Ein Businessplan und ein Taschenrechner auf einem Schreibtisch (Foto: Imago/MCPhoto)

Kaum Scheinselbstständigkeit im Saarland

Emil Mura   29.10.2017 | 09:30 Uhr

Berlin ist jung, hip und Gründerhauptstadt. Das stimmt, solange man die nackten Zahlen betrachtet. Doch den größten Teil der Gewerbeanmeldungen machen Ein-Mann-Betriebe aus. Viele davon werden ausgebeutet. Im Saarland wird gemessen an der Einwohnerzahl weniger als halb so viel gegründet wie in Berlin. Dafür geht es vielen nach ihrem Weg in die Selbstständigkeit besser.

Die saarländische Gründerstatistik wird angeführt von den Branchen Handel und Kfz-Reparatur. Dort sind rund 57 Prozent der Selbstständigen Solo-Selbstständige, also Menschen, die eine Tätigkeit alleine und ohne Mitarbeiter ausführen. Es folgen das Gast- und das Baugewerbe. In diesen Branchen sind etwa die Hälfte der Neugründungen Ein-Mann-Betriebe.

Gefahr von Scheinselbstständigkeit

Recherchen des RBB haben in Berlin gezeigt, dass genau so etwas oft zu Scheinselbstständigkeit führt. Das heißt, Selbstständige arbeiten in einem Unternehmen wie normale Arbeitnehmer, die Betriebe können auf diese Weise aber Tariflöhne umgehen und Sozialabgaben sparen. Nach Recherchen des RBB ist das in Berlin vor allem im Baugewerbe ein Problem. Von den 8000 Bauarbeitern, die im Jahr 2016 ein Gewerbe angemeldet haben, haben nur 735 einen Betrieb gegründet. Das sind gerade einmal 8,7 Prozent, also weniger als jeder zehnte. Die restlichen 91,3 Prozent sind sonstige Neugründungen, unter die auch die Solo-Selbstständigen fallen. Die werden laut RBB auch auf öffentlichen Großbaustellen eingesetzt, wie dem Flughafen BER. Reporter des Senders berichten von Fällen, in denen Löhne von zwei Euro pro Stunde gezahlt wurden.

"Motive der Gründer sehr unterschiedlich"

Ralf Becker ist Gründungslotse bei der saarländischen Arbeitskammer. Er berät Menschen, die ein Gewerbe anmelden wollen. In Berlin entstehen Gründungen oft aus der Not heraus, hier dagegen, sagt er, haben die Menschen meist andere Gründe. "In den seltensten Fällen sehen die Menschen keine andere Alternative. Es ist vielmehr so, dass die meisten Gewerbeanmeldungen Nebenerwerbsgründungen sind, einfach weil Menschen sich ausprobieren wollen." Die Teilselbstständigen, sagt Ralf Becker, arbeiten in diesen Fällen bei ihrem alten Arbeitgeber halbtags weiter.

Kaum Scheinselbstständigkeit im Gastgewerbe

Auch die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten hat keine Anhaltspunkte dafür, dass im Saarland Selbstständige aufgrund ihres Status ausgenutzt werden. Mark Baumeister, Geschäftsführer der Gewerkschaft, sagte dem SR, Scheinselbstständigkeiten seien im Gastgewerbe selten. Laut ihm liegt das an der Branche selbst. "Ein Personalwechsel ist im Gastgewerbe schwieriger als in anderen Branchen. Ein Restaurant hat eine Speisekarte mit bestimmten Gerichten. Für den Erfolg des Restaurants ist es wichtig, dass die Gerichte immer gleich gut schmecken. Deswegen ist die Geschäftsleitung auch daran interessiert, den Koch fest anzustellen". Außerdem sagt Mark Baumeister, seien Fachkräfte zurzeit sehr gesucht. Wenn betrogen würde, dann eher bei Kellnern. Die würden dann aber meist gleich in Schwarzarbeit beschäftigt.

Das Problem, dass Selbstständige aufgrund ihres Status ausgenutzt werden, stellt sich im Saarland also offenbar nicht. Laut Arbeitskammer und NGG gibt es natürlich überall Ausnahmen, doch in der Region sei es auf keinen Fall ein Massenphänomen wie in der Hauptstadt.

Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja