Ein junges Mädchen hält sich die Hände vor das Gesicht. (Foto: picture alliance / Nicolas Armer/dpa)

Mehr Verdachtsmeldungen von Kindeswohlgefährdung im Saarland

  02.08.2023 | 16:27 Uhr

Seit Jahren steigen die Zahlen der Kindeswohlgefährdung. Deutschlandweit gab es 2022 mehr als 200.000 Verdachtsmeldungen auf Vernachlässigung oder Gewalt von Kindern, im Saarland waren es mehr als 2700. Womit ist der Anstieg zu erklären?

Im Saarland ist die Zahl der Verdachtsmeldungen auf Kindeswohlgefährdung weiter gestiegen. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes sind im vergangenen Jahr von den Jugendämtern über 2725 Verdachtsmeldungen eingegangen. Im Jahr davor lag die Zahl noch bei rund 2442, 2020 waren es 2323.

Video [aktueller bericht, 02.08.2023, Länge: 3:04 Min.]
Zahl der Fälle von Kindswohlgefährdung nimmt zu

Von den insgesamt 2725 Verdachtsmeldungen im vergangenen Jahr bestätigten sich 461. Davon stuften die Jugendämter 187 Fälle als "akut" ein. Am häufigsten habe es sich dabei um Vernachlässigung gehandelt, gefolgt von körperlicher Misshandlung, psychischer Misshandlung und sexueller Gewalt.

Bei den meisten Verdachtsmeldungen, das heißt bei 1432, konnte keine Gefährdung festgestellt werden. Bei 830 gab es allerdings einen erzieherischen Hilfebedarf.

Bundesweit neuer Höchststand bei Kindeswohlgefährdungen

Bundesweit wurde ein neuer Höchststand bei den Kindeswohlgefährdungen erreicht. Laut Statistischem Bundesamt wurden über 62.000 Fälle von Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt festgestellt.

Geprüft hatten die Jugendämter insgesamt 203.700 Hinweise, bei denen der Verdacht auf eine mögliche Gefährdung von Kindern oder Jugendlichen bestand. Das entspricht einem Plus von drei Prozent.

Fast ein Drittel der Hinweise ging auf die Polizei oder Justizbehörden zurück. Rund ein Viertel kam aus der Bevölkerung, also von Verwandten, Bekannten, Nachbarn oder anonym. Dahinter folgten Einrichtungen und Dienste wie die Kinder- und Jugendhilfe. Jeweils etwa ein Zehntel der Hinweise auf die Gefährdungssituation gaben die Schulen und die Familien selbst, also die betroffenen Minderjährigen oder deren Eltern.

Gründe für gestiegene Zahl von Verdachtsmeldungen

Stefan Behr, Vorsitzender des Landesverbandes des Deutschen Kinderschutzbundes, vermutet, dass die gestiegene Zahl der Verdachtsmeldungen im Saarland als auch bundesweit mit einer erhöhten Sensibilität unter anderem an den Kitas, Schulen und der Nachbarschaft zusammenhängt.

Gleichzeitig sei die Hemmschwelle, einen Verdacht auf Kindeswohlgefährdung zu melden gesunken, ergänzt der Sprecher des Regionalverbandes Saarbrücken, Lars Weber. Nach der Corona-Pandemie seien Kinder und Jugendliche zudem wieder mehr in den Fokus der Institutionen, insbesondere von Schulen, geraten.

Nehmen Kindeswohlgefährdungen auch im Saarland zu?
Audio [SR 3, Moderation: Simin Sadeghi / im Gespräch: Heiko Bluth, 02.08.2023, Länge: 04:11 Min.]
Nehmen Kindeswohlgefährdungen auch im Saarland zu?

Tatsächlich zeigt ein Vergleich der vergangenen vier Jahre, dass die Anzahl der Verdachtsmeldungen von Kindeswohlgefährdung im Saarland zwar stetig gestiegen ist – die Zahl der bestätigten Fälle aber schwankend ist. So gab es beispielsweise im Jahr 2020 insgesamt 2323 Verdachtsmeldungen, wovon sich 490 bestätigten. 2021 lag die Zahl der bestätigten Fälle bei gestiegener Anzahl an Verdachtsmeldungen (2442) wiederum bei 431.

Kindeswohlgefährdungen entgegenwirken

Dass die Gesellschaft bei Anzeichen von Kindeswohlgefährdung genauer hinschaut, bestätigt auch Heiko Bluth vom Kinderschutzteam des Jugendamtes im Regionalverband. Das sei auch gut so – bei jedem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung sollte man tätig werden und sich an das Jugendamt wenden, so Bluth. Dieses überprüfe dann mit einem Team aus mehreren Fachkräften sorgfältig den Verdacht.

Der saarländische Kinderschutzbeauftragte Kai Frisch verweist auf das Kinderschutzgesetz, das der saarländische Landtag Mitte Juli auf den Weg gebracht hat. Ziel davon sei es, Hinweise auf mögliche Kindeswohlgefährderung schneller zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Dafür soll ein Kompetenzzentrum Kinderschutz aufgebaut werden, das die Zusammenarbeit von Jugendschutzbehörden und Schulen stärkt.

Eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht bei möglichen Verdachtsfällen, die oft durch sogenanntes Ärztehopping umgangen werden, ist dabei allerdings vorerst nicht vorgesehen. Bei "Ärztehopping" wechseln etwa Eltern, die ihr Kind misshandeln, regelmäßig den Arzt, damit ihre Taten unerkannt bleiben. Um dem einen Riegel vorzuschieben, gibt es schon länger die Forderung, dass sich Ärzte bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung untereinander austauschen dürfen.

Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 02.08.2023 berichtet.


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Der saarländische Landtag hat ein Kinderschutzgesetz auf den Weg gebracht. Mit ihm soll unter anderem die Zusammenarbeit von Jugendschutzbehörden und Schulen gestärkt werden. Eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht bei möglichen Verdachtsfällen ist vorerst aber nicht geplant. Dafür gab es Kritik von der CDU.

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