In einer Tierarztpraxis liegt ein Hund auf dem Behandlungstisch und wird untersucht. (Foto: IMAGO / Westend61)

Notfall mit dem Haustier und kein Tierarzt in der Nähe

Sandra Schick   08.04.2023 | 08:57 Uhr

Seit der Coronazeit halten deutlich mehr Menschen ein Haustier. Gleichzeitig gibt es aber immer mehr Einschränkungen bei der tierärztlichen Versorgung. Gab es früher rund zehn Tierkliniken im Saarland, ist es heute nur noch eine einzige. Auch viele Praxen sind überlastet. Vor allem in Notfallsituationen zu Randzeiten kann das problematisch werden.

'Aufnahmestopp – Wir können leider keine neuen Patienten mehr annehmen', diese Auskunft erhalten Tierbesitzer auch im Saarland immer häufiger, wenn sie auf der Suche nach einem Tierarzt für ihr Haustier sind. "Viele Praxen sind stark ausgelastet", berichtet der Präsident der saarländischen Tierärztekammer, Arnold Ludes, im Gespräch mit dem SR.

Mehr Haustierbesitzer seit Corona

Einer der Gründe: In den Coronajahren ist der Bedarf an tierärztlichen Behandlungen stark gestiegen. Um 20 Prozent hat seitdem die Zahl der Behandlungen zugenommen, sagt die Tierärztekammer. In der Coronazeit hätten sich viele Menschen Hunde und Katzen angeschafft, man habe insgesamt mehr Patienten als vor der Pandemie.

Personalmangel bei Tierärzten

Es sind also immer mehr Tiere zu behandeln. Gleichzeitig können Praxen und Kliniken aber ihre Versorgung häufig nicht mehr in dem Maße aufrecht erhalten, wie sie es jahrelang taten. Und dafür gibt es mehrere Gründe.

"Zum einen kämpfen auch wir Tierärzte mit Personalmangel", so Ludes. Deutschlandweit gibt es fünf Hochschulen, an denen man Tiermedizin studieren kann. "Sie bringen rund 1200 Absolventen pro Jahr hervor." Den Bedarf decke das aber schon länger nicht mehr.

Zudem seien 90 Prozent der Absolventen Frauen, die häufig in Phasen der Familiengründung nur reduziert arbeiteten. Fakt sei, dass Praxen inzwischen große Probleme hätten, freie Stellen zu besetzen, so Ludes.

Kliniksterben auch im Saarland

Und dann gibt es da noch ein weiteres Problem: "Wir haben seit einigen Jahren deutschlandweit ein Kliniksterben", berichtet der Kammerpräsident. Im Saarland hätte es vor rund zehn Jahren noch zehn Tierärztliche Kliniken gegeben. Heute ist davon nur noch eine übrig: die Tierklinik Elversberg. Alle anderen haben ihren Klinikstatus zurückgegeben.

Einer der Hauptgründe: "Das Arbeitszeitgesetz sorgt dafür, dass es für kleinere Praxiseinheiten nicht mehr möglich ist, eine 24-Stunden-Notdienst-Bereitschaft anzubieten", so Ludes. Weil nach Notdienstbereitschaften bestimmte Ruhezeiten eingehalten werden müssten, sei der Personalbedarf für eine 24-Stunden-Besetzung enorm groß.

Wer aber keinen 24-Stunden-Notdienst anbietet, der darf sich nicht "Klinik" nennen. Viele Tierärzte hätten deshalb ihren Klinikstatus aufgegeben und nennen sich nur noch "Tiermedizinisches Zentrum".

Problematische Notfall-Versorgung

Die Folgen dieser ausgedünnten Kliniklandschaft spüren Tierbesitzer vor allem dann, wenn es brenzlig wird und sie wirklich dringend auf einen Tierarzt angewiesen sind: In Notfällen außerhalb der normalen Praxisöffnungszeiten.

Wer in der Nacht oder an Werktagen spät abends einen Notfall mit seinem Tier hat, hat saarlandweit nur noch eine einzige Option: die Fahrt in die Klinik nach Elversberg.

"Es sei denn, man hat noch einen Haustierarzt, der für die eigenen Patienten auch im Notfall erreichbar ist. Manche Kollegen bieten das noch weiterhin an", so Ludes.

Anfahrtszeit kann kritscher Punkt sein

"Wir haben das Glück, dass Elversberg ja relativ zentral und in Autobahnnähe liegt. Die Klinik ist also aus allen Ecken des Saarlandes gut erreichbar", sagt Kammerpräsident Ludes.

Dennoch räumt er ein: Bei einem echten Notfall kann eine längere Anfahrtszeit schon kritisch werden. "Wenn beispielsweise ein Tier angefahren wurde und innere Blutungen hat, können 30 Minuten verdammt lang sein."

Praxis-Notdienst tagsüber an Wochenenden

Etwas mehr Optionen haben Tierbesitzer, wenn der Notfall tagsüber an einem Wochenende oder Feiertag auftritt: Die Tierärztekammer organisiert an sprechstundenfreien Tagen inzwischen einen Praxis-Notdienst.

Samstags, sonntags und an Feiertagen haben saarlandweit immer vier Tierarzt-Praxen Bereitschaftsdienst. Hier versuche man, die diensthabenden Praxen gut zu verteilen. "Damit die Tierhalter keinen zu weiten Anfahrtsweg haben", so Ludes.

Wo der nächste diensthabende Notdienst-Tierarzt ist, können Tierhalter ganz einfach auf der Homepage der Tierärztekammer einsehen. Dort kann man aber auch sehen, dass zum Beispiel am Ostermontag etwa in der Landeshauptstadt Saarbrücken kein einziger Tierarzt Notdienst hat. Der nächstgelegene Notdienstarzt ist an diesem Tag in St. Ingbert.

Sieben Prozent der Wochenend-Notfälle sind nachts

Zudem ist dieser Praxis-Notdienst keine 24-Stunden-Versorgung. Er endet abends um 22.00 Uhr. Das bedeutetet: Hat man nachts einen Notfall mit dem Tier, muss man – egal ob werktags oder am Wochenende – immer den Weg nach Elversberg antreten.

Die Tierärztekammer sieht darin aber kein Problem. "Im Saarland sind weniger als sieben Prozent der Notfallbehandlungen am Wochenende Fälle, die nach 22.00 Uhr kommen", so Ludes.

Trotzdem kann es im Einzelfall natürlich dramatische Folgen haben, wenn der Anfahrtweg weiter ist, wie das Beispiel des angefahrenen Hundes zeigt.

"Eine Zecke ist kein Notfall"

Damit die Notfallversorgung insgesamt reibungslos funktioniert, sei man auch auf die Mitarbeit der Tierhalter angewiesen, sagt die Kammer. "Eine Zecke am Bein oder eine eingerissene Kralle, ist kein Notfall, für den ich in eine Klinik fahren muss. Das kann man zu den normalen Sprechzeiten erledigen."

Der Tierarzt appelliert zudem an die Halter, die Kollegen respektvoll zu behandeln. Gerade in Notdiensten seien die Tierärzte immer öfter auch Anfeindungen ausgesetzt. Gerade viele Tierärztinnen fühlten sich vor allem abends eher unwohl im Notdienst – auch deshalb sei der Dienst zu Randzeiten eher unbeliebt.


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