Themenabend: Freier.Huren.Paradies? – Prostitution in Deutschland

Was Freiwilligkeit in der Prostitution bedeutet und was wirklich mit den Frauen im Milieu geschieht, zeigt jetzt eine Dokumentation des Saarländischen Rundfunks. In dem Radiofeature „Mythos Hurenparadies – Wie Frauen in Deutschland prostituiert werden“ haben zwei SR-Autoren im ausufernden Saarbrücker Rotlichtmilieu recherchiert und eine Szene kennengelernt, die alles andere ist als ein Paradies für selbstbestimmte und unabhängige Sexarbeiterinnen.

Jetzt hat sich die große Koalition in Berlin auf eine Reform des Gesetzes geeinigt. Aber reichen die Maßnahmen wirklich aus, um Frauen vor der organisierten Kriminalität und der Ausbeutung durch skrupellose Zuhälter und Freier zu schützen? Wäre das schwedische Modell der Freierbestrafung nicht auch ein Vorbild für Deutschland? Oder muss das Gesetz im Gegenteil noch liberaler gestaltet werden, wie der „Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen“ fordert?

Darüber diskutieren im Saarbrücker Schlosskeller am 12. März ab 20.00 Uhr unter anderem eine Aussteigerin, ein Experte für Organisierte Kriminalität und eine Sozialarbeiterin. Gastgeber im Saarbrücker Schlosskeller ist Thomas Bimesdörfer, Moderator im SR 2-Studio ist Robert Hecklau.

Zu der gemeinsamen Veranstaltung von SR 2 KulturRadio und der Volkshochschule im Regionalverband Saarbrücken gehört die öffentliche Vorführung des Features von Lily Seller und Peter Buyer: „Mythos Hurenparadies – Wie Frauen in Deutschland prostituiert werden.“

Sex als Ware?

Zur Sendung: Lola arbeitet in einem Massagesalon. Auf Wunsch können die Gäste „Handentspannung“, Französisch oder Geschlechtsverkehr dazu buchen. Seit über zwölf Jahren ist Lola Prostituierte. Ohne Zwang, ohne Zuhälter. Außerhalb des Etablissements führt sie ein anderes Leben, als Krankenschwester und Mutter: „Das musst du komplett trennen, das geht nicht anders. Wenn ich hier reinkomme, dann muss ich einfach sagen: klack, jetzt bin ich Lola und gut. Und wenn ich hier rausgehe, dann bin ich einfach wieder normal Frau, normal Mutter, und fertig.“ Das ist genau der Punkt, an dem Marie fast zerbrochen ist. Auch sie hat jahrelang als Prostituierte gearbeitet, bis sie ihr Körpergefühl und den Respekt vor sich selbst fast verloren hatte. Heute kämpft sie dagegen, dass Frauen als Ware behandelt werden. Prostitution ist in erster Linie ein gesellschaftliches Problem, da sind sich auch die Gründerinnen von Stoppt Sexkauf in Deutschlands Prostitutionshauptstadt Saarbrücken sicher: wenn Frauen zur Ware werden, dann stimme etwas mit unserer Wahrnehmung nicht. In einer gleichberechtigten Gesellschaft dürfe Sex nicht zum Produkt werden. Doch genau das bieten Großbordelle wie das „Paradise“ in Saarbrücken oder Stuttgart an: Sex ist eine legale Ware, der Frauenkörper ein Produkt.

Wie denken Prostituierte und Aussteigerinnen, welche Rolle spielen die Bordellbesitzerinnen? Und was sind Frauen in den Augen der Freier wert? Ist eine Gesellschaft, in der man Frauen kaufen kann gnadenlos rückständig? Oder ist Prostitution ein „Job wie jeder andere auch?“ Die Autoren – eine Frau und ein Mann – untersuchen das reale und das gedankliche Sperrgebiet der Prostitution: Sie forschen und fragen nach u.a. im Großbordell, im Privatclub, im frauengeführten Massagesalon. Die Recherche legt nicht nur die Gedanken- und Gefühlswelt der Betroffenen offen, sondern stellt auch die eigenen Positionen in Frage: Jeder kann zum Käufer, zur Verkäuferin werden. Aber: Was macht das mit den Menschen?

Von der Domina zur Grande Dame

Die Gäste im Saarbrücker Schlosskeller und die Hörerinnen und Hörer von SR 2 KulturRadio können sich an diesem Abend mit ihrer Meinung zu Wort melden. Die Telefonnummer ins Studio: 0681/602-65100. Auf www.sr2.de können sie auch über unseren Blog mitdiskutieren.

Auch SR 3 Saarlandwelle beschäftigt sich mit dem Thema, und zwar schon am Dienstag, 8. März, 20.04 Uhr in der Sendung „Aus dem Leben“. Zu Beginn ist eine Kurzfassung des Beitrages „Mythos Hurenparadies. Wie Frauen in Deutschland prostituiert werden“ von Lily Seller und Peter Buyer zu hören. Danach unterhält sich Moderator Uwe Jäger mit Camille Lawinger. Sie ist Chansonsängerin, Autorin, Lebenskünstlerin und Grande Dame. Aber sie war auch einmal Hure, Striptease-Tänzerin und Domina. Sie erzählt, wie sie diese Jahre erlebt hat. Wie sie sich eine neue Existenz aufbaute. Und wie sie heute lebt.

In SR 1 Abendrot sind am Montag, 7. März, ab 20.00 Uhr die Autoren des Features „Mythos Hurenparadies – wie Frauen in Deutschland prostituiert werden“ zu Gast bei Moderator Roland Helm: Peter Buyer und Lily Seller berichten in der Sendung auf SR 1 Europawelle von den schwierigen Recherchen im Saarbrücker Rotlichtmilieu und lassen Frauen, Freier und Bordellbesitzer zu Wort kommen.