Eine leere Medikamentenverpackung liegt auf den Boden (Foto: IMAGO / Panama Pictures)

Wer hat Angst vor Psychopharmaka?

  10.08.2023 | 10:05 Uhr

Psychopharmaka haben ein schlechtes Image - dabei können sie richtig eingesetzt helfen. Wir zeigen Vor- und Nachteile und worauf ihr achten solltet.

„Glückspillen” oder „Psycho-Meds”: Wenn es um Psychopharmaka geht, kursieren viele Vorurteile, Unwissen und Ängste. Zu der gesellschaftlichen Stigmatisierung gesellt sich bei Betroffenen häufig die Selbst-Stigmatisierung, die verschiedene Gesichter haben kann, z. B.:

💊 Angst vor Persönlichkeitsverlust oder -veränderung („Bestimmt werde ich dann anders/komisch…“) 
💊 Infragestellen der Notwendigkeit („Sowas brauche ich nicht. Anderen geht es doch viel schlechter als mir.“) 
💊 Angst vor der Reaktion des sozialen Umfelds („Dann denken endgültig alle, ich bin verrückt.“) 
💊 Angst vor Abhängigkeit („Bestimmt bin ich dann sofort süchtig und fremdbestimmt.“) 
💊 Gefühl des Eingeständnis von Schwäche („Wenn ich es nicht ohne Medikamente schaffe, bin ich schwach.“)

Fakt ist: Jeder Mensch hat das Recht, sich für oder gegen eine bestimmte Therapieform zu entscheiden und Behandlungsformen kritisch zu hinterfragen. Psychische Erkrankungen sind multifaktoriell bedingt, auch psychosoziale Ursachen spielen eine Rolle. Unbestritten ist, dass nicht jede*r psychisch erkrankte Mensch - akut oder auf Dauer - Medikamente benötigt. 
 
Fakt ist aber auch: Eine evidenzbasierte und aufgeklärte pharmakologische Behandlung ist für viele Betroffenen zentral, um Entlastung zu erfahren und ihren Symptomen zu begegnen – und sie ist in vielen Fällen auch schlicht und ergreifend lebensrettend. Medikamente sollten allerdings nie die einzige Behandlungsmöglichkeit sein, sondern immer Teil eines Therapiekonzeptes, das auch Psychotherapie und psychosoziale Hilfen einbezieht.

Entgegen gängiger Vorurteile...  

💊 … machen nicht alle Psychopharmaka abhängig. Die im Rahmen der Depressionstherapie häufig verschriebenen Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI’s) haben bspw. kein Suchtpotenzial. Vorsicht ist bei Schlaf- oder Beruhigungsmitteln wie bspw. Benzodiazepinen und Z-Substanzen (Zolpidem, Zopiclon und Zaleplon) geboten. Diese dürfen nur unter ärztlicher Aufsicht und über einen kürzeren Zeitraum eingenommen werden, da sie ein hohes Suchtpotenzial haben. 

💊 … verändern Psychopharmaka nicht die Persönlichkeit. Antidepressiva wie SSRI’s helfen bspw., den Gemütszustand vor der Depression wieder zu erreichen. Eine andere Gruppe der Psychopharmaka, die Stimmungsstabilisier, werden eingesetzt, um manischen oder depressiven Episoden, die z. B. im Rahmen einer bipolaren Störung auftauchen können, vorzubeugen. Diese Medikamente wirken nicht auf die Persönlichkeit, sondern auf die Stimmung und das Emotionsspektrum von Patient*innen. Das wird von Betroffenen in Akutphasen in der Regel als entlastend empfunden. 

💊 … ist die Einnahme von Medikamenten kein Zeichen von Schwäche. Betroffene von psychischen Erkrankungen tragen keine Schuld oder Verantwortung dafür, dass sie erkrankt sind. Die Einnahme von Medikamenten ist – genauso wie bei körperlichen Erkrankungen – ein probater und legitimer Bestandteil der Behandlung. Bei schweren Depressionen oder psychotischen Zuständen sind Medikamente zudem häufig überlebenswichtig und verhindern, dass im Leben der Betroffenen zu viel kaputt geht.


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