Glaserfaserausbau: Wurden Menschen im Saarland ausgebeutet?

Glaserfaserausbau: Wurden Menschen im Saarland ausgebeutet?

Daniel Novickij   19.03.2024 | 06:28 Uhr

Dumpinglöhne, lange Arbeitszeiten und fehlende Ausrüstung: Nach SR-Recherchen sollen ausländische Bauarbeiter beim Glasfaserausbau im Saarland ausgebeutet worden sein. Am Beispiel Namborn werden die Missstände deutlich.

Der flächendeckende Glasfaserausbau sollte hunderttausende Haushalte im Saarland mit Highspeed-Internet versorgen. So war der Plan vor rund zwei Jahren. Doch es mangelte hierzulande seit längerer Zeit bereits an qualifizierten Fachkräften, die für entsprechende Bauarbeiten benötigt werden.

Firmen warben daher Personal aus dem Ausland an, etwa aus Süd- und Mittelamerika sowie Nordafrika, um mit dem Glasfaserausbau direkt loslegen zu können. Eine SR-Recherche zeigt am Beispiel der Gemeinde Namborn im Kreis St. Wendel: Diese Bauarbeiter wurden offenbar ausgebeutet.

Es geht in Namborn um Menschen, die nach SR-Informationen aus Bolivien, Peru, Honduras, Ecuador, Venezuela oder Marokko kamen und kein Deutsch konnten, sprich sie waren von ihrem Umfeld abhängig – und das scheint offenbar gezielt ausgenutzt worden zu sein.

Wurde in Namborn gegen Arbeitszeitgesetze verstoßen?

"Ich würde das als modernes Sklaventum bezeichnen", sagt der Ortsvorsteher vom Ortsteil Gehweiler, Lars Haßdenteufel (Freie Liste Namborn). Seiner Einschätzung nach haben die Bauarbeiter mehr als die gesetzlich erlaubten zehn Stunden am Tag gearbeitet.

"Die Arbeiter sind im Sommer noch vor dem Morgengrauen angerückt und haben gearbeitet, bis es wieder dunkel wurde", so Haßdenteufel. Am nächsten Tag seien es dann wieder die gleichen Arbeiter wie am Abend zuvor gewesen.

Michael Schwan, Anwohner aus Gehweiler, teilt Haßdenteufels Wahrnehmung bezüglich der scheinbar unverhältnismäßig langen Arbeitszeiten der Bauarbeiter. "Das war schlimm. Ich finde sowas unmenschlich", so Schwan.

Ich würde das als modernes Sklaventum bezeichnen, (Lars Haßdenteufel, Ortsvorsteher Gehweiler)

"Als ich mein Kind am Morgen in den Kindergarten gefahren habe, haben die Bauarbeiter bereits gearbeitet", erzählt Anwohner Gunther Finkler aus dem Ortsteil Furschweiler. Er habe erst spät Feierabend: "Ich kam nach Hause und die haben immer noch gearbeitet", so Finkler.

Auch in anderen Orten der Gemeinde Namborn wie Pinsweiler, Hirstein oder Hofeld-Mauschbach wurden dem SR solche Beobachtungen zugetragen.

Fehlende Arbeitsschutzkleidung und Dumping-Löhne?

Laut Anwohnern und Ortsvorstehern der Gemeinde Namborn sollen bei einigen Bauarbeitern Arbeitschutzkleidungen gefehlt haben, etwa Hörschutz, Helme oder Sicherheitsschuhe. Diese Arbeiter seien vor allem im Tiefbau eingesetzt worden, einem Bereich, bei dem eine solche Ausrüstung teils verpflichtend ist.

Dem Gesetz zufolge ist der Arbeitgeber verpflichtet, ab einer Lautstärke von 80 Dezibel seinen Arbeitnehmern einen Gehörschutz zur Verfügung zu stellen. Das sei nach Aussagen von Bewohnern und Ortsvorstehern in der Gemeinde Namborn in einigen Bautrupps aber nicht passiert.

Zudem sollen die Bauarbeiter nach SR-Informationen vereinzelt nur Dumping-Löhne erhalten haben.

Deutsche Glasfaser und Geodesia streiten Vorwürfe ab

Das Unternehmen "Deutsche Glasfaser" beauftragte eigenen Angaben zufolge "Geodesia" als Generalunternehmen für den Glasfaserausbau in Namborn. Beide Firmen lehnten ein SR-Interview ab.

Deutsche Glasfaser und Geodesia beteuerten schriftlich, nichts von solchen Missständen in Namborn gewusst zu haben. "Bei Deutsche Glasfaser halten wir uns selbstverständlich an alle arbeitsrechtlichen Regelungen", heißt es in der Mitteilung.

Dies werde auch von allen Baupartnern, wie etwa Geodesia in Namborn, erwartet. Deutsche Glasfaser käme allen vereinbarten Zahlungen nach und verpflichte auch seine Vertragspartner dazu. Sollte der Verdacht aufkommen, dass ein Partner sich nicht korrekt verhalte, werde dem Verdacht nachgegangen. Falls sich ein Verdachtsfall bestätige, werde die Zusammenarbeit gegebenenfalls beendet.

Auf konkrete Vorwürfe wie Arbeitszeiten von mehr als zehn Stunden, möglicherweise fehlende Arbeitsschutzkleidung oder Dumping-Löhne im Fall der Gemeinde Namborn wurde in der allgemeinen Stellungnahme von "Deutsche Glasfaser" nicht eingegangen.

Undurchsichtige Strukturen?

Nachdem Deutsche Glasfaser Geodesia mit dem Glasfaserausbau in der Gemeinde Namborn beauftragte, hat Geodesia wiederum nach eigenen Angaben mehrere weitere Subunternehmen mit den Bauarbeiten vor Ort beauftragt. Diese haben ihrerseits nach SR-Informationen selbst andere Firmen beauftragt, sodass am Ende der Eindruck aufkommt, dass keiner mehr einen echten Überblick zu haben scheint, wer vor Ort tatsächlich beschäftigt ist und direkt für die Bauarbeiter zuständig ist.

Das bedeutet, wenn sich ein Bautrupp-Chef nicht an die Regeln hält, dann scheint es so zu sein, dass das keiner unmittelbar mitbekommt.

Gemeinde Namborn offenbar im Saarland kein Einzelfall

Egbert Ulrich, Leiter der saarländischen Beratungsstelle "Wanderarbeit und mobile Beschäftigte" bei der Arbeitskammer des Saarlandes, sagte im SR-Interview, solche Fälle seien in der Glasfaserausbau-Branche auch saarlandweit nicht unüblich.

Ausbeutung bei solchen Subunternehmerstrukturen seien bekannt. "Die Menschen werden überwiegend bei enormen Arbeitszeiten ausgebeutet, die nicht vergütet werden", sagt Ulrich.

Zudem gebe es unbegründete Lohnkürzungen, Unternehmer, die generell keine Löhne zahlen oder Kündigungen, die auf Zuruf mitgeteilt werden, so Ulrich. "Das sind Fälle, die in unserer Beratungsstelle in Saarbrücken auftauchen", betont Ulrich. Zwar sei die Anzahl der Beratungen bezüglich möglicher Ausbeutungserfahrungen in der Glasfaserausbau-Branche noch nicht enorm hoch, aber dennoch ersichtlich.

Info-Aktion im Sommer 2024 geplant

Um gegen solche Missstände vorzugehen, planen die Mitarbeiter der Beratungsstelle "Wanderarbeit und mobile Beschäftigte" der Saar-Arbeitskammer, im Juni eine Info-Aktion zu starten. "Wir werden mit einem Bus im Saarland Baustellen anfahren, um ausländische Arbeiter über ihre Rechte in Deutschland zu informieren", so Ulrich von der Saar-Arbeitskammer.

Zudem wollen die mehrsprachigen Beraterinnen und Berater nachhören, welche Erfahrungen die ausländischen Bauarbeiter im Saarland gemacht haben, um mögliche Missstände im Glasfaserausbau schneller zu entdecken.


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