- Inklusion im Kulturbetrieb: Zusammenarbeit auf Augenhöhe
Neu ist nicht, dass sich Theater oder Kunstinstallationen inklusiv öffnen. Neu ist aber die Anzahl der inklusiven Projekte, die es aktuell gibt. Anlass genug für Sehen statt Hören-Moderator Jason Giuranna sich mal bei zwei der aktuellen Produktionen umzusehen: Wie wird hier gearbeitet?
Neu ist nicht, dass sich Theater oder Kunstinstallationen inklusiv öffnen. Neu ist aber die Anzahl der inklusiven Projekte, die es aktuell gibt. Anlass genug für Sehen statt Hören-Moderator Jason Giuranna sich mal bei zwei der aktuellen Produktionen umzusehen: Wie wird hier gearbeitet? Die bisherigen Erfahrungen tauber Künstler*innen sind nicht besonders gut: Da kommt meist eine etablierte Kultureinrichtung auf die Idee, sich mit inklusiven Etiketten schmücken zu wollen - ohne tiefes Interesse für die Menschen, deren Sprache oder deren Hintergründe - und deren Wünsche für die Umsetzung. Die Bedingungen für Fördergelder sind trotzdem schnell erfüllt und damit ist klar, wer Auftraggeber ist: die hörenden Vertreter dieser etablierten Einrichtungen. Eine wertschätzende Zusammenarbeit auf Augenhöhe haben gehörlose Künstler*innen deshalb in solchen Konstellationen oft vermisst und beanstandet. Dass es einen quantitativen Anstieg der Projektanträge im Bereich der inklusiven Kunst-, Kultur- oder Theatervorhaben tatsächlich gibt, bestätigt auf Anfrage von Sehen statt Hören auch "Aktion Mensch". So ein Zuschuss kann maximal 400.000 Euro hoch sein. Die Laufzeit kann bis zu fünf Jahre betragen. Doch auch qualitativ scheint sich einiges zu tun. So hat das Junge Theater Augsburg beispielsweise diese Förderung von "Aktion Mensch" mit einem Bündnis von der ASSITEJ, der weltweiten Kinder- und Jugendtheatervereinigung, verknüpft. Über dieses Bündnis "Perspektivwechsel" wurden Fortbildungen ermöglicht sowie ein Austausch ganz konkret mit tauben Profi-Künstler*innen. Für die Kindertheaterproduktion "Blödes Bild!" hat Susanne Reng also nicht nur den tauben Schauspieler Jan Kress aus Berlin geholt, sondern auch seine gebärdensprachkompetente Kollegin Julia Keren Turbahn und die Dramaturgin Susanne Tod, die Gebärdensprachen studiert hat. Es wird also durchaus nicht alles über die anwesende Dolmetscherin kommuniziert, sondern auch im direkten Austausch mit Jan Kress. Vielleicht auch, weil es ein gemeinsames Ritual dieses inklusiven Teams gibt: Vor jeder Probe gibt Jan im Stehkreis einen kleinen Gebärdensprachkurs. Darüberhinaus wurde das Stück nicht etwa lautsprachlich vorgegeben und gebärdensprachlich übersetzt. Basis ist ein Bilderbuch, das Regisseurin Susanne Reng ausgewählt hat. Gemeinsam haben die Theaterleute das Stück entwickelt, auf Elemente aus der Gebärdensprachkultur geachtet und ihr Ergebnis noch einmal einem kritischen Blick von außen gezeigt: Dominik Nimar ist das gehörlose "Outside Eye". Seine Aufgabe war es, zu spiegeln, ob das Stück auch gut für gehörloses Publikum umgesetzt ist. Das Visual Vernacular Videokunstprojekt "Ohne Titel" Hinter dem Videokunstprojekt steht ebenfalls ein Hörender: Der Künstler Kai Fobbe. Er betrachtet sich selbst in dieser Konstellation als Kurator, also als derjenige, der - finanziell, logistisch, organisatorisch - die Bühne bietet. Sicherlich: Er hat das Konzept entwickelt - aber nicht allein. Sein gehörloser Kollege Indika Sandaruwan Gardiwasam Punchi Hewage ist seit einem Jahr involviert und auch während der knappen Drehzeit von nur zwei Tagen erleben wir: Inhaltlich sind es vor allem die gehörlosen Darsteller*innen, die ihre Ideen und Vorstellungen in das Projekt geben und an der Umsetzung maßgeblich mitarbeiten, indem sie auch mit dem Kameramann Frank Kranstedt die Einstellungen kontrollieren wie korrigieren. Auch hier gibt es Dolmetscherinnen, die - zumindest am ersten Drehtag - helfen. Und auch hier wird direkt kommuniziert - und das klappt erstaunlich gut! So zeigt Bühnenbildner Andreas M. Wiese dem VV-Künstler Eyk Kauly seine Ideen: Angelehnt an die Hymne des Bergischen Landes - seine Heimat - , hat er Visualisierungen ausgewählt: Die Wälder, der Amboß, und so weiter. Dazu entwickelt Eyk eine Visual Vernacular Performance, die, nachdem sie aufgenommen wurde, in einem späteren Produktionsschritt in dieses Bild eingepasst wird. So verschmelzen gehörlose und hörende Kultur und Kai Fobbe stellt zufrieden fest: Hier könnte eine Allgemeinverständlichkeit entstehen und doch kann jeder – ob hörend oder nicht-hörend – bei der Rezeption dieses Kunstprojekts andere Assoziationen haben.Willkommen bei "Sehen statt Hören" - der einzigen Sendereihe in der deutschen Fernsehlandschaft, die im Bild sichtbar macht, was man sonst nur im Ton hört! Nicht im "Off", sondern im "On" werden hier die Inhalte präsentiert - mit den visuellen Mitteln des Fernsehens, Gebärdensprache und offenen Untertiteln. Zielpublikum sind vor allem die etwa 300.000 gehörlosen, spätertaubten oder hochgradig schwerhörigen Zuschauerinnen und Zuschauern in der Bundesrepublik, die ein solches Programm benötigen, das ihren Kommunikationsbedürfnissen entspricht und ihnen optimale Verständlichkeit ermöglicht, aber auch alle anderen, die sich von den Themen und der ungewöhnlichen Machart angesprochen fühlen. In wöchentlich 30 Minuten bringt das vom BR produzierte und in allen Dritten Programmen ausgestrahlte Magazin Informationen aus allen gesellschaftlichen Bereichen, von Arbeitswelt, Familie, Freizeit, Sport über Kunst, Kultur, Bildung, Geschichte bis hin zu politischen, sozialen, rechtlichen und behindertenspezifischen Themen.
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