Richteiche St. Gangolf (Foto: Prof. Andreas Roloff)

650 Jahre alte Eiche in Mettlach wird Nationalerbe-Baum

Marie Kribelbauer   09.04.2022 | 14:18 Uhr

650 Jahre alt, 23 Meter hoch und 6,55 Meter Stammumfang – die alte Eiche beim Hofgut St. Gangolf in der Gemeinde Mettlach ist wohl der älteste Baum im ganzen Saarland. Deshalb soll er jetzt zum ‚Nationalerbe-Baum‘ ernannt werden. Diese werden besonders geschützt und gepflegt, damit sie in Würde altern können.

Es gibt in Deutschland zu wenig alte Bäume – da ist sich die Deutsche Dendrologische Gesellschaft (DDG) einig. Deswegen haben die Baumforscher eine Initiative ins Leben gerufen, um besonders alte Bäume zu schützen.

In ganz Deutschland sucht sie nach potenziellen ‚Nationalerbe-Bäumen‘ – also Bäumen, die mindestens 400 Jahre alt werden können. Mit der Eiche aus dem Saarland steht jetzt in jedem der 16 Bundesländer einer dieser Nationalerbe-Bäume.

Plötzlich um 300 Jahre gealtert

Wie alt die Eiche ist, lässt sich aus alten Dokumenten herleiten. Das Skurrile daran: Noch vor etwa zwei Wochen wurde das Alter des Baumes auf rund 350 Jahre geschätzt. Doch dann tauchte ein Protokoll von 1487 auf, in dem der Baum als „groiss eiche“ erwähnt wird.

„Und wenn die Eiche da schon als groß beschrieben wurde, muss sie schon gut 100 Jahre alt gewesen sein“, erklärt Prof. Andreas Roloff von der TU Dresden. Bei ihm ist die Freude über das spontane Altern des Baumes riesig. Die 650 Jahre alte Eiche ist damit nämlich der wahrscheinlich älteste Baum im Saarland.

Richteiche Gangolf: Öffnung am Stammfuß im angeschütteten Boden (Foto: Prof. Andreas Roloff)
Durch das Loch am unteren Stamm kann man theoretisch in den Baum klettern - Sollte man aber nicht.

Was haben die 650 Jahre alten Ast-Augen alles gesehen?

Vor 650 Jahren wurde die Eiche beim Hofgut als einer von zwölf Grenzbäumen gepflanzt, zusammen mit mehreren Steinkreuzen als Marker.

Im späten Mittelalter war die Eiche sogar ein Gerichtsbaum, unter dessen Ästen Verhandlungen stattfanden – ähnlich wie heute: mit Angeklagten, Richtern und Verteidigern. Das steht in einem Dokument aus dem 14. Jahrhundert.

Todesurteile wurden aber keine verhängt. Bei den Gerichtsprozessen soll es vor allem um Grundbesitzfragen gegangen sein, erklärt Roloff.

„Im Mittelalter haben die Leute Gerichte oft unter großen Bäumen abgehalten. Die Baumkrone hat die Menschen nämlich nicht nur vor Regen geschützt, die Bevölkerung war damals noch sehr gläubig und dachte, dass Orte mit riesigen Bäumen heilig sind und dass an so einem Ort bestimmt keiner lügen würde.“ Dieser Respekt habe dafür gesorgt, dass die Menschen den Baum geschützt hätten.

Was die Eiche in Mettlach sonst noch so erlebt hat, können Forscherinnen und Forscher heute nicht mehr nachvollziehen, weil es keine Protokolle und Schriften darüber gibt.

Blick aufwärts im über 20 m vollkommen hohlen Stamm (Foto: Prof. Andreas Roloff)
Blick in den über 20m hohlen Stamm

Stamm innen komplett hohl

Die auffälligste Besonderheit des Baumes, neben seinem hohen Alter: Er ist innen auf kompletter Länge von über 20 Metern hohl. Durch ein Loch im unteren Stamm kann man sogar in den Baum kriechen und bis nach oben zur Kronenspitze hochschauen.

Eigentlich würden hohle Bäume nicht so alt, erklärt Roloff, deswegen sei dieser Baum etwas ganz Besonderes. Obwohl das innere Holz des Stamms verwittert sei, sei er immer noch sehr stabil. „Das ist wie bei einer Papprolle im Küchenpapier. Die schafft man auch kaum zu knicken.“

Dass der Baum heute immer noch steht, verdankt er vielen Faktoren: Guter Pilzabwehr, idealem Standort aber auch einer Portion Glück, dass noch niemand Brennholz aus ihm gemacht hat.

Richteiche Gangolf: Foto aus dem hohlen Stamm durch das "Fenster"-Loch eines früheren Astausbruches (Foto: Prof. Andreas Roloff)
So sieht der Blick aus dem hohlen Stamm nach draußen aus.

Was sind sogenannte Uralt-Bäume?

Sogenannte langlebige Baumarten können ein Höchstalter von über 400 Jahren erreichen, einzelne Exemplare schaffen es sogar auf über 1000 Jahre. Allerdings werden nur die wenigsten davon tatsächlich so alt. Oft werden sie vorher krank und morsch und müssen gefällt werden.

Zu den Uralt-Bäumen gehören zum Beispiel Eichen, Linden aber auch exotische Arten, wie der Ginkgo. Den gibt es in Deutschland zwar erst seit rund 240 Jahren, theoretisch kann er aber noch viel älter werden. Ob es die alte Eiche in Mettlach auf 1000 Jahre schaffen wird? Der Grundstein dafür ist jetzt zumindest gelegt.

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