Die Ligne Maginot Aquatique – Schutzwall aus Wasser
Heute sind sie beliebte Naherholungsziele für Menschen von beiden Seiten der deutsch-französischen Grenze: die lothringischen Weiher bei Puttelange-aux-Lacs. Doch dieses Idyll hat eine kaum bekannte dramatische Geschichte.
Sendung: Karfreitag 15.04.2022 18.45 Uhr
In der französischen Verteidigungslinie „Ligne Maginot“ klaffte auf der Höhe von Saarbrücken eine 30 km lange Lücke. Denn das Saargebiet steht zum Zeitpunkt des Baubeginns unter Verwaltung des Völkerbunds. Frankreich will keine Provokation und sucht für diesen Abschnitt eine diskretere Lösung: Es entsteht ein ausgeklügeltes System, mit dem der gesamte Sektor binnen 48 Stunden geflutet werden kann. Dazu werden Staudämme gebaut und rund um Puttelange Weiher angelegt.
Impressionen: Ligne Maginot Aquatique
Dank der Arbeit von Philippe Keuer und vielen Mitstreitern sind die Spuren der Ligne Maginot Aquatique inzwischen auch touristisch erschlossen.
Lokalhistoriker Philippe Keuer
Festungsexperte Michel Truttmann
Heute sind sie Freizeitparadiese: Die Weiher rund um das lothringische Puttelange-aux-Lacs, wie hier der Nieder-Hoster Weiher
Der Nieder-Hoster Weiher – im Vordergrund die Staumauer mit dem rot gedeckten Gebäude, in dem sich das Siphon-System zur Wasserregulierung befindet.
Derselbe Ort aus der Vogelperspektive
Die Anlagen in seinem Inneren sind noch original erhalten und funktionstüchtig.
Im Musée du Pays d’Albe et de la Ligne Maginot Aquatique in Sarralbe ist die Geschichte dieser außergewöhnlichen Befestigungslinie nachgezeichnet.
Im französischen Befestigungssystem „Ligne Maginot“ klaffte auf Höhe von Saarbrücken ein etwa 30 km langes Loch. Es wurde „la Trouée de la Sarre“, die „Saar-Lücke“ genannt. Diese Lücke war beabsichtigt.
Marineinfanteristen des 41ème Régiment de Mitrailleurs de l’Infanterie Coloniale in den überschwemmten Wiesen nahe der Redoute 117. Sie unterstützten die eigens für die Ligne Maginot Aquatique gegründete „Compagnie de la mise en oeuvre des inondations“ („Flutungs-Kompanie“).
Flutungsabschnitte an Saar, Albe und Mutterbach sowie die Weiher, deren Wasser die Flutungen am Mutterbach verstärken sollten.
Zu Kriegsbeginn am 1. September 1939 wurde die französische Zivilbevölkerung aus dem Gebiet zwischen der Ligne Maginot und der Grenze zu Deustchland evakuiert.
Das Wasser des Stockweihers und des Mittersheimer Weiher, die beide aus dem 19. Jahrhundert stammen, sollten die Flutungen im Saartal verstärken.
Flutungen zum Zeitpunkt des deutschen Angriffs auf die Ligne Maginot Aquatique im Juni 1940: Aufgrund des starken Regens im vorangegangenen Herbst und Winter hatte sich das Wasser über die vorgesehenen Abschnitte hinaus von Sarralbe aus weiter nach Südwesten ausgebreitet.
Flutungen bei Puttelange-aux-Lacs, das damals noch Puttelange-lès-Farschwiller hieß, im Frühjahr 1940. Die dort stationerten französischen Soldaten nannten es „Front-Venedig“. Wenig später wurde Puttelange bei den Kämpfen um die Ligne Maginot Aquatique zerstört.
Die Väter der Ligne Maginot Aquatique: Eugène Pariset war Chef-Ingenieur des französischen Straßenbauamtes und wohnte bei Metz. Als Reserve-Offizier hatte er in einer Studie untersucht, wie man die Saar-Lücke durch Flutungen kostengünstig verteidigen könnte.
Die Väter der Ligne Maginot Aquatique: Parisets Projekt findet die Unterstützung von Paul Painlevé, französischer Kriegsminister u.a. von 1925 bis 1929. Er wird zum politischen Vater des Verteidigungsgürtels.
Die Väter der Ligne Maginot Aquatique: Die Regierungen wechseln schnell in dieser Zeit. Erst unter André Maginot, zwischen 1929 und 1932 mehrfach Kriegsminister, werden die Gelder bewilligt. In der Presse wird das gesamte, bis dahin namenlose Projekt nach ihm benannt. Der Begriff „Maginot-Linie“ ist geboren.
Die Operation "Tiger"
Am Morgen des 14. Juni 1940 greift die Wehrmacht mit der Operation „Tiger“ genau diesen Abschnitt der Maginot-Linie an und stößt auf erbitterten Widerstand.
Der Lokalhistoriker Philippe Keuer und der Festungsexperte Michel Truttmann haben über Jahre die Spuren dieses Schutzwalls aus Wasser freigelegt, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Sie finden: Die Geschichte der Ligne Maginot Aquatique muss neu erzählt und bewertet werden.