Esther Bejarano (Foto: dpa/Jens Büttner)

Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano gestorben

Ulli Wagner   10.07.2021 | 14:40 Uhr

Die Ehrenbürgerin von Saarlouis und Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano ist tot. Sie starb am Samstag im Alter von 96 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit in Hamburg, teilte das dortige Auschwitz-Komitee mit.

Esther Bejarano wurde am 15. Dezember 1924 als Esther Loewy in Saarlouis geboren. Sie war das fünfte Kind des Kantors Richard Loewy und seiner Frau Margarete. 1925 zog die Familie nach Saarbrücken, wo der Vater Oberkantor wurde.

Behütete Kindheit mit starkem Hang zur Musik

Esther Bejarano sprach immer mit Wärme über ihre Kindheit. Sie sei weitgehend glücklich aufgewachsen, sagte sie einmal im SR-Gespräch, und sie sei dankbar, dass ihre musikalische Ader schon so früh entwickelt und unterstützt wurde. Denn die sollte ihr einmal das Leben retten. 

Nach der Rückgliederung begannen die Repressionen

Nach der Rückgliederung zog die Familie Loewy 1936 nach Ulm. Dort hatte Esther Loewy ihre ersten Auftritte als Tänzerin und Sängerin jüdischer Lieder und deutscher Schlager. Die ältesten Geschwister wanderten früh in die USA und nach Palästina aus.

Nach der Reichspogromnacht wurde alles anders

Der Vater beendete seine Arbeit in Ulm und wurde nach Breslau versetzt.  Esther Loewy und ihre ältere Schwester sollten in speziellen Lagern für die Auswanderung nach Palästina vorbereitet werden, aber diese wurden geschlossen. Die Eltern und die Schwester wurden deportiert. Erst nach der Befreiung hat Esther Loewy erfahren, dass die Eltern bereits 1941 im Lager Kowno im heutigen Litauen ermordet wurden und die Schwester 1942 in Auschwitz.

Zwangsarbeit und Deportation

Esther Loewy war als Zwangsarbeiterin an verschiedenen Orten und später in verschiedenen Lagern eingesetzt. 1943 wurde sie nach Auschwitz deportiert, wo die kleine und schmächtige junge Frau in einem Arbeitskommando Steine schleppen musste.

Wie ein Akkordeon zum Lebensretter wurde

Abends unterhielt sie die Blockältesten mit klassischen Liedern, bekam dafür zusätzliche Essensrationen und wurde für das Mädchenorchester von Auschwitz empfohlen. Sie wurde als Akkordeonspielerin verpflichtet, obwohl sie dieses Instrument noch nie gespielt hatte. Ihre musikalische Erziehung hat ihr im Vernichtungslager das Leben gerettet.

Auswanderung nach Palästina

Nach der Befreiung wanderte Esther Loewy nach Palästina aus. Dort studierte sie Gesang und wurde Teil eines Arbeiterchores, in dem auch ihr späterer Mann Nissim Bejarano Mitglied war. Das Paar heiratete 1950 und bekam einen Sohn und eine Tochter. Politisch fühlten sich die Bejaranos, die beide engagierte Friedenskämpfer waren, immer weniger wohl in Israel.

Rückkehr nach Deutschland in den 60ern

Weil Esther Bejarano zudem, klimatisch bedingt, gesundheitliche Probleme hatte, kehrte sie 1960 mit ihrem Mann und den beiden Kindern nach Deutschland zurück. Von Hamburg aus engagierte sie sich in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, dessen Ehrenvorsitzende sie 2008 wurde, sie gründete das Auschwitz-Komitee für die Bundesrepublik Deutschland und engagierte sich ab den 80er Jahren auch verstärkt musikalisch in der Friedensbewegung und bei Aktionen „Gegen Rechts“.

Mit Musik in die Herzen der jungen Menschen

Esther Bejarano hatte schon sehr früh erlebt, wie überlebenswichtig Musik sein kann und vor allem, dass ihre Botschaften mit Musik die Menschen viel leichter erreichen. Ab den 80er Jahren trat sie immer öfter mit verschiedenen Bands bei Demonstrationen und Friedensfesten auf. Erst mit „Siebenschön“, dann mit „Coincidence“, einer Band, die sie zusammen mit ihren Kindern gründete und mit der sie vor allem auch antifaschistische Lieder spielte bei ihren Zeitzeugen-Auftritten in Schulen und Jugendzentren. Legendär sind ihre Auftritte mit der Microphone-Mafia, mit der sie in den 2010er Jahren auch mehrfach im Saarland aufgetreten ist. 

Späte Ehrungen

Esther Bejarano hat viele Auszeichnungen erhalten. 2014 wurde die engagierte Zeitzeugin Esther Bejarano schließlich auch Ehrenbürgerin ihrer Geburtsstadt Saarlouis. Die Arbeitskammer des Saarlandes hat einen Filmpreis nach der Auschwitz-Überlebenden benannt, der bereits zweimal ausgelobt wurde.

Würdigung durch Parteien und Verbände

Nach dem Bekanntwerden ihres Todes würdigten Vertreter mehrerer Parteien und Verbände Esther Bejarano. Das Auschwitz-Komitee bezeichnete die gebürtige Saarlouiserin als großartige, mutige und unerschütterliche Frau. Das Komitee wolle weiter Bejaranos Auftrag erfüllen, solidarisch und mutig zu sein und auf die Schwächsten zu achten.

Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) schrieb auf Twitter: "Als Überlebende galt ihr Einsatz dem Erinnern und dem Kampf gegen Extremismus. Ihr Engagement bleibt uns allen Auftrag: Gegen Antisemitismus und für Mitmenschlichkeit!" Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) nannte Bejarano ebenfalls auf Twitter eine "wichtige Stimme im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus. Ihre Stimme wird uns fehlen."

Die Saarlouiser CDU kündigte an, eine Straße oder einen Platz nach der Ehrenbürgerin der Stadt benennen zu wollen. Der Kampf gegen Antisemitismus und das Vergessen gehe weiter.


Podcast

Holocaust-Gedenken mit Esther Bejarano

https://www.ardaudiothek.de/aus-dem-leben/holocaust-gedenken-mit-esther-bejarano/57262984

Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 10.07.2021 berichtet.

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