"Die Nazijäger"
Das packende Leben von Beate und Serge Klarsfeld als Comic
Sie sind ein außergewöhnliches Paar: Beate und Serge Klarsfeld. Jahrzehnte haben die beiden Nazi-Verbrecher auf der ganzen Welt gejagt, um sie vor Gericht zu stellen. Ihr Leben haben sie dem Kampf gegen das unmerkliche Versickern der Naziverbrechen in der Vergangenheitgewidmet. Nun gibt es ihren „Kampf gegen das Vergessen“ auch als Comic. Sabine Wachs hat die beiden in ihrer Pariser Wohnung getroffen.
Lange muss Beate Klarsfeld nicht suchen, bis sie die Szene im Buch findet, die sie, aber auch ihren Mann und ihren gemeinsamen Kampf weltbekannt machten: Sie spielt auf dem Parteitag der CDU in Westberlin 1968.
„Als ich die Kongresshalle sah, unten die Besuchertribüne, hinter der Kiesinger und die anderen saßen, sah ich: Man musste runtergehen. Die Sache lief gut, ich ging runter, die letzte Schwierigkeit war, hinter den Tisch zu gehen, da waren zwei Saalordner, die ließen mich dann durch, sagten, beeilen sie sich, Kiesinger wird seine Rede halten. Und einmal hinter Kiesinger, bon, die Sache war gelaufen, ich schrie „Kiesinger, Nazi, Abtreten“ und Kiesinger drehte sich um, wusste, wer ich war. Das war das Symbolische. Ein junges Mädchen, die einen Nazi schlägt.“ Beate KlarsfeldBundeskanzler ohrfeigen: geschichtsbewusster Skandal!
Nicht nur im Comic, auch im echten Leben, sagt Beate Klarsfeld, war die Ohrfeige der Beginn eines, teils auch radikalen Engagements, das sie und ihr Mann Serge bis heute nicht aufgegeben haben. Sie, eine Deutsche, Nichtjüdin, er französischer Jude, dessen Vater in Auschwitz umgekommen war. Gemeinsam hatten sich Beate und Serge Klarsfeld das Ziel gesetzt, Alt-Nazis aufzuspüren, NS-Verbrecher vor Gericht zu stellen. Auch wenn sie sich fast ihr ganzes Leben auf unzähligen Wegen gegen das Vergessen der Shoa, gegen Antisemitismus, Hass und Hetze engagiert haben – sind sie vielen Menschen vor allem als „Nazijäger“ bekannt.
„50 Jahre auf 192 Seiten zu bringen, ist nicht einfach.“ Pascal Bresson
Fast drei Jahre hat Bresson recherchiert, hat Beate und Serge Klarsfeld immer wieder getroffen. Sie haben ihm nicht nur aus ihrem bewegten Leben erzählt, sie haben ihm auch Zugang zu ihren Archiven gewährt, ihm Akten und Dossiers zur Verfügung gestellt. Darunter alles zu ihrem wohl berühmtesten Fall – der Jagd nach dem Nazi Klaus Barbie, dem „Schlächter von Lyon“.
„Die Jagd nach Klaus Barbie hat 12 Jahre gedauert. Sie haben in diesem 12 Jahren aber nicht nur Barbie gejagt, sie haben auch immer noch andere Sachen gemacht und es ist wichtig für mich, als Autor auch zu wissen, was sie noch alles gemacht haben und trotzdem musste ich mich beschränken. Ich habe mich auf das konzentriert, was die Menschen mit den Klarsfelds verbinden.“ Pascal Bresson
Spannend und dramaturgisch ist das aufgebaut, wie ein Krimi packend ist das, was Autor Pascal Bresson und Zeichner Sylvain Dorange im wahrsten Sinne des Wortes „aufgezeichnet“ haben. So die Jagd nach Naziverbrecher Klaus Barbie:
„Wir hatten jemanden in Peru, der Klaus Barbie wiedererkannte. Er lebte zwischen Bolivien und Peru. Und wir haben ihn aufgedeckt. Ich bin dann mehrere Male nach Peru, er ist dann nach Bolivien geflüchtet. Wir haben versucht ihn zu entführen, bon, das ist dann nicht geglückt. Als die Regierung in Bolivien dann wechselte, als die Sozialisten an die Macht kamen, ist er dann festgenommen worden und nach Frankreich verbracht worden, nach Montluc, wo er die Widerstandskämpfer erschossen hatte.“ Serge Klarsfeld
Wie viele andere: Untergetaucht, weitergelebt, endlich verurteilt
Daneben gibt die Graphic Novel auch Einblicke in den ungewöhnlichen Alltag einer öffentlichen Familie im Bemühen um „Normalität“. Lange Zeit lebten die Klarsfelds bei Serges Mutter. Sie unterstützte ihren Kampf. Zwei Attentate hat die Familie unbeschadet überlebt – und viele rührende Momente.
„Als Serge zum ersten Mal in Auschwitz war, auf den Spuren seines Vaters. Es war sehr kalt an diesem Tag, er war fast alleine auf dem Gelände. Er berührte die Steine des Krematoriums, der Gaskammern. Er hat mir das erzählt und es hat mich sehr berührt. Er sagte, er hatte das Gefühl die Stimmen der Deportierten zu hören. Sie sagten ihm. Es ist deine Aufgabe, die Schuldigen zu finden. Und da war ihm alles klar.“ Beate Klarsfeld
Zeichner Sylvain Dorange hat alle Rückblicke in der Geschichte in Schwarz-weiß gehalten. Das macht sie umso eindrücklicher, emotionaler. Mit größtmöglicher Liebe zum Detail. Einzig die beiden Hauptfiguren der Geschichte sehen ihren Originalen, Serge und Beate Klarsfeld, fast gar nicht ähnlich:
„Nee, nicht unbedingt, aber man hat hinten einen Anhang mit Fotos und sieht, wie wir richtig ausgesehen haben. Aber es ist wahrscheinlich ganz schön für die Jugendlichen, wenn wir ein bisschen anders dargestellt werden, auch ein bisschen lustiger.“ Beate KlarsfeldWie viele andere: Untergetaucht, weitergelebt, endlich verurteilt
Eitel sind sie und ihr Mann nicht. Ihnen ging es nie um sich selbst. Auch mit Mitte 80 geht es den beiden noch immer um ihren Kampf, um ihr Engagement und darum, anderen, vor allem auch jungen Menschen Mut zu machen.
„Vielleicht zeigt dieses Buch auch, dass sich zwei heute ältere Menschen damals engagiert haben. Und man soll sagen, ihr Jugendlichen, ihr habt heute alles, was ihr braucht, es geht euch gut. Aber ihr müsst euch engagieren und wenn ihr was tun wollt, dann tut es sofort.“ Beate Klarsfeld
Die bisherigen Artikel von sr.de/bd
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Konzept
Die Comicbegeisterung in Frankreich ist mit dem deutschen Comicmarkt nicht zu vergleichen. Aber sie schwappt auch über die Grenze: Gut die Hälfte aller frankophonen Bücher, die für Deutschland übersetzt werden, sind Comics. Von den Klassikern wie Asterix oder Lucky Luke bis zu heutigen Serien wie Largo Winch oder XIII, von Cartoongrößen wie Sempé oder Pénélope Bagieu bis hin zu den Zeichnern und Zeichnerinnen von Charlie Hebdo oder den Graphic Novels eines Guy Delisle.
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