Berliner Kinderhospiz Haus Sonnenhof (Foto: Christian Chang-Langhorst)

Land und Leute - "Gestorben wird erst morgen"

Wenn Kinder aus dem Leben gehen

  29.10.2018 | 15:11 Uhr

„Wichtig ist erstmal eine Offenheit für dieses Thema, auch die Bereitschaft, sich mit schweren Erkrankungen oder mit Tod und Sterben auseinanderzusetzen." Hingebungsvoll hat mir Beate Leonhard-Kaul von der Arbeit des Ambulanten Kinderhospizdienstes Saar erzählt. Zu hören am Sonntag, 4. November, ab 12.30 Uhr auf SR 3 Saarlandwelle.

Hingabe für den Beruf

Hingabe. Selten habe ich solch große Portionen davon gesehen. Auch bei Pia Heinreich: „Bis zum Tod ist es Lebenszeit“, sagt sie. Pia leitet den Pflegedienst im Berliner Kinderhospiz Sonnenhof. Eine helle Altbauvilla mit großen Glasfronten, die die Sonne reinlassen. Der Ambulante Kinderhospizdienst Saar und der Sonnenhof in Berlin Pankow, nur zwei Stationen auf meiner Reise quer durch Deutschland, von der nun meine Figur, der 19-Jährige Milan Flubis, in einem Hörfunkfeature erzählt. Vom Spielplatz und dem schalldichten Partypavillon im Garten des Sonnenhofs. Vom Kicker, der gleich im Foyer steht. Mitleid sei das Letzte, was die Kinder hier gebrauchen können, sagt Pflegerin Nina Lino: „Die wünschen sich, vielleicht noch mal Spaß zu haben, vielleicht eine Party zu feiern, vielleicht noch mal einen Ausflug zu unternehmen, vielleicht abends am Lagerfeuer sitzen und ein Bier zu trinken.“ Michaelas Tochter Henriette ist Gast im Sonnenhof. Henriette ist zweieinhalb Jahre alt und unheilbar krank. Sie soll nicht im Krankenhaus, sondern im Kinderhospiz versterben. Eindringlich beschreibt Michaela, was das Schicksal mit ihr und sie aus dem Schicksal macht: „Man hört mehr auf sich, man wertet anders, man sieht, was wichtig ist. Es ist auch eine Chance für andere, da Sachen zu sehen, die sie vielleicht sonst erst sehen würden, wenn sie alt sind.“

"Hinschauen"

In Deutschland leben etwa 45.000 Kinder und Jugendliche mit lebensbegrenzenden Erkrankungen. Jährlich sterben 3.000 bis 5.000 an einer solchen Erkrankung. Sterbenskranke Kinder bekommen wir kaum zu Gesicht. Das liegt auch daran, dass wir weggucken. Marion Getz aus Germering bei München leitet das JoMa-Projekt, das Familien mit unheilbar kranken Kindern unterstützt. Sie sagt, dass auch die Medien weggucken: „Es ging um eine Spendenübergabe, und dann sollte auch berichtet werden über unser Projekt. Und die Pressevertretung wollte gerne ein anderes Foto verwenden, weil unsere Kinder halt doch nicht so fotogen und schön sind. Und dann taucht in diesem Zeitungsartikel ein ganz hübsches, niedliches, kleines Neugeborenes auf.“ Ein Beweggrund, dieses Feature zu produzieren: Hinschauen. Marion: „Wenn man Familien fragt, was sie am meisten an ihrer Lebenssituation belastet, antworten die nicht: die Krankheit des Kindes, sondern die antworten: das Umfeld. Das sind die Kämpfe mit der Krankenkasse, die Kämpfe um Inklusion, das Rechtfertigen gegenüber der Gesellschaft, das fordert am meisten Energie von ihnen.“ Marion Getz spricht aus Erfahrung. Ihr Sohn Joshua starb im Alter von 13 Jahren. Joshua verlor einen langen Kampf gegen die unaufhaltsam voranschreitende Stoffwechselkrankheit Leukodystrophie.

"Kinder spielen, egal ob sie krank sind"

Menschen zu treffen, die sich um sterbenskranke Kinder kümmern, seien es Eltern, Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger sowie Therapeutinnen und Therapeuten, ist bereichernd. In Bremen war ich mit Klinik-Clownin Wilma verabredet. Auf der Station 5 der Professor Hess Kinderklinik. Die Kinderkrebsstation. Clownin Wilma kommt gar nicht auf die Idee, ein trauriges Gesicht aufzusetzen. Sie hopst, sie tutet, sie singt und spielt die Kalimba. Dabei schaut sie ganz genau auf die Kinder, auf deren Wünsche, die sie zum Teil von den Augen ablesen muss. Wilma: „Kinder spielen, egal ob sie krank sind, und bis zuletzt spielen Kinder. In dem Moment, wo ich in der Clownin bin und die Kinder besuche, nehme ich gar keinen Unterschied wahr zu sonstigen Spielen mit anderen Kindern.“ Christiane Wagner macht Hausbesuche. Sie arbeitet ehrenamtlich für den ambulanten Kinderhospizdienst Saar. In Sulzbach kümmert sie sich um die schwerkranken Zwillingsschwestern Bisan und Layan: „Nachdem ich aufgehört habe, beruflich zu arbeiten, wollte ich gerne noch irgendwas Sinnvolles machen und habe mir dann so gedacht, das ist so meins mit behinderten Kindern, habe dann diesen Befähigungskurs gemacht, und dann hatten wir das Glück, dass wir dann zueinander gefunden haben.“

Wenn Kinder aus dem Leben gehen, sollten sie von solchen Menschen begleitet werden. Menschen, die Zeit und Hingabe investieren. Ohne diese Empathie und ohne Ehrenamt und Spenden könnten die meisten Kinderhospizdienste nicht arbeiten. Eigentümlich für eine Wohlstandsgesellschaft. Auch davon erzählt das Hörfunkfeature „Gestorben wird erst morgen“.

„Land und Leute“, am kommenden Sonntag. 4. November, ab 12.30 Uhr auf SR 3 Saarlandwelle – im Anschluss auch als SR 3-Podcast abrufbar.

Ein Feature von Christian Chang-Langhorst.

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