Chance hinter Gittern – Ausbildung im Knast

Chance hinter Gittern – Ausbildung im Jugendknast Ottweiler

Hanna Fischer / Onlinefassung: Sandra Schick   03.11.2024 | 13:03 Uhr

In der Justizvollzugsanstalt Ottweiler sitzen 50 junge Gefangene im Jugendvollzug. Einige von ihnen bereiten sich auf den Hauptschulabschluss vor, während andere eine Ausbildung absolvieren. Ob sie nach ihrer Entlassung tatsächlich in ihrem erlernten Beruf arbeiten werden, ist offen. Zwei Fallbeispiele.

Malik* ist 21 Jahre alt und sitzt in der JVA in Ottweiler im Jugendarrest. Vor einigen Monaten hat er dort eine Ausbildung zum Schreiner begonnen. Zuvor hat er im Gefängnis seinen Hauptschulabschluss nachgeholt.

"War jetzt nicht der Traumberuf, aber es ist ein Beruf, der mir wirklich Spaß macht. Da gibt es halt viele Sachen, was du da machen kannst. Fensterbau, Treppenbau, alles Mögliche. Das ist so ein Gesamtpaket halt." Er hofft, dass er später auch außerhalb der Gefängnismauern in seinem neu erlernten Beruf arbeiten kann.

Arbeit hilft den Inhaftierten

Einen Schulabschluss und danach eine Ausbildung zu machen – das war eigentlich auch Maliks* Plan vor seiner Inhaftierung. Doch dann sei er auf die schiefe Bahn geraten: Diebstahl, Körperverletzung, Raubüberfall. Es drohen mindestens drei Jahre und neun Monate Haft.

Für ihn ist die Arbeit zudem eine willkommene Ablenkung. "Am Wochenende denke ich oft an die alte Zeit. Und ansonsten in der Woche habe ich eigentlich schon gut viel zu tun. Da ist mein Kopf auch voll fokussiert hier beim Schreinerbetrieb und hier auf der Arbeit. Ohne Arbeit oder so würde ich hier untergehen."

Sechs Ausbildungsbetriebe in der JVA

Zwischen sechs handwerklichen Ausbildungsbetrieben können die Häftlinge in Ottweiler wählen – sofern es eine freie Lehrstelle gibt.

Uli Kuhn ist Schreinermeister und Vollzugsbeamter: "Es geht ja nicht nur darum, dass sie von der Zelle runter sind. Es geht darum, dass sie auch für ihre Zukunft etwas machen, das sie später für draußen etwas haben. Dass sie die Möglichkeit draußen haben, ihr Leben ohne Straftaten zu führen und zu finanzieren."

Die meisten der Inhaftierten hätten nie gelernt, durch redliche Arbeit ihr Geld zu verdienen.

Hochwertige Ausbildung

Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Knast-Werkstatt nicht von anderen. Auch die meisten Werkzeuge sind frei zugänglich. "Wir können hier sehr hochwertig ausbilden", sagt Kuhn. "Dadurch, dass wir top ausgestattete Werkstätten haben und uns individuell mit dem Lehrling befassen."

Wer hier eine Gesellenprüfung ablege, tue das in der Regel auch mit einem guten Ergebnis. Wie es im Anschluss weitergehe, sei aber von der eigenen Motivation abhängig.

Noah*: Tagsüber Arbeit draußen, nachts im Knast

Wie es laufen kann, zeigt auch der Fall von Noah*. Er ist eigentlich noch in Haft, hat aber seit ein paar Wochen als Freigänger die Möglichkeit, in einem Betrieb außerhalb der Gefängnismauern zu arbeiten.

"Ich habe mich ja parallel zu diesem Job hier bei vielen anderen Stellen auch beworben und es hat immer wieder Absagen gehagelt. Man hat es nicht einfach als Gefangener, sich Arbeit zu suchen, definitiv."

Noahs jetziger Arbeitgeber Franz Josef Hoffmann hat aber keine Bedenken. Mit der Arbeit seines neuen Angestellten ist er zufrieden – nur in Sachen Montage gebe es noch Nachholbedarf.

"Dieses Arbeitsfeld fehlt ihm vollkommen, bedingt durch die Umstände. Es ist nun mal nicht möglich, als Insasse Außenarbeiten durchführen zu können", sagt Hoffmann. "Dafür muss man ihn jetzt mal ein paar Monate gezielt darauf vorbereiten und auch mitnehmen zur Baustelle, damit er das auch noch verinnerlicht."

Bewährungsprobe steht an

Jeden Abend nach der Arbeit geht es für Noah* zurück in die JVA nach Ottweiler. Sieben Jahre sollte er hier bleiben – wegen versuchten Mordes. Eine Kurzschlussreaktion, sagt er. Jetzt nach vier Jahren und vier Monaten kann er bald in den sogenannten Hafturlaub. Seine Anstellung hat viel dazu beigetragen.

"Ich musste für mich selber viel kämpfen, dass ich mich nicht komplett verliere in dem ganzen System hier und mich nicht dem ganzen Milieu anpasse, in dem ich mich befinde. Weil man sitzt halt nur mit Verbrechern zusammen."

In 34 Tagen beginnt seine Bewährungsprobe. Bis dahin muss er noch jeden Abend hinter Gittern.

*Die Namen wurden zum Schutz der Betroffenen geändert.

Über dieses Thema hat auch die Sendung Wir im Saarland im SR Fernsehen am 31.10.2024 berichtet.


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