Was geschah im Fidelishaus?
Erziehung im Namen des Herrn
Im Zuge der Untersuchungen von Missbrauchsfällen, innerhalb der katholischen Kirche, kamen auch Fälle von Kindes-Misshandlung im früheren Jungeninternat Fidelishaus in St. Ingbert zu Tage. Das Feature zeichnet nach, was hier Kinder und Jugendliche über Jahrzehnte zu erleiden hatten.
Das Fidelishaus – idyllisch gelegen am Stadtrand von St. Ingbert. Seit gut 25 Jahren ist dort ein Seniorenheim der Arbeiterwohlfahrt angesiedelt. Zuvor allerdings war das Fidelishaus rund 70 Jahre lang ein Jungeninternat unter Leitung der Katholischen Kirche, federführend der Kapuzinerorden aus Bayern. Drei Mönche führten das Internat über die Jahrzehnte.
Doch ihre speziellen "Erziehungsmethoden“ wirken bei vielen ihrer Zöglinge bis heute nach. Die Schüler waren einem strengen Regiment unterworfen, der Tagesablauf genau geregelt. Vor allem aber: Schon bei geringsten "Vergehen“ drohten schwere Strafen.
Internatszeit hinterlässt tiefe Spuren
Ohne Zweifel wurden Kinder und Jugendliche bis in die 70er Jahre hinein auch in vielen Elternhäusern und Schulen erheblich härter angefasst als heute üblich und zulässig. Im Fidelishaus allerdings gingen die Methoden seelischer und körperlicher Strafen deutlich über das hinaus, was damals gesellschaftlich toleriert wurde. Das zumindest erzählen ehemalige Schüler, die erst jetzt, Jahrzehnte später, ihr Schweigen brechen und vor der Kamera öffentlich über die damaligen Geschehnisse sprechen. Sie haben Erniedrigungen, Demütigungen und körperliche Attacken erlebt.
Aus heutiger Sicht empfinden sie die Strafen als "grausam“ und "am Rande der Legalität“, manches ging sogar darüber hinaus. Doch wohin sollten sie sich wenden? Von den Erziehern hatten sie keine Hilfe zu erwarten, und viele Eltern der damaligen Kriegsgeneration standen im Zweifel eher auf der Seite der "Pädagogen“ als hinter ihren Kindern. So suchten viele die Schuld bei sich selbst. Bei manchen haben die Jahre in diesem Internat tiefe seelische Spuren hinterlassen und ihr gesamtes späteres Leben überschattet.
Doch über all das gibt es keine öffentlichen Dokumente. Alles blieb unter Verschluss, weil niemand darüber sprach, "aus Angst, Scham und Verzweiflung“, wie ehemalige Schüler heute sagen.
Wie konnte es zu diesem Umgang kommen?
SR-Autor Roman Thewes zeichnet in seinem Feature nach, was über Jahrzehnte im Fidelishaus geschah. Es kommen Zeitzeugen zu Wort, die in den 50er, 60er und 70er Jahren in diesem Internat lebten und jetzt zum Teil schon im Rentenalter sind. Der Film ist weit mehr als eine reine Beschreibung der damaligen Geschehnisse. Er stellt auch die Frage, wie es zu überhaupt zu einem solchen Umgang mit Schutzbefohlenen kommen konnte – und inwiefern vielleicht auch religiöse Riten und Denkweisen der damaligen Zeit ein solches Verhalten gefördert haben. Der Fall Fidelishaus zeigt auch symptomatisch, dass die Aufarbeitung von Verfehlungen der Nachkriegszeit noch lange nicht abgeschlossen ist, sondern vielleicht gerade erst begonnen hat.
Am Samstag, 28. Mai, 18.45 Uhr, im SR Fernsehen. Von Roman Thewes.