gesetzlichen Pflegeversicherung nur fünf Milliarden waren.

„Wenn man dieses Geld zusammenführen würde, hätte man zumindest die Luft, in Ruhe über einen Reset der Pflegeversicherung und über vernünftige Reformen nachzudenken und müsste nicht nur über Akutmaßnahmen reden“, sagte Springborn.

Beitragserhöhung unausweichlich

Letzteres, die diskutierte stärkere Erhöhung des Versicherungsbeitrages, hält Springborn für unausweichlich. Die Bevölkerung altere weiter, so Springborn. Wenn es auch für seine Generation, die bald in Rente gehe, eine angemessene Pflege im Alter geben solle, „dann müssen wir uns überlegen, wer das bezahlen soll. Und das werden im Zweifel wir selber sein.“

VdK fordert Länder zur Beteiligung auf

„Auf Sicht“, so Springborn, werde an einer Beitragserhöhung kein Weg vorbei führen. Die werde für das, was die Pflegeversicherung im Moment leistet, aber bei Weitem nicht ausreichen. Im Saarland lägen die Eigenbeiträge von Pflegebedürftigen derzeit im Schnitt bei 3166 Euro pro Monat. „Das kann sich letztlich ja keiner mehr leisten.“ Bei etwa der Hälfte der Betroffenen müsse das Sozialamt einspringen.

Von den Ländern fordert der VdK, dass sie wieder „die Aufgaben übernehmen, die ihnen eigentlich vom Gesetz zugewiesen worden sind, nämlich die Investitions- und Ausbildungskosten zu tragen“. Auch die Nächstenpflege zuhause müsse gestärkt werden – also die Pflege von Angehörigen zuhause. Das verhindere höhere Kosten, werde aber von der Politik seit Jahren vernachlässigt.

Über dieses Thema hat auch die SR 3 Region am Nachmittag vom 07.10.2024 berichtet.


Diskussionen rund um die Pflege

Wenn europäische Verordnungen die europäische Idee aushebeln
Pflegesachleistungen gibt es nicht grenzüberschreitend
Auf der einen Seite der Grenze leben und auf der anderen Seite arbeiten, das ist im Saarland und in Lothringen gang und gäbe. Das ist Europa. Doch nach wie vor gibt es Probleme wegen seltsamer Verordnungen. So zum Beispiel bei Pflegesachleistungen.
Ende der ambulanten Pflege
Scharfe Kritik am Kommunikationsverhalten der AWO
Nach der Bekanntgabe der Schließung eines Seniorenheims in Elversberg hat die Arbeitwohlfahrt vergangene Woche auch bekannt gegeben, sich aus der ambulanten Pflege zurückzuziehen. Im Gesundheitsausschuss des Landtages wurde diese Entscheidung am Mittwoch heiß diskutiert - und das Kommunikationsverhalten der AWO scharf kritisiert.
Zu niedrige Zuschüsse für die gestiegenen Kosten
AWO Saar zieht sich aus der ambulanten Pflege zurück
Für viele Betroffene ist die ambulante Pflege die bessere Alternative. Doch es gibt Probleme. Die AWO im Saarland hat nun angekündigt, sich aus der ambulanten Pflege zurückzuziehen, weil das Angebot wirtschaftlich ein Minusgeschäft sei. Und dieses Problem hat wohl nicht nur die AWO, wie eine Umfrage des Diakonischen Werks ergeben hat.
Gebäudesanierung zu teuer
AWO-Seniorenzentrum in Elversberg schließt
Das Seniorenzentrum der AWO in Elversberg stellt seinen Betrieb zum 30. November dieses Jahres ein. Laut Träger hat dies ausschließlich wirtschaftliche Gründe: Eine Sanierung des Gebäudes sei nicht finanzierbar. Nach SR-Informationen werden außerdem die ambulanten AWO-Pflegedienste in Saarbrücken und St. Wendel eingestellt.
Hohe Nachfrage nach Plätzen
Erste Tagesbetreuungsstätte für Junge Pflege eröffnet
Für junge Pflegebedürftige im Saarland gibt es jetzt ein speziell ausgerichtetes Betreuungsangebot. In Merzig können bis zu zehn Menschen täglich betreut werden. Die Nachfrage nach den Plätzen war schon vor der Eröffnung groß.

Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja