„Sagt dazu der Franz ...“: „Literatur im Gespräch“
Mittwoch, 29. Mai, 19.15 Uhr
Ein Gespräch zwischen Milena Jesenská und Ernst Pollak über Franz Kafka. Szenische Lesung von Alena Wagnerová
Wien, 1920. Milena Jensenská ist mit Ernst Pollak in die österreichische Hauptstadt umgezogen. Hier hat die tschechische Journalistin und Übersetzerin, die leidlich Deutsch spricht, zunächst nur wenige Kontakte. Ernst Pollak hat sie zwar aus der Nervenheilanstalt Veleslavín befreit und geheiratet, auch um sie vor dem wirkmächtigen Vater zu beschützen, doch kaum am Wiener Hauptbahnhof angekommen, stürzt der Schürzenjäger zu einer seiner Geliebten und lässt Milena stehen.
Ohnehin scheint in manchen Wiener Kreisen der 1920er Jahre, in denen der Literaturkritiker und Kaffeehaushabitué Pollak rasch zu Hause ist, bereits das Motto der 1968er zu gelten: „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“. Dem kann die 24-Jährige Jesenská wenig abgewinnen.
In Franz Kafka, dessen erste Übersetzerin sie war, findet sie einen Verehrer, der die papierne der körperlichen Liebe vorzieht. Seine „geschriebenen Küsse“ sind so viel ernster gemeint als die Annäherungen der promiskuitiven Wiener Herrenwelt. Und so schöne Liebesbriefe wie sie Franz Kafka an Milena Jesenská schickte, suchen nicht nur in der Literaturgeschichte ihresgleichen, sondern machen im wirklichen Leben auch den abgezockten Ehemann eifersüchtig.
Fragt sich nur, auf wen Ernst Pollak neidisch schielt? Auf den Mann, der seiner Ehefrau solche Zeilen schickt? Oder auf die Frau - seine Frau - die von Kafka so viel Verehrung erfährt? Ausgerechnet Kafka, den er, Ernst Pollak, doch selbst vergöttert!
80 Jahre nach Milena Jesenskás Tod im Konzentrationslager Ravensbrück im Mai 1944 entwirft ihre Biographin, die Saarbrücker Autorin und Kafka-Expertin Alena Wagnerová, ein fiktives Gespräch über Franz Kafka in Wien, in der Lerchenfelderstraße 113. Hier wohnten die Eheleute Pollak-Jesenská.
Wir schreiben den 6. Juli 1920. Eben hat Milena Jesenká, hier gespielt von Christiane Motter, einen Brief bekommen. Ernst Pollak, hier gespielt von Fabian Gröver, weiß es schon. Und ist not amused.
Regie bei dieser Produktion des Saarländischen Rundfunks führte Denise Dreyer.
Am Mittwoch, 29. Mai, 19.15 Uhr, in "Literatur im Gespräch" auf SR 2 KulturRadio.