"Auf dem Heimweg fahr ich gegen einen Brückenpfeiler"

Immer häufiger wird bei Menschen eine Depression diagnostiziert. Die WHO widmete der Erkrankung den Weltgesundheitstag 2017. Im Saarland leiden laut Saarländischem Bündnis gegen Depression immer mehr Menschen unter der Krankheit. Claudia aus Saarbrücken lebt seit fünf Jahren mit der Diagnose.

Die einfachsten Dinge des Lebens gingen plötzlich nicht mehr. Duschen, kochen oder der Geburtstagsbrunch der besten Freundin lagen wie unüberwindbare Hürden vor Claudia. Regungslosigkeit, Schlaflosigkeit und Lustlosigkeiten können Symptome einer Depression sein, sagt Dr. Martin Kaiser, Chefarzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Merziger SHG-Klinikum. Aber ‚depri sein‘ alleine reiche nicht aus. "Nicht jeder Erschöpfungszustand ist eine Depression. Aus einzelnen Anzeichen kann man keine Depression diagnostizieren." Das Bild der Krankheit kann die unterschiedlichsten Facetten und Schärfen aufzeigen. Oftmals ist es eine Vielzahl von Symptomen über die Erkrankte mindestens zwei Wochen klagen.

"Man befürchtet immer noch den Stempel"

Bei Claudia waren es starke Schmerzen am ganzen Körper, die sie so sehr erschöpften, dass nichts mehr so leicht war wie vorher. Eine Depression hatte sie nie in Erwägung gezogen. Erst nach Jahren in der Schmerzbehandlung erkannte man, dass dahinter eine Depression stecken könnte.

Ihr Mann ist von Anfang an bis heute ihr größter Halt. Aber was erzählt man Freunden und vor allem Kollegen, wenn man wochenlang nicht arbeiten kommen kann? "Man befürchtet einfach immer noch den Stempel." Deshalb hat Claudia lange mit sich gekämpft, wie sie sich nach außen erklären und sich dann entschlossen: "Ich gehe offen mit meiner Krankheit um."

Gerade auf ihrer Arbeit sind ihr fast alle Kollegen und Vorgesetzten mit unglaublich viel Verständnis begegnet. Auch, weil viele in ihrem privaten Umfeld Menschen kennen, die unter einer Depression leiden.

"Man ist dann auch nicht traurig, sondern tot. Richtig tot."

Trotzdem ist es für Außenstehende oft schwierig zu begreifen, was in depressiven Menschen manchmal vorgeht. "Ich fühle mich manchmal wie eine Satellitenschüssel, die Programme aus aller Welt empfängt. Und zwar gleichzeitig. Das ist kein Grübeln mehr. Das sind gefühlt 1000 Gedanken in der Sekunde, die auf mich einstürmen." Dieses Gedankenkarussell dann anzuhalten, sei fast nicht möglich, sagt die 54-Jährige. Ihr Umfeld dringt dann auch nur noch schwer zu ihr durch. "Das schlimme an den ganz dunklen Zeiten ist, dass man nichts mehr fühlt. Man denkt ja immer, ein depressiver Mensch ist tottraurig und weint. Die meisten können dann nicht mehr weinen. Man ist dann auch nicht traurig, sondern tot. Richtig tot."

Infotelefon

Das Saarländische Bündnis gegen Depression bietet zum Weltgesundheitstag am Freitag, dem 7. April, von 15.00 bis 18.00 Uhr ein Infotelefon zum Thema Depression für Betroffene und Angehörige an:
0681-4 03 10 -67 / -42
0681-96 02 13 10

Wenn Claudia an den schlimmsten Tag mit der Krankheit zurückdenkt, gruselt es sie heute. Im November 2013 hatte sie einen Nervenzusammenbruch. Auf dem Weg zu einem Arbeitstermin nach Merzig beschließt sie für sich: "Auf dem Heimweg fahr ich gegen einen Brückenpfeiler." Die berufliche Pflicht will sie aber vorher noch erfüllen. Auf dem Rückweg sucht sie sich eine ruhige Strecke, wartet auf wenig Verkehr. Erst der Gedanke daran, wie sie nach dem Unfall gefunden wird, hält sie im letzten Moment noch einmal davon ab. Danach ist sie so schockiert über sich selbst und entschließt sich, wieder in eine Klinik zu gehen.

Die Krankheit kann tödlich enden. Über vollständige Heilung sprechen Ärzte nicht. Die Chance, Beschwerden zu lindern sei aber sehr hoch, sagt Dr. Martin Kaiser: "Es ist zwar oft eine lebenslange Erkrankung. Einzelne Phasen können immer wieder kommen." Mit der richtigen Behandlung könne man aber die Depression in Schach halten und so die dunklen Phasen eliminieren. Kaiser vergleicht es mit anderen Krankheiten, wie zum Beispiel Diabetes. Nähmen Zuckerkranke nicht ihre Medikamente, hätten sie ihre Krankheit auch nicht im Griff. Eine Garantie, die Rückfälle ausschließt, bekommen Depressive selten. 

Die Ursachen sind schwer zu ergründen

Die Gründe einer Depression sind so vielschichtig wie die Krankheit selbst. Nicht immer ist es das traumatische Ereignis, das eine Depression auslöst. Die Krankheit ist auch vererbbar. Deshalb ist die Suche nach Ursache manchmal fast aussichtslos.

Als Claudia das letzte Mal bei ihrer Ärztin war, stellte sich heraus: Eine Heilung ist wahrscheinlich nicht möglich. Eine Ursache wird man nicht mehr finden. Sich noch auf die Suche zu einem Grund in unsichtbarer Tiefe aufzumachen, verbraucht am Ende vielleicht nur kostbare Energie, würde aber keine Ursache zutage fördern.

Also lebt Claudia mit der Krankheit: "Ich kann lernen, die Krankheit zu managen." In unregelmäßigen Abständen ist sie noch in Behandlung und besucht regelmäßig die Selbsthilfegruppe des Saarländischen Bündnisses gegen Depression. Zwei Dinge hat sie aber erkennen müssen: Ihre Krankheit zu akzeptieren. Noch wichtiger ist es aber für sie: "Ich darf mich nicht als Opfer sehen." Nur so sei sie in der Lage, selbst über sich zu bestimmen und nicht die Krankheit gewinnen zu lassen. "Dann kann ich auch etwas für mich tun."

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