Dafür kämpfen, die Bürger mitzunehmen
Gut informiert und gesellschaftlich engagiert – dass möglichst viele Saarländer genau das von sich behaupten können, ist das Ziel der Landeszentrale für politische Bildung. Seit 60 Jahren unterstützt sie Bürger dabei, sich eine Meinung zu bilden. Keine einfache Aufgabe.
„Es gibt Zielgruppen, bei denen es wirklich schwer ist, unsere Themen an den Mann zu bringen“, sagt der Leiter der Landeszentrale, Dr. Erik Harms-Immand. Als die Landeszentrale 1957 mit dem Namen „Landeszentrale für den Heimatdienst“ öffnete, spielte sie vor allem bei der Versöhnungsarbeit eine große Rolle. Zwei Jahre zuvor hatte die Abstimmung über das Saar-Statut die Saarländer polarisiert.
Heute stellt die Landeszentrale für politische Bildung kostenlos Bücher bereit, organisiert Infoveranstaltungen wie die SchulKinoWoche und erstellt den Wahl-O-Mat. Das Ziel der Aktionen: Die Saarländer dabei unterstützen, sich eine eigene Meinung zu bilden und sich gesellschaftlich zu engagieren. Harms-Immand ist seit 2015 Leiter der Landeszentrale. Mit einer neuen Strategie will er die Saarländer noch besser erreichen.
SR.de: Herr Harms-Immand, am besten erreicht man die Leute heutzutage über das Internet. Die Landeszentrale ist im Netz aber schwer zu finden. Es gibt keine eigenständige Homepage und keinen Facebook-Auftritt. Wie kommt das?
Dr. Erik Harms-Immand: Hier sind wir grade dabei, uns neu aufzustellen. In Abstimmung mit dem Ministerium für Bildung und Kultur haben wir entschieden, auf dem Portal der Landesregierung „saarland.de“ ein eigenständiges Themenportal für die Landeszentrale einzurichten, das leicht zu finden ist. Das brauchen wir auch, da gebe ich Ihnen völlig Recht. Und zwar auch deshalb, um uns auch in der digitalen Welt mit den anderen Akteuren der politischen Bildung intensiver zu vernetzen und diese gezielt über unsere und andere gute Angebote zu informieren. Auch im Bereich der sozialen Medien wollen wir nach und nach Strategien auf den Weg bringen.
SR.de: Welche Rolle spielt die Landeszentrale für politische Bildung heute im Saarland?
Harms-Immand: Die besondere Herausforderung heute ist es, zu schauen, wie wir die Leute in ihren Lebenswelten erreichen können. Es gibt Zielgruppen, bei denen es wirklich schwer ist, unsere Bildungsinhalte an den Mann zu bringen. Hier sind wir gerade in einer Phase der strategischen Neuausrichtung. Dabei suchen wir - ergänzend zu unserem bestehenden Angebot - einen intensiven Austausch beispielsweise mit Akteuren der außerschulischen Bildungsarbeit, der Erwachsenenbildung oder der Jugend- und Sozialarbeit, die in ihrem Alltag mit sehr heterogenen Gruppen von Menschen zu tun haben. Und zwar mit Menschen aus allen Gesellschaftsschichten oder mit Migrationshintergrund.
SR.de: Wie sieht dieser Austausch konkret aus?
Harms-Immand: Von diesen Experten kriegen wir kompetente Rückmeldung, wo es Probleme gibt und wie wir unsere bestehenden Konzepte neu ausrichten oder neu einsetzen müssen. Außerdem fördern wir die verschiedenen Akteure auch dabei, sich untereinander intensiver zu vernetzen und sich mit ihrem Know-how gegenseitig zu inspirieren. Beispielsweise haben wir beim Thema Nationalsozialismus im Bereich der Erinnerungsarbeit die Erfahrung gemacht, dass sich viele Organisationen untereinander gar nicht kennen. Die jüngste Netzwerkinitiative ist „Demokratie? Ei Jo!“, bei deren Auftakt im Mai die Landeszentrale zusammen mit dem Landesjugendring und dem Netzwerk für Demokratie und Courage alle Jugendorganisationen aus dem Saarland zu einem Vernetzungstreffen eingeladen hat.
SR.de: 60-jähriges Jubiläum - das ist keine Selbstverständlichkeit. Das Land Niedersachsen hatte seine Landeszentrale zwischenzeitlich aus Kostengründen dicht gemacht. Gab es Zeiten, in denen die saarländische Landeszentrale auf er Kippe stand?
Harms-Immand: Nein. Die Landeszentrale für politische Bildung genießt im Saarland eine sehr große Wertschätzung. Es gab in der Geschichte der Landeszentrale nicht einen einzigen Moment, wo man auch nur daran gedacht hätte, sie in Frage zu stellen. Diese Wertschätzung erkennt man auch daran, dass der Landtag den Haushalt der Landeszentrale im vergangenen Jahr großzügig aufgestockt hat, von 50.500 auf 80.500 Euro. Diese zusätzlichen Mittel investieren wir in eine Ausweitung unserer Informationsangebote und Bildungsformate.
SR.de: Unterstützung gibt es aber nicht von allen Seiten. Im Landtagswahlkampf hatte die Saar-AfD die Landeszentrale als „Hort einseitig linkslastiger Agitation“ bezeichnet und die Abschaffung gefordert. Haben Sie mit der AfD darüber gesprochen?
Harms-Immand: Die AfD hat, was diese Forderung und ihre Begründung betrifft, nie mit der Landeszentrale das Gespräch gesucht. Ich kenne auch nicht die Begründung. Grundsätzlich setze ich mich mit dieser Forderung aber in keiner Weise bewertend auseinander. Das widerspräche dem Grundsatz der politischen Bildung. Unsere Aufgabe ist es, den Bürgerinnen und Bürgern überparteilich verschiedene Positionen darzustellen und das tun wir. Im Rahmen unserer Informationsangebote bieten wir den Forderungen der AfD auch Platz.
SR.de: Inwiefern?
Harms-Immand: Die AfD hat mit 14 anderen Parteien konstruktiv und sehr zuverlässig an unserem Wahl-O-Mat zur Landtagswahl mitgearbeitet und ich möchte hervorheben: Wir waren im Vorfeld des Landtagswahlkampfes eine der ersten Einrichtungen im Saarland, die die AfD zu Diskussionsveranstaltungen eingeladen hat. Das heißt, wir reden nicht nur von der Förderung der Meinungsvielfalt und der Darstellung von kontroversen Positionen, sondern wir leben das auch mit unserer Arbeit.
SR.de: Das Thema Politikverdrossenheit ist in den letzten Jahren wieder ein größeres Thema geworden. Herrscht bei uns im Saarland große Politikverdrossenheit?
Harms-Immand: Nein. Wir haben im Saarland ganz viele engagierte Bürgerinnen und Bürger. Im Vergleich zu anderen Bundesländern sind wir in ganz vielen Bereichen, ob im parteipolitischen oder ehrenamtlichen Bereich, sehr gut aufgestellt. Wir haben eine sehr interessierte Öffentlichkeit im Saarland. Das sieht man auch an der gestiegenen Wahlbeteiligung und an der hohen Nutzung des Wahl-O-Mats bei der Landtagswahl. Dieses Jahr hatten wir 300.000 Nutzungen, 70 Prozent mehr als bei der Wahl 2012. Darauf gilt es aufzubauen und weiter an der Sache dranzubleiben.
SR.de: Was wünschen Sie sich als Leiter der Landeszentrale für die kommenden 60 Jahre?
Harms-Immand: Ich wünsche mir, dass es dabei bleibt, dass die Landeszentrale sowohl bei den politischen Entscheidern und Kooperationspartnern, als auch bei den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin so eine große Wertschätzung genießt. Und dass wir alle zusammen weiter intensiv an der Weiterentwicklung unserer demokratischen Kultur arbeiten, das hat sie nämlich verdient. Denn unsere Demokratie hat sich in den letzten Jahrzehnten unglaublich weiterentwickelt. Aber man muss auch sagen, mit Blick auf die ein oder andere negative Entwicklung, dass man nicht müde werden darf bei der Arbeit für die Demokratie. Hier gilt es, dass wir alle darum kämpfen, dass wir jede einzelne Bürgerin und jeden einzelnen Bürger mit auf den Weg nehmen.
SR.de: Herr Harms-Immand, vielen Dank für das Gespräch.