Sollen Perler Mieter rausgeekelt werden?

Überall Bauschutt, zum Teil kein Strom: Mieter einer großen Wohnsiedlung in Perl erheben schwere Vorwürfe gegen ihre Vermieter. Diese wollten sie mit unredlichen Mitteln aus ihren Wohnungen vertreiben. Die Eigentümer widersprechen.

Säckeweise Bauschutt, alte Türen, Farbeimer, Holzlatten. Über Monate hinweg liegen Tonnen von Müll und Dreck in und vor der denkmalgeschützten Wohnsiedlung in der Perler Bahnhofstraße. „Man kommt sich vor wie ein Assi, wenn man sagt, man wohnt hier in der Bahnhofstraße“, erzählt Anwohner Marco Eckardt. „Ich gehe in den Laden, die Leute sagen: ‚Was ist denn bei euch los? Wie sieht es denn da aus?‘“, bestätigt Nachbarin Marcelle Schlumpberger-Frisch.

Das haben die Mieter auch schon ihren Vermieter und die Hausverwaltung gefragt. Mehrfach – auch schriftlich – haben sie diese dazu aufgefordert, den Müll zu entsorgen. Entsprechende E-Mails liegen dem SR vor. Denn für den Bauschutt ist der Hausbesitzer verantwortlich, eine Gesellschaft aus Sindelfingen in Baden-Württemberg.

Kaufen, sanieren, verkaufen

Seit Jahresbeginn gehört die Siedlung mit ihren 18 Häusern offiziell dem Unternehmen mit Namen MRD Saar Immo. Vor knapp zwei Jahren gegründet, hat sich dieses auf Geschäfte mit saarländischen Mehrfamilienhäusern spezialisiert.

Aktuell gehören dem Unternehmen nach eigenen Angaben rund 200 Wohnungen im Saarland, darunter auch die Siedlung in Perl. Im Gegensatz zu anderen Immobilien, die gekauft, aufgehübscht und wieder verkauft werden sollen, wolle das Unternehmen diese Siedlung als Mietobjekt langfristig halten.

Auf Freude folgt Frust

Nur ausgerechnet hier hakt es. Über Jahrzehnte war ein gewaltiger Sanierungsstau entstanden. Es gibt noch nicht einmal Zentralheizung. Als deshalb schon im vergangenen Sommer die neuen Käufer Bauarbeiter schickten, herrschte unter den Mietern Aufbruchstimmung. Doch die währte nicht lange. Seitdem die Arbeiten in den Dachgeschossen begannen, lag der Schutt herum.

Seit Monaten ohne Strom

Auch in manchen Wohnungen offenbaren sich Mängel. Marco Eckardt etwa klagt über Feuchtigkeit in zwei Räumen. Schimmel hat sich gebildet, der Putz bröckelt ab. Mehrfach habe er in den vergangenen Monaten die Hausverwaltung telefonisch kontaktiert – getan habe sich nichts.

Noch härter hat es Marchelle Schlumpberger-Frisch getroffen. Sie hat seit gut vier Monaten keinen Strom, wie sie dem SR erzählt. Entstanden sei der Schaden bei Bauarbeiten im Haus.

Kabel zur Nachbarin

Notdürftig behilft sie sich mit einem Verlängerungskabel, das sie von ihrer Wohnung zu Mietern ins Nachbarhaus gelegt hat – damit sie wenigsten in einem Zimmer Strom hat. „Im Wohnzimmer habe ich dann meine Kaffeemaschine, eine Kochplatte“, schildert sie ihre Lebensumstände.

„Ich fühle mich im Stich gelassen. Ich habe immer angerufen.“ Am Telefon habe ihr die Hausverwaltung versprochen, sich zu kümmern. Obendrein bekam sie im April eine Mieterhöhung, so wie die anderen Mieter auch. Bei manchen waren es fast 20 Prozent.

„Klare Entmietung!“

Ein weiterer Anwohner der Siedlung äußert seine Befürchtung: „Eine ganz klare Entmietung. Glasklar!“ Die Vermieter wollten ihn und seine Nachbarn loswerden – denn bei Neuvermietung lässt sich mehr Miete verlangen. Er komme aus Berlin, habe so etwas dort schon zwei Mal mitgemacht.

Aus der Luft gegriffen scheint diese Befürchtung nicht. MRD Saar Immo – die Abkürzung „MRD“ steht übrigens für „Milliarden“ – macht in sozialen Netzwerken wie Instagram und Tiktok viel Werbung für sich und das eigene Geschäftsmodell.

In einem Post auf dem Instagram-Kanal der MRD Saar Immo vom vergangenen November sagt einer der Geschäftsführer: „Ich freue mich, wenn meine Mieter keine Lust mehr auf mich haben, denn so kann ich meine Immobilie profitabler machen.“ Will die Immobiliengesellschaft ihre Perler Mieter also vertreiben, um mehr Profit zu machen?

Besitzer widerspricht

„Das Ziel ist nicht, die Leute rauszuekeln“, verspricht Philipp König, einer der vier Geschäftsführer von MRD und Chef der Hausverwaltung. „Das Ziel ist wirklich, die Anlage zu sanieren, die Wohnqualität zu steigern.“ Und das für Bestands- und Neumieter. Einige Wohnungen in der Siedlung stehen aktuell leer.

Auch zu den übrigen Vorwürfen bezieht König Stellung. Allgemein hätten sich in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Mängel angestaut. „Wir können nicht in vier Monaten alles beheben, das geht nicht“, sagt er.

Speziell vom Schimmel bei Eckardt habe die Hausverwaltung keine Kenntnis gehabt. Eckardt sagt, er habe vielfach angerufen, Anfang Mai eine E-Mail geschrieben. Diese liegt dem SR vor. Beide liegen aktuell aber auch noch wegen ausstehender Mieten im Streit.

Besserung in Sicht

Marcelle Schlumpberger-Frisch hat die Hausverwaltung mittlerweile ein preislich vergleichbares Ausweich-Quartier angeboten, in das sie kurzfristig einziehen kann. Dann könnten Handwerker in ihrer Wohnung die Elektrik neu verlegen. Die Mieterhöhung gelte für Schlumpberger-Frisch aktuell nicht, verspricht König. Zudem stellt er der Mieterin Schadensersatz in Aussicht.

„Waren sehr erschrocken“

Beim Thema Bauschutt hat sich auf Bitten der Mieter vor einigen Wochen die Gemeinde Perl eingeschaltet. „Wir waren doch sehr erschrocken“, erinnert sich Bürgermeister Ralf Uhlenbruch (CDU) an einen Besuch in der Siedlung. „Wir haben dann dafür Sorge getragen, dass der Müll entfernt werden sollte.“

Seit dieser Woche, also nach rund einem dreiviertel Jahr, ist der Schutt weitgehend beseitigt. „Mit dem Generalunternehmer, den wir beauftragt hatten, gab es Probleme“, begründet Geschäftsführer König den langen Verzug. Jetzt sei ein neuer Generalunternehmer beauftragt, der habe den Schutt beseitigt.

Umbau auf Eis

Die Sanierungsarbeiten in der denkmalgeschützten Siedlung ruhen indes bereits seit März. Die zuständige Bauaufsicht hatte die Baustelle stillgelegt. Noch stehen Genehmigungen für die Umbau-Pläne der neuen Siedlungs-Besitzer aus.

Der Streit um die Perler Bahnhofsiedlung ist am 16.05.2024 auch Thema in der Sendung „Wir im Saarland – Das Magazin“ um 18.50 Uhr im SR Fernsehen, danach auch in der ARD-Mediathek.

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